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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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werkstelligen, daß der Bauer keine Art von Vermögen, am allerwenigsten baares
Geld besitze; denn besitzt er Geld, so kauft er sich ein Grundeigentum an, wozu
ihm bei einigen Staatsgütern, den deutschen Kolonien, und sogar bei einigen
braven Edelleuten die beste Gelegenheit gegeben ist, und wozu er uach dem Landes¬
gesetz, welches noch von der Zeit der Konstitution herstammt, berechtigt ist. Für
259 Thlr. kann er ein Gut eigenthümlich kaufen, welches viel umfänglicher ist,
als eine gewöhnliche Bauernwirthschaft. Seit es den Bauern bekannt geworden,
daß sie Grundeigentum besitzen dürfen und daß zum Ankauf an gewissen Orten
Gelegenheit ist, ist ihr höchster Wunsch, in Besitz des Kaufgeldes zu gelangen.
Das zu verhindern ist aber Sache des Grundherrn, und an Mitteln gebricht es
ihm nicht, denn er macht die Gesetze in seinem Dorfe.

Die Wirthschaften, in welche der Edelmann Bauern einsetzt, bestehen ungefähr
aus folgendem: zwölf Morgen Boden (keine Wiese und kein Garten), eine Hütte
zum Wohnen, eine Scheuer und ein Stall, ein paar Zugochsen, eine Kuh, vier
Schafe, zwei Ferken, sechs Hühner und ein Hahn, ein Wagen nach Landes¬
sitte, ohne irgend eine Spur von Eisenbeschlag, ein Pflug ohne Räder für das
Ochseujoch eingerichtet, eine Egge aus Weidenruthen geflochten, eine Laterne, eine
Flachsbreche, eine Granpenstampfe, ein Kleien- und ein Wasscrfaß, eine Wasch¬
gelte, zwei Tränkeimer, vier Milchäsche, ein hölzerner Eßnapf und sechs hölzerne
Eßlöffel. Das ist das Inventarium, was der Grundherr dem Bauer zur Be¬
nutzung übergibt. Dazu kommen noch als unbewegliche Gutstheile: ein Tisch,
dessen Füße als Pfähle in dem Erdboden der Stube eingeschlagen sind und ein
großes ans plumpen Balle" gezimmertes Bettgestell, welches mit der hölzernen
Wand des Gebäudes dergestalt in Verbindung steht, daß es zu dem Gebäude
gehört, ebenso wie die Bank, welche gleichfalls beim Bau der Hütte entstanden
und ein unwandelbarer Theil der Bohlenschichten der Wand ist. Zu allem dem
gehört noch eine ans dem Schilfdache liegende und zum Schornstein führende Leiter,
welche aus einem dicken aus der Erde hervorragendem Stamme fußt.

Eigenthum des Bauers ist ein Federkopfkissen, ein Deckbette und ein Bett¬
tuch, welches zugleich statt des Tragkorbs, den man hier nicht kennt, zum Trans¬
port der Marktwaarcn benutzt wird. An dies Privatvermögen hält sich auch in der
Regel der Grundherr, wenn er den Bauer wegen rückständiger Frohnen, Ka¬
paunen- oder Eierzinseu auspfändet. Und fast scheint es, als ob wegen solcher
Auspfändung keinem Bauer eine Wirthschaft übergeben werde, der nicht ein
Kopfkissen, Deckbett und Betttuch besitzt.

Bei solcher Einrichtung ist es nur schwer möglich, zu Wohlhabenheit zu ge¬
lange"; fände der Bauer aber doch den Weg, so tritt ihm der Edelmann sogleich
entgegen, indem er ihm das Erübrigte geradezu wegnimmt und zwar mit der
Behauptung, daß dem Bauer nicht mehr zukomme, als ihm übergeben sei, oder
indem er ihm die Wirthschaft schmälert. Bestelle der Bauer sein Feld mit Fleiß


werkstelligen, daß der Bauer keine Art von Vermögen, am allerwenigsten baares
Geld besitze; denn besitzt er Geld, so kauft er sich ein Grundeigentum an, wozu
ihm bei einigen Staatsgütern, den deutschen Kolonien, und sogar bei einigen
braven Edelleuten die beste Gelegenheit gegeben ist, und wozu er uach dem Landes¬
gesetz, welches noch von der Zeit der Konstitution herstammt, berechtigt ist. Für
259 Thlr. kann er ein Gut eigenthümlich kaufen, welches viel umfänglicher ist,
als eine gewöhnliche Bauernwirthschaft. Seit es den Bauern bekannt geworden,
daß sie Grundeigentum besitzen dürfen und daß zum Ankauf an gewissen Orten
Gelegenheit ist, ist ihr höchster Wunsch, in Besitz des Kaufgeldes zu gelangen.
Das zu verhindern ist aber Sache des Grundherrn, und an Mitteln gebricht es
ihm nicht, denn er macht die Gesetze in seinem Dorfe.

Die Wirthschaften, in welche der Edelmann Bauern einsetzt, bestehen ungefähr
aus folgendem: zwölf Morgen Boden (keine Wiese und kein Garten), eine Hütte
zum Wohnen, eine Scheuer und ein Stall, ein paar Zugochsen, eine Kuh, vier
Schafe, zwei Ferken, sechs Hühner und ein Hahn, ein Wagen nach Landes¬
sitte, ohne irgend eine Spur von Eisenbeschlag, ein Pflug ohne Räder für das
Ochseujoch eingerichtet, eine Egge aus Weidenruthen geflochten, eine Laterne, eine
Flachsbreche, eine Granpenstampfe, ein Kleien- und ein Wasscrfaß, eine Wasch¬
gelte, zwei Tränkeimer, vier Milchäsche, ein hölzerner Eßnapf und sechs hölzerne
Eßlöffel. Das ist das Inventarium, was der Grundherr dem Bauer zur Be¬
nutzung übergibt. Dazu kommen noch als unbewegliche Gutstheile: ein Tisch,
dessen Füße als Pfähle in dem Erdboden der Stube eingeschlagen sind und ein
großes ans plumpen Balle» gezimmertes Bettgestell, welches mit der hölzernen
Wand des Gebäudes dergestalt in Verbindung steht, daß es zu dem Gebäude
gehört, ebenso wie die Bank, welche gleichfalls beim Bau der Hütte entstanden
und ein unwandelbarer Theil der Bohlenschichten der Wand ist. Zu allem dem
gehört noch eine ans dem Schilfdache liegende und zum Schornstein führende Leiter,
welche aus einem dicken aus der Erde hervorragendem Stamme fußt.

Eigenthum des Bauers ist ein Federkopfkissen, ein Deckbette und ein Bett¬
tuch, welches zugleich statt des Tragkorbs, den man hier nicht kennt, zum Trans¬
port der Marktwaarcn benutzt wird. An dies Privatvermögen hält sich auch in der
Regel der Grundherr, wenn er den Bauer wegen rückständiger Frohnen, Ka¬
paunen- oder Eierzinseu auspfändet. Und fast scheint es, als ob wegen solcher
Auspfändung keinem Bauer eine Wirthschaft übergeben werde, der nicht ein
Kopfkissen, Deckbett und Betttuch besitzt.

Bei solcher Einrichtung ist es nur schwer möglich, zu Wohlhabenheit zu ge¬
lange«; fände der Bauer aber doch den Weg, so tritt ihm der Edelmann sogleich
entgegen, indem er ihm das Erübrigte geradezu wegnimmt und zwar mit der
Behauptung, daß dem Bauer nicht mehr zukomme, als ihm übergeben sei, oder
indem er ihm die Wirthschaft schmälert. Bestelle der Bauer sein Feld mit Fleiß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/102>, abgerufen am 27.07.2024.