Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gische Motivirung dieses Actes sich nicht hätte einlassen sollen. Vvrnämlich führte
.nun Z. seine Truppen gegen die schwer zu bewältigende lateinische Grammatik,
um so schwerer, weil die Werke über diesen Theil der pädagogischen Kriegswissenschaft
Vieles zu wünschen übrig ließen. Niemand war, der ihn "thät instruiren, wie man sollt'
die Truppen führen und den Feind recht greifen an;" weder die Formlehre, noch
die Syntax konnte sein Tertianerheer bewältigen. Da entschloß er sich selbst als
Strategiker aufzutreten; die Regel des Angriffs der Syntax stellte er kurz zu¬
sammen -- aber was mit den Formen thun, die, wenn.auch einmal gefangen,
doch wieder den Händen und Köpfen seiner. Soldaten entschlüpften? Und
wieder verfiel er in tiefes Nachdenken, ein zweiter, ein höherer "Fibel"; wäre
ihm nur dessen vortreffliches Werk über den Krieg gegen die Buchstaben in den
Sinn gekommen, er wäre gewiß in die Fußstapfen dieses Unsterblichen mit eigenen
Füßen getreten; so aber that er's mit fremden, und zwar mit denen der alten
Märkischen Grammatik, die, wie einst Fibel den Buchstaben, so den lateinischen
Grundregeln und andern dergleichen bösen Feinden mit so gefährlichen Versen
entgegenrückte, daß die Feinde sich auf Gnade oder Ungnade übergeben mußten.
Diese ruhmbewährte Waffe, die mit großem Unrecht in der Rumpelkammer des
pädagogischen Zeughauses verrostete, brachte Zumpt wieder zu Ehren; er polirte
sie ein wenig auf und versah seine Mannschaft damit; von nun an führte er sie
nicht mehr zum Kampfe, nein, zum gewissen Siege. Erst nur die seiner speciellen
Führung anvertrauten Truppen allein -- aber als er sah, wie unfehlbar sein
Mittelchen war, als auch die Syntax seinen Regeln sich überwunden gab, da er¬
glühte er von patriotischem Eifer, das ganze Kriegsheer der vaterländischen Jugend
in gleicher Weise ausgerüstet zu sehen; erst zwei und zwanzig Jahre alt, trat der
große Feldherr, ein zweiter Alexander, mit seinen "Regeln der lateinischen Syntax
mit zwei Anhängen" hervor und auch Exercitien führte er zwei Jahre später (1816)
ein, um deu Gebrauch der neuen Waffen einzuüben: die "Ausgaben zum Ueber¬
setzen aus dem Deutschen ins Lateinische." Aber alles Große, Neue und Er¬
habene hat Schwierigkeiten und Mühen zu überwinden, ehe es sich Anerkennung
erringt; auch ZnmptS "Regeln" machten das Regiment seiner Werderaner zwar
zu Kerntruppcn, aber fanden sonst kaum irgendwo Eingang. Das kümmerte den
Feldherrn sehr; er sah ein, daß er zwar treffliche Waffen vorgeschlagen, aber
über ihre Benutzung kein in allen Theilen gleichmäßig durchgearbeitetes System
geliefert habe -- und so entstand denn sein Lehrbuch des Krieges gegen die
lateinische Sprache, vulgo lateinische Grammatik, oder noch vnlgairer "der Zumpt"
genannt, das zuerst 1818 erschien. Was bis' dahin "dem stillen Veilchen gleich"
nur im Verborgenen geblüht hatte, dem war jetzt der Tag der Garben gekommen:
"der Zumpt" brachte eine heilsame Revolution in der Taktik hervor. Je mehr
er sich Bahn brach, um so mehr wurde er auch mit unermüdlicher Aemsigkeit ver¬
vollkommnet; bald stellte sich das Bedürfniß heraus, die Theorie des kleinen


gische Motivirung dieses Actes sich nicht hätte einlassen sollen. Vvrnämlich führte
.nun Z. seine Truppen gegen die schwer zu bewältigende lateinische Grammatik,
um so schwerer, weil die Werke über diesen Theil der pädagogischen Kriegswissenschaft
Vieles zu wünschen übrig ließen. Niemand war, der ihn „thät instruiren, wie man sollt'
die Truppen führen und den Feind recht greifen an;" weder die Formlehre, noch
die Syntax konnte sein Tertianerheer bewältigen. Da entschloß er sich selbst als
Strategiker aufzutreten; die Regel des Angriffs der Syntax stellte er kurz zu¬
sammen — aber was mit den Formen thun, die, wenn.auch einmal gefangen,
doch wieder den Händen und Köpfen seiner. Soldaten entschlüpften? Und
wieder verfiel er in tiefes Nachdenken, ein zweiter, ein höherer „Fibel"; wäre
ihm nur dessen vortreffliches Werk über den Krieg gegen die Buchstaben in den
Sinn gekommen, er wäre gewiß in die Fußstapfen dieses Unsterblichen mit eigenen
Füßen getreten; so aber that er's mit fremden, und zwar mit denen der alten
Märkischen Grammatik, die, wie einst Fibel den Buchstaben, so den lateinischen
Grundregeln und andern dergleichen bösen Feinden mit so gefährlichen Versen
entgegenrückte, daß die Feinde sich auf Gnade oder Ungnade übergeben mußten.
Diese ruhmbewährte Waffe, die mit großem Unrecht in der Rumpelkammer des
pädagogischen Zeughauses verrostete, brachte Zumpt wieder zu Ehren; er polirte
sie ein wenig auf und versah seine Mannschaft damit; von nun an führte er sie
nicht mehr zum Kampfe, nein, zum gewissen Siege. Erst nur die seiner speciellen
Führung anvertrauten Truppen allein — aber als er sah, wie unfehlbar sein
Mittelchen war, als auch die Syntax seinen Regeln sich überwunden gab, da er¬
glühte er von patriotischem Eifer, das ganze Kriegsheer der vaterländischen Jugend
in gleicher Weise ausgerüstet zu sehen; erst zwei und zwanzig Jahre alt, trat der
große Feldherr, ein zweiter Alexander, mit seinen „Regeln der lateinischen Syntax
mit zwei Anhängen" hervor und auch Exercitien führte er zwei Jahre später (1816)
ein, um deu Gebrauch der neuen Waffen einzuüben: die „Ausgaben zum Ueber¬
setzen aus dem Deutschen ins Lateinische." Aber alles Große, Neue und Er¬
habene hat Schwierigkeiten und Mühen zu überwinden, ehe es sich Anerkennung
erringt; auch ZnmptS „Regeln" machten das Regiment seiner Werderaner zwar
zu Kerntruppcn, aber fanden sonst kaum irgendwo Eingang. Das kümmerte den
Feldherrn sehr; er sah ein, daß er zwar treffliche Waffen vorgeschlagen, aber
über ihre Benutzung kein in allen Theilen gleichmäßig durchgearbeitetes System
geliefert habe — und so entstand denn sein Lehrbuch des Krieges gegen die
lateinische Sprache, vulgo lateinische Grammatik, oder noch vnlgairer „der Zumpt"
genannt, das zuerst 1818 erschien. Was bis' dahin „dem stillen Veilchen gleich"
nur im Verborgenen geblüht hatte, dem war jetzt der Tag der Garben gekommen:
„der Zumpt" brachte eine heilsame Revolution in der Taktik hervor. Je mehr
er sich Bahn brach, um so mehr wurde er auch mit unermüdlicher Aemsigkeit ver¬
vollkommnet; bald stellte sich das Bedürfniß heraus, die Theorie des kleinen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0466" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91659"/>
          <p xml:id="ID_1268" prev="#ID_1267" next="#ID_1269"> gische Motivirung dieses Actes sich nicht hätte einlassen sollen. Vvrnämlich führte<lb/>
