Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Bewohner des Badischen Schwarzwildes. Auf den ersten Blick konnte man
Dieselben von den kleinen, brannen, beweglichen National-Franzosen, die als
Angestellte, Soldaten, Arbeiter n> s. w. in großer Zahl hier sind, unterscheiden.
Dieses stattlichen Wuchses wegen nimmt man die in der Armee dienenden Elsasser
vorzugsweise zu der Artillerie oder der schweren Reiterei. Von ebenso üppigem
Wuchs, wie die Männer, zeigten sich auch durchschnittlich die Frauen unter der
Landbevölkerung. Es waren viele hübsche, frische Gesichter uuter den jungen
Mädchen, denen ihre geschmackvolle sonntägliche Tracht, bestehend in rothen Mützen,
wollenen Röcken, einem farbigen Leibchen, und einem um den Kopf gebundenen
bunten Seidentuch, dessen zwei Zipfel im Nacken flatterten, sehr gut stand. Das
äußere Ansehen aller dieser Bauern, wie auch der Zustand ihrer Pferde und Wa¬
gen, verrieth durchschnittlich einen behäbigen Wohlstand, In den Fabrikdistricten
von Mühlhausen und Kolmar ist dagegen sehr viel besitzloses Proletariat.

In den Schenken und Bierstuben, welche die Landbewohner erfüllten, hörte
man jetzt fast nur den Elsässischen Deutschen Dialekt sprechen. Da das schlechte
Wetter leider machte, daß die große Parade, welche um Mittag aus dem Kleber¬
platze stattfinden sollte; bis ans den künftigen Sonntag aufgeschoben wurde, ebenso
auch das kunstvolle Feuerwerk, das die Artillerie am Abend abbrennen wollte, zu
Wasser ward, so blieb den in ihren Erwartungen Getäuschten nicht viel Anderes
übrig, als ihren Unmuth im Wein oder Bier zu vertrinken. Das geschah denn
auch redlich, und man konnte sehen, daß die Elsasser der Deutschen Sitte des
Trinkens nicht fremd geworden sind. In dieser Beziehung ist der National-
franzose mäßiger. Da übrigens das Feuerwerk nicht abgebrannt wurde, so ver¬
ließen die Landleute bei einbrechender Dämmerung großentheils die Stadt.
Eine Menge kleiner niederer Leiterwagen, mit derben, gedrungenen, gut gefütter¬
ten Pferden bespannt, und Kops an Kopf mit Menschen beladen, fuhren in schnel¬
lem Galopp durch die Thore den heimathlichen Dörfern zu.

In der Stadt begann die Illumination aller öffentlichen Gebäude, denen
sich die meisten Privatwohnungen angeschlossen hatten, mit einbrechender Dunkel¬
heit. Viel Reichthum und Glanz war bei dieser Beleuchtung nicht zu sehen.
Von wundervoll schönen Anblick war übrigens die Beleuchtung des großen Mün¬
sterthurmes bis in seine äußerste Spitze durch verschiedenfarbiges Beugalisches
Feuer von Vs^l) bis -10 Uhr Abends, die mit Kanonendonner und Glockenge¬
läute den Tag beschloß.

Da man Unruhen an diesem Abend befürchtet hatte, so waren zahlreiche
Patrouillen auf den Beinen. Ueberhaupt bemerkt man in Frankreich bei allen
öffentlichen Gelegenheiten eine solche Unmasse von Gendarmen, Infanterie-Posten
und ähnlicher Ausstellung von bewaffneter Macht, daß selbst unsre Deutschen Vor¬
kehrungen dagegen zurückstehen. Dabei verfahren die Gendarmen und Polizei¬
diener oft brutal. Viel höflicher ist das Linienmilitair.


Bewohner des Badischen Schwarzwildes. Auf den ersten Blick konnte man
Dieselben von den kleinen, brannen, beweglichen National-Franzosen, die als
Angestellte, Soldaten, Arbeiter n> s. w. in großer Zahl hier sind, unterscheiden.
Dieses stattlichen Wuchses wegen nimmt man die in der Armee dienenden Elsasser
vorzugsweise zu der Artillerie oder der schweren Reiterei. Von ebenso üppigem
Wuchs, wie die Männer, zeigten sich auch durchschnittlich die Frauen unter der
Landbevölkerung. Es waren viele hübsche, frische Gesichter uuter den jungen
Mädchen, denen ihre geschmackvolle sonntägliche Tracht, bestehend in rothen Mützen,
wollenen Röcken, einem farbigen Leibchen, und einem um den Kopf gebundenen
bunten Seidentuch, dessen zwei Zipfel im Nacken flatterten, sehr gut stand. Das
äußere Ansehen aller dieser Bauern, wie auch der Zustand ihrer Pferde und Wa¬
gen, verrieth durchschnittlich einen behäbigen Wohlstand, In den Fabrikdistricten
von Mühlhausen und Kolmar ist dagegen sehr viel besitzloses Proletariat.

