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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Bayern nicht blos einem Volke, nämlich dem deutschen, sondern einem und dem¬
selben bajoarischen Stamme angehören, so ist doch in allen Reden und Schriften
der damaligen Zeit nicht ein Wort darüber zu finden. Oestreichisch und bayrisch
waren damals so feindselige Gegensätze, wie jetzt deutsch und russisch.

Sprechen wir indessen nicht allein vom Versasser, sondern auch von seinein
Helden und Landsmann.

Joseph Speckbacher also war am 13. Juli 1767 im Gnadenwald bei Hall
geboren, in jenem schonen, duftigen Wald, deu uns Lentner in seinen Bcrgge-
schichten neuerdings so lieblich geschildert. Sein Vater war Bauer; sein Großvater
hatte sich schon im Jahre 1703 ausgezeichnet, als die Tyroler den Churfürsten
Max Emanuel mit gewaffneter Hand aus dem Lande trieben. Der Großvater
konnte dem kleinen Enkel noch selbst von seinen Kriegsthaten erzählen, und dieser
soll zur HeimgartenSzeit seinen Erzählungen mit Wonne gelauscht haben.

Als Jüngling war der Seppel ein wilder Abenteurer, kam oft Tage lang
nicht nach Hause, entsagte jedem stäten Aufenthalt, pürschte, nur von seinem
Hunde begleitet, im Karwendelgebirge herum, schlief in Felsenhöhlen und spielte
ans der Gemsenjagd hundert Male muthwillig um sein Leben. Einmal erlegte er
anch für sich allein einen großen Naubbären, und zog damit triumphirend vor
Gericht, wo er die ausgesprochene Belohnung erhielt. Aus Scheibenschießen war
er der beste Schütze, auf den Kirchweihen der erste Raufer -- weit und breit
kein Bauernbursche so berühmt wie er.

In diesen Tagen seiner Jugend trug sich's aber zu, daß er bei ciueM
Kirchweihfeste zu Lans, einem lustigen Dorfe des Innsbrucker Mittelgebirges, ein
Mädchen kennen lernte ans der Gemeinde Rinn, welches urplötzlich "einen so
tiefen Eindruck ans sein wildes Herz machte, daß er, von der ersten Liebe Zauber¬
macht ergriffen, sich alsbald vornahm, sein regelloses Leben zu ändern, und diese
schöne tugendhafte Jungfrau, welche auch noch überdies mit einem nicht unansehn¬
lichen Vermögen ausgestattet war, zu verdienen und zu heirathen." So hing
denn Seppel seine Büchse an die Wand, verdingte sich als Holzarbeiter in die
Saline zu Hall, lag seinem Geschäfte mit Eifer ob, ging fleißig in die Kirche,
die er auf dem Karweudelgcbirg am Sonntag nicht immer zur Hand gehabt, und
lernte sogar noch lesen und schreiben, was er früher über eitel Jägerei auch
versäumt hatte.

Durch solche Besserung gewann er zum Herzen der Tochter auch allmählich
die Neigung der Mutter, die den wilden, arbeitsscheuen Seppel früher streng
von dem Hofe gewiesen hatte, und im Jahre 1794 "schmückte der Brautkranz
die schone Marie und der Rosmarin Speckbacher's herrliche Männer-Gestalt.'
Der Sohn der Wildniß trat nun aber die Verwaltung des erheirateten Hofes
mit solchem Eifer an, und führte sie zu so allgemeiner Zufriedenheit, daß er zwei Jahre
daraus einstimmig zum Mitgliede des dortigen Gemeinde-Ausschusses gewählt wurde.


Bayern nicht blos einem Volke, nämlich dem deutschen, sondern einem und dem¬
selben bajoarischen Stamme angehören, so ist doch in allen Reden und Schriften
der damaligen Zeit nicht ein Wort darüber zu finden. Oestreichisch und bayrisch
waren damals so feindselige Gegensätze, wie jetzt deutsch und russisch.

Sprechen wir indessen nicht allein vom Versasser, sondern auch von seinein
Helden und Landsmann.

Joseph Speckbacher also war am 13. Juli 1767 im Gnadenwald bei Hall
geboren, in jenem schonen, duftigen Wald, deu uns Lentner in seinen Bcrgge-
schichten neuerdings so lieblich geschildert. Sein Vater war Bauer; sein Großvater
hatte sich schon im Jahre 1703 ausgezeichnet, als die Tyroler den Churfürsten
Max Emanuel mit gewaffneter Hand aus dem Lande trieben. Der Großvater
konnte dem kleinen Enkel noch selbst von seinen Kriegsthaten erzählen, und dieser
soll zur HeimgartenSzeit seinen Erzählungen mit Wonne gelauscht haben.

Als Jüngling war der Seppel ein wilder Abenteurer, kam oft Tage lang
nicht nach Hause, entsagte jedem stäten Aufenthalt, pürschte, nur von seinem
Hunde begleitet, im Karwendelgebirge herum, schlief in Felsenhöhlen und spielte
ans der Gemsenjagd hundert Male muthwillig um sein Leben. Einmal erlegte er
anch für sich allein einen großen Naubbären, und zog damit triumphirend vor
Gericht, wo er die ausgesprochene Belohnung erhielt. Aus Scheibenschießen war
er der beste Schütze, auf den Kirchweihen der erste Raufer — weit und breit
kein Bauernbursche so berühmt wie er.

In diesen Tagen seiner Jugend trug sich's aber zu, daß er bei ