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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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gleich den Morgen. Die Schatten ruhen duftig und frisch im Grund, von dem
letzten Hauche des gefallenen Thaues geschwängert, das Licht ist farblos und kühl.
Ein klarer Himmel spannt sich über die Landschaft ans, und nur wie feine, dun¬
stige Flecken bemerkt man die Atome eines sich bildenden Gewölks. Alles im
Beginn, im ersten Werden, und anch die Andeutung des Bades erinnert an die
erste Erfrischung des Morgens.

Das zweite Bild zeigt uns einen Deutschen Sommer. In dem unbesäet
gebliebenen freien Ausschnitt eines Kornfeldes, auf dem ein Wald von hohen,
reifen, goldgelben Aehren dem Auge einen wohlthuenden Anblick bereitet, nehmen
zwei herrliche Eichen den Mittelpunkt des Bildes ein; etwas weiter zurück bemer¬
ken wir einen einzeln stehenden, etwas kleinern, aber ebenfalls in malerischen
Formen gewachsenen Baum, im Hintergründe einen niedrigen Hügelzug, vielleicht
die Vorberge der Alpen. Den breiten Ausschnitt, der das Kornfeld in einem
Winkel begrenzt, deckt ein sandiger, mit wenigem dürftigem Rasen und vereinzel¬
ten Feldgebüsch bekleideter Boden. Auf ihm liegen die Werkzeuge zum Schnei¬
den und Sammeln des Getreides , und unter deu Eichen, welche ihren Schatten
breit und voll unter sich werfen, rasten die Schnitter. Denn es ist Mittag. Am
Himmel hat sich, vou der Hitze erzeugt, ein Gewölk gesammelt, das aber seine
weißen nud vollen Formen znsanunenhält und unbeweglich verweilt, ohne zu
drohen. Die Natur scheint zu rasten, gleich den Menschen; ihr Licht zeigt jedoch,
daß sie im Mittelpunkt ihres täglichen Werkes sich befindet. Es überstrahlt die
Gegend mit leuchtendem Gelb, und die Schatten fallen rund und kräftig. Von
unübertrefflicher Zeichnung sind die Eichen in ihrer prachtvollen Niesenschönheit.
Der gewaltige Stamm trägt sein vielgestaltiges Gezweig zu einer mächtigen Krone
von dickem, reichem Land empor. Aber in dieser grünen Fülle gaukelt das Licht,
grüßt uns des Himmels Blau, herrscht eine Leichtigkeit des Stoffes, eine Durch¬
sichtigkeit und luftige Freiheit, wie uur ein geniales Ange sie dem Leben der
Natur im Reiche der befiederten Sänger abzulauschen vermag. So, in dieser
prächtigen königlichen Schönheit, wächst die Eiche eben nur in dem etwas sandi¬
gen Erdreich, in welchem der Künstler hier sie wurzeln läßt, und in dieser Frei¬
heit, wo Sonne, Regen und Wind ungehemmt um ihre stolze Krone spielen. '

Der Herbst im dritten Bilde erinnert an die Seepartien der Schweiz von
wilderem Charakter. Ein Durchblick durch eine offene Waldstelle geleitet unsre
Angen zu einem blauen See, an dessen jenseitigen Ufer ein Gebirge emporsteigt-
Zwei kleine Segel steuern ans der glatten Fläche. Im Bvrgrunde umgiebt uns
ein lichter Buchenwald, dessen Laub uur noch theilweise den letzten grünen, auch
schon in das Gelbliche fallenden Schimmer zeigt, meist aber, roth und brann, die
Farben des Herbstes trägt. Am Boden ist nnr noch das Haidekraut der Jahres-
zeit treu geblieben. Wir haben die Feierstunde des Spätnachmittags, "
zu dem feierlichen Farbenkleide des Herbstes nicht minder trefflich stimmt, als er


gleich den Morgen. Die Schatten ruhen duftig und frisch im Grund, von dem
letzten Hauche des gefallenen Thaues geschwängert, das Licht ist farblos und kühl.
Ein klarer Himmel spannt sich über die Landschaft ans, und nur wie feine, dun¬
stige Flecken bemerkt man die Atome eines sich bildenden Gewölks. Alles im
Beginn, im ersten Werden, und anch die Andeutung des Bades erinnert an die
erste Erfrischung des Morgens.

Das zweite Bild zeigt uns einen Deutschen Sommer. In dem unbesäet
gebliebenen freien Ausschnitt eines Kornfeldes, auf dem ein Wald von hohen,
reifen, goldgelben Aehren dem Auge einen wohlthuenden Anblick bereitet, nehmen
zwei herrliche Eichen den Mittelpunkt des Bildes ein; etwas weiter zurück bemer¬
ken wir einen einzeln stehenden, etwas kleinern, aber ebenfalls in malerischen
Formen gewachsenen Baum, im Hintergründe einen niedrigen Hügelzug, vielleicht
die Vorberge der Alpen. Den breiten Ausschnitt, der das Kornfeld in einem
Winkel begrenzt, deckt ein sandiger, mit wenigem dürftigem Rasen und vereinzel¬
ten Feldgebüsch bekleideter Boden. Auf ihm liegen die Werkzeuge zum Schnei¬
den und Sammeln des Getreides , und unter deu Eichen, welche ihren Schatten
breit und voll unter sich werfen, rasten die Schnitter. Denn es ist Mittag. Am
Himmel hat sich, vou der Hitze erzeugt, ein Gewölk gesammelt, das aber seine
weißen nud vollen Formen znsanunenhält und unbeweglich verweilt, ohne zu
drohen. Die Natur scheint zu rasten, gleich den Menschen; ihr Licht zeigt jedoch,
daß sie im Mittelpunkt ihres täglichen Werkes sich befindet. Es überstrahlt die
Gegend mit leuchtendem Gelb, und die Schatten fallen rund und kräftig. Von
unübertrefflicher Zeichnung sind die Eichen in ihrer prachtvollen Niesenschönheit.
Der gewaltige Stamm trägt sein vielgestaltiges Gezweig zu einer mächtigen Krone
von dickem, reichem Land empor. Aber in dieser grünen Fülle gaukelt das Licht,
grüßt uns des Himmels Blau, herrscht eine Leichtigkeit des Stoffes, eine Durch¬
sichtigkeit und luftige Freiheit, wie uur ein geniales Ange sie dem Leben der
Natur im Reiche der befiederten Sänger abzulauschen vermag. So, in dieser
prächtigen königlichen Schönheit, wächst die Eiche eben nur in dem etwas sandi¬
gen Erdreich, in welchem der Künstler hier sie wurzeln läßt, und in dieser Frei¬
heit, wo Sonne, Regen und Wind ungehemmt um ihre stolze Krone spielen. '

Der Herbst im dritten Bilde erinnert an die Seepartien der Schweiz von
wilderem Charakter. Ein Durchblick durch eine offene Waldstelle geleitet unsre
Angen zu einem blauen See, an dessen jenseitigen Ufer ein Gebirge emporsteigt-
Zwei kleine Segel steuern ans der glatten Fläche. Im Bvrgrunde umgiebt uns
ein lichter Buchenwald, dessen Laub uur noch theilweise den letzten grünen, auch
schon in das Gelbliche fallenden Schimmer zeigt, meist aber, roth und brann, die
Farben des Herbstes trägt. Am Boden ist nnr noch das Haidekraut der Jahres-
zeit treu geblieben. Wir haben die Feierstunde des Spätnachmittags, "
zu dem feierlichen Farbenkleide des Herbstes nicht minder trefflich stimmt, als er


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/8>, abgerufen am 23.07.2024.