In den Schenken und Bierstuben, welche die Landbewohner erfüllten, hörte
man jetzt fast nur den Elsässischen Deutschen Dialekt sprechen. Da das schlechte
Wetter leider machte, daß die große Parade, welche um Mittag aus dem Kleber¬
platze stattfinden sollte; bis ans den künftigen Sonntag aufgeschoben wurde, ebenso
auch das kunstvolle Feuerwerk, das die Artillerie am Abend abbrennen wollte, zu
Wasser ward, so blieb den in ihren Erwartungen Getäuschten nicht viel Anderes
übrig, als ihren Unmuth im Wein oder Bier zu vertrinken. Das geschah denn
auch redlich, und man konnte sehen, daß die Elsasser der Deutschen Sitte des
Trinkens nicht fremd geworden sind. In dieser Beziehung ist der National-
franzose mäßiger. Da übrigens das Feuerwerk nicht abgebrannt wurde, so ver¬
ließen die Landleute bei einbrechender Dämmerung großentheils die Stadt.
Eine Menge kleiner niederer Leiterwagen, mit derben, gedrungenen, gut gefütter¬
ten Pferden bespannt, und Kops an Kopf mit Menschen beladen, fuhren in schnel¬
lem Galopp durch die Thore den heimathlichen Dörfern zu.

In der Stadt begann die Illumination aller öffentlichen Gebäude, denen
sich die meisten Privatwohnungen angeschlossen hatten, mit einbrechender Dunkel¬
heit. Viel Reichthum und Glanz war bei dieser Beleuchtung nicht zu sehen.
Von wundervoll schönen Anblick war übrigens die Beleuchtung des großen Mün¬
sterthurmes bis in seine äußerste Spitze durch verschiedenfarbiges Beugalisches
Feuer von Vs^l) bis -10 Uhr Abends, die mit Kanonendonner und Glockenge¬
läute den Tag beschloß.