.nun Z. seine Truppen gegen die schwer zu bewältigende lateinische Grammatik,<lb/>
um so schwerer, weil die Werke über diesen Theil der pädagogischen Kriegswissenschaft<lb/>
Vieles zu wünschen übrig ließen. Niemand war, der ihn &#x201E;thät instruiren, wie man sollt'<lb/>
die Truppen führen und den Feind recht greifen an;" weder die Formlehre, noch<lb/>
die Syntax konnte sein Tertianerheer bewältigen. Da entschloß er sich selbst als<lb/>
Strategiker aufzutreten; die Regel des Angriffs der Syntax stellte er kurz zu¬<lb/>
sammen &#x2014; aber was mit den Formen thun, die, wenn.auch einmal gefangen,<lb/>
doch wieder den Händen und Köpfen seiner. Soldaten entschlüpften? Und<lb/>
wieder verfiel er in tiefes Nachdenken, ein zweiter, ein höherer &#x201E;Fibel"; wäre<lb/>
ihm nur dessen vortreffliches Werk über den Krieg gegen die Buchstaben in den<lb/>
Sinn gekommen, er wäre gewiß in die Fußstapfen dieses Unsterblichen mit eigenen<lb/>
Füßen getreten; so aber that er's mit fremden, und zwar mit denen der alten<lb/>
Märkischen Grammatik, die, wie einst Fibel den Buchstaben, so den lateinischen<lb/>
Grundregeln und andern dergleichen bösen Feinden mit so gefährlichen Versen<lb/>
entgegenrückte, daß die Feinde sich auf Gnade oder Ungnade übergeben mußten.<lb/>
Diese ruhmbewährte Waffe, die mit großem Unrecht in der Rumpelkammer des<lb/>
pädagogischen Zeughauses verrostete, brachte Zumpt wieder zu Ehren; er polirte<lb/>
sie ein wenig auf und versah seine Mannschaft damit; von nun an führte er sie<lb/>
nicht mehr zum Kampfe, nein, zum gewissen Siege. Erst nur die seiner speciellen<lb/>
Führung anvertrauten Truppen allein &#x2014; aber als er sah, wie unfehlbar sein<lb/>
Mittelchen war, als auch die Syntax seinen Regeln sich überwunden gab, da er¬<lb/>
glühte er von patriotischem Eifer, das ganze Kriegsheer der vaterländischen Jugend<lb/>
in gleicher Weise ausgerüstet zu sehen; erst zwei und zwanzig Jahre alt, trat der<lb/>
große Feldherr, ein zweiter Alexander, mit seinen &#x201E;Regeln der lateinischen Syntax<lb/>
mit zwei Anhängen" hervor und auch Exercitien führte er zwei Jahre später (1816)<lb/>
ein, um deu Gebrauch der neuen Waffen einzuüben: die &#x201E;Ausgaben zum Ueber¬<lb/>
setzen aus dem Deutschen ins Lateinische." Aber alles Große, Neue und Er¬<lb/>
habene hat Schwierigkeiten und Mühen zu überwinden, ehe es sich Anerkennung<lb/>
erringt; auch ZnmptS &#x201E;Regeln" machten das Regiment seiner Werderaner zwar<lb/>
zu Kerntruppcn, aber fanden sonst kaum irgendwo Eingang. Das kümmerte den<lb/>
Feldherrn sehr; er sah ein, daß er zwar treffliche Waffen vorgeschlagen, aber<lb/>
über ihre Benutzung kein in allen Theilen gleichmäßig durchgearbeitetes System<lb/>
geliefert habe &#x2014; und so entstand denn sein Lehrbuch des Krieges gegen die<lb/>
lateinische Sprache, vulgo lateinische Grammatik, oder noch vnlgairer &#x201E;der Zumpt"<lb/>
genannt, das zuerst 1818 erschien. Was bis' dahin &#x201E;dem stillen Veilchen gleich"<lb/>
nur im Verborgenen geblüht hatte, dem war jetzt der Tag der Garben gekommen:<lb/>
&#x201E;der Zumpt" brachte eine heilsame Revolution in der Taktik hervor. Je mehr<lb/>
er sich Bahn brach, um so mehr wurde er auch mit unermüdlicher Aemsigkeit ver¬<lb/>