Da man Unruhen an diesem Abend befürchtet hatte, so waren zahlreiche
Patrouillen auf den Beinen. Ueberhaupt bemerkt man in Frankreich bei allen
öffentlichen Gelegenheiten eine solche Unmasse von Gendarmen, Infanterie-Posten
und ähnlicher Ausstellung von bewaffneter Macht, daß selbst unsre Deutschen Vor¬
kehrungen dagegen zurückstehen. Dabei verfahren die Gendarmen und Polizei¬
diener oft brutal. Viel höflicher ist das Linienmilitair.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0354" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91547"/>
          <p xml:id="ID_967" prev="#ID_966"> Bewohner des Badischen Schwarzwildes. Auf den ersten Blick konnte man<lb/>
Dieselben von den kleinen, brannen, beweglichen National-Franzosen, die als<lb/>
Angestellte, Soldaten, Arbeiter n&gt; s. w. in großer Zahl hier sind, unterscheiden.<lb/>
Dieses stattlichen Wuchses wegen nimmt man die in der Armee dienenden Elsasser<lb/>
vorzugsweise zu der Artillerie oder der schweren Reiterei. Von ebenso üppigem<lb/>
Wuchs, wie die Männer, zeigten sich auch durchschnittlich die Frauen unter der<lb/>
Landbevölkerung. Es waren viele hübsche, frische Gesichter uuter den jungen<lb/>
Mädchen, denen ihre geschmackvolle sonntägliche Tracht, bestehend in rothen Mützen,<lb/>
wollenen Röcken, einem farbigen Leibchen, und einem um den Kopf gebundenen<lb/>
bunten Seidentuch, dessen zwei Zipfel im Nacken flatterten, sehr gut stand. Das<lb/>
äußere Ansehen aller dieser Bauern, wie auch der Zustand ihrer Pferde und Wa¬<lb/>
gen, verrieth durchschnittlich einen behäbigen Wohlstand, In den Fabrikdistricten<lb/>
von Mühlhausen und Kolmar ist dagegen sehr viel besitzloses Proletariat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_968"> In den Schenken und Bierstuben, welche die Landbewohner erfüllten, hörte<lb/>
man jetzt fast nur den Elsässischen Deutschen Dialekt sprechen. Da das schlechte<lb/>
Wetter leider machte, daß die große Parade, welche um Mittag aus dem Kleber¬<lb/>
platze stattfinden sollte; bis ans den künftigen Sonntag aufgeschoben wurde, ebenso<lb/>
auch das kunstvolle Feuerwerk, das die Artillerie am Abend abbrennen wollte, zu<lb/>
Wasser ward, so blieb den in ihren Erwartungen Getäuschten nicht viel Anderes<lb/>
übrig, als ihren Unmuth im Wein oder Bier zu vertrinken. Das geschah denn<lb/>
auch redlich, und man konnte sehen, daß die Elsasser der Deutschen Sitte des<lb/>
Trinkens nicht fremd geworden sind. In dieser Beziehung ist der National-<lb/>
franzose mäßiger. Da übrigens das Feuerwerk nicht abgebrannt wurde, so ver¬<lb/>
ließen die Landleute bei einbrechender Dämmerung großentheils die Stadt.<lb/>
Eine Menge kleiner niederer Leiterwagen, mit derben, gedrungenen, gut gefütter¬<lb/>
ten Pferden bespannt, und Kops an Kopf mit Menschen beladen, fuhren in schnel¬<lb/>
lem Galopp durch die Thore den heimathlichen Dörfern zu.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_969"> In der Stadt begann die Illumination aller öffentlichen Gebäude, denen<lb/>
sich die meisten Privatwohnungen angeschlossen hatten, mit einbrechender Dunkel¬<lb/>
heit. Viel Reichthum und Glanz war bei dieser Beleuchtung nicht zu sehen.<lb/>
Von wundervoll schönen Anblick war übrigens die Beleuchtung des großen Mün¬<lb/>
sterthurmes bis in seine äußerste Spitze durch verschiedenfarbiges Beugalisches<lb/>
Feuer von Vs^l) bis -10 Uhr Abends, die mit Kanonendonner und Glockenge¬<lb/>
läute den Tag beschloß.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_970"> Da man Unruhen an diesem Abend befürchtet hatte, so waren zahlreiche<lb/>
Patrouillen auf den Beinen. Ueberhaupt bemerkt man in Frankreich bei allen<lb/>
öffentlichen Gelegenheiten eine solche Unmasse von Gendarmen, Infanterie-Posten<lb/>
und ähnlicher Ausstellung von bewaffneter Macht, daß selbst unsre Deutschen Vor¬<lb/>
kehrungen dagegen zurückstehen. Dabei verfahren die Gendarmen und Polizei¬<lb/>
diener oft brutal. Viel höflicher ist das Linienmilitair.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0354] Bewohner des Badischen Schwarzwildes. Auf den ersten Blick konnte man Dieselben von den kleinen, brannen, beweglichen National-Franzosen, die als Angestellte, Soldaten, Arbeiter n> s. w. in großer Zahl hier sind, unterscheiden. Dieses stattlichen Wuchses wegen nimmt man die in der Armee dienenden Elsasser vorzugsweise zu der Artillerie oder der schweren Reiterei. Von ebenso üppigem Wuchs, wie die Männer, zeigten sich auch durchschnittlich die Frauen unter der Landbevölkerung. Es waren viele hübsche, frische Gesichter uuter den jungen Mädchen, denen ihre geschmackvolle sonntägliche Tracht, bestehend in rothen Mützen, wollenen Röcken, einem farbigen Leibchen, und einem um den Kopf gebundenen bunten Seidentuch, dessen zwei Zipfel im Nacken flatterten, sehr gut stand. Das äußere Ansehen aller dieser Bauern, wie auch der Zustand ihrer Pferde und Wa¬ gen, verrieth durchschnittlich einen behäbigen Wohlstand, In den Fabrikdistricten von Mühlhausen und Kolmar ist dagegen sehr viel besitzloses Proletariat. In den Schenken und Bierstuben, welche die Landbewohner erfüllten, hörte man jetzt fast nur den Elsässischen Deutschen Dialekt sprechen. Da das schlechte Wetter leider machte, daß die große Parade, welche um Mittag aus dem Kleber¬ platze stattfinden sollte; bis ans den künftigen Sonntag aufgeschoben wurde, ebenso auch das kunstvolle Feuerwerk, das die Artillerie am Abend abbrennen wollte, zu Wasser ward, so blieb den in ihren Erwartungen Getäuschten nicht viel Anderes übrig, als ihren Unmuth im Wein oder Bier zu vertrinken. Das geschah denn auch redlich, und man konnte sehen, daß die Elsasser der Deutschen Sitte des Trinkens nicht fremd geworden sind. In dieser Beziehung ist der National- franzose mäßiger. Da übrigens das Feuerwerk nicht abgebrannt wurde, so ver¬ ließen die Landleute bei einbrechender Dämmerung großentheils die Stadt. Eine Menge kleiner niederer Leiterwagen, mit derben, gedrungenen, gut gefütter¬ ten Pferden bespannt, und Kops an Kopf mit Menschen beladen, fuhren in schnel¬ lem Galopp durch die Thore den heimathlichen Dörfern zu. In der Stadt begann die Illumination aller öffentlichen Gebäude, denen sich die meisten Privatwohnungen angeschlossen hatten, mit einbrechender Dunkel¬ heit. Viel Reichthum und Glanz war bei dieser Beleuchtung nicht zu sehen. Von wundervoll schönen Anblick war übrigens die Beleuchtung des großen Mün¬ sterthurmes bis in seine äußerste Spitze durch verschiedenfarbiges Beugalisches Feuer von Vs^l) bis -10 Uhr Abends, die mit Kanonendonner und Glockenge¬ läute den Tag beschloß. Da man Unruhen an diesem Abend befürchtet hatte, so waren zahlreiche Patrouillen auf den Beinen. Ueberhaupt bemerkt man in Frankreich bei allen öffentlichen Gelegenheiten eine solche Unmasse von Gendarmen, Infanterie-Posten und ähnlicher Ausstellung von bewaffneter Macht, daß selbst unsre Deutschen Vor¬ kehrungen dagegen zurückstehen. Dabei verfahren die Gendarmen und Polizei¬ diener oft brutal. Viel höflicher ist das Linienmilitair.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/354
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/354>, abgerufen am 27.07.2024.