vollkommnet; bald stellte sich das Bedürfniß heraus, die Theorie des kleinen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0466] gische Motivirung dieses Actes sich nicht hätte einlassen sollen. Vvrnämlich führte .nun Z. seine Truppen gegen die schwer zu bewältigende lateinische Grammatik, um so schwerer, weil die Werke über diesen Theil der pädagogischen Kriegswissenschaft Vieles zu wünschen übrig ließen. Niemand war, der ihn „thät instruiren, wie man sollt' die Truppen führen und den Feind recht greifen an;" weder die Formlehre, noch die Syntax konnte sein Tertianerheer bewältigen. Da entschloß er sich selbst als Strategiker aufzutreten; die Regel des Angriffs der Syntax stellte er kurz zu¬ sammen — aber was mit den Formen thun, die, wenn.auch einmal gefangen, doch wieder den Händen und Köpfen seiner. Soldaten entschlüpften? Und wieder verfiel er in tiefes Nachdenken, ein zweiter, ein höherer „Fibel"; wäre ihm nur dessen vortreffliches Werk über den Krieg gegen die Buchstaben in den Sinn gekommen, er wäre gewiß in die Fußstapfen dieses Unsterblichen mit eigenen Füßen getreten; so aber that er's mit fremden, und zwar mit denen der alten Märkischen Grammatik, die, wie einst Fibel den Buchstaben, so den lateinischen Grundregeln und andern dergleichen bösen Feinden mit so gefährlichen Versen entgegenrückte, daß die Feinde sich auf Gnade oder Ungnade übergeben mußten. Diese ruhmbewährte Waffe, die mit großem Unrecht in der Rumpelkammer des pädagogischen Zeughauses verrostete, brachte Zumpt wieder zu Ehren; er polirte sie ein wenig auf und versah seine Mannschaft damit; von nun an führte er sie nicht mehr zum Kampfe, nein, zum gewissen Siege. Erst nur die seiner speciellen Führung anvertrauten Truppen allein — aber als er sah, wie unfehlbar sein Mittelchen war, als auch die Syntax seinen Regeln sich überwunden gab, da er¬ glühte er von patriotischem Eifer, das ganze Kriegsheer der vaterländischen Jugend in gleicher Weise ausgerüstet zu sehen; erst zwei und zwanzig Jahre alt, trat der große Feldherr, ein zweiter Alexander, mit seinen „Regeln der lateinischen Syntax mit zwei Anhängen" hervor und auch Exercitien führte er zwei Jahre später (1816) ein, um deu Gebrauch der neuen Waffen einzuüben: die „Ausgaben zum Ueber¬ setzen aus dem Deutschen ins Lateinische." Aber alles Große, Neue und Er¬ habene hat Schwierigkeiten und Mühen zu überwinden, ehe es sich Anerkennung erringt; auch ZnmptS „Regeln" machten das Regiment seiner Werderaner zwar zu Kerntruppcn, aber fanden sonst kaum irgendwo Eingang. Das kümmerte den Feldherrn sehr; er sah ein, daß er zwar treffliche Waffen vorgeschlagen, aber über ihre Benutzung kein in allen Theilen gleichmäßig durchgearbeitetes System geliefert habe — und so entstand denn sein Lehrbuch des Krieges gegen die lateinische Sprache, vulgo lateinische Grammatik, oder noch vnlgairer „der Zumpt" genannt, das zuerst 1818 erschien. Was bis' dahin „dem stillen Veilchen gleich" nur im Verborgenen geblüht hatte, dem war jetzt der Tag der Garben gekommen: „der Zumpt" brachte eine heilsame Revolution in der Taktik hervor. Je mehr er sich Bahn brach, um so mehr wurde er auch mit unermüdlicher Aemsigkeit ver¬ vollkommnet; bald stellte sich das Bedürfniß heraus, die Theorie des kleinen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/466
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/466>, abgerufen am 27.07.2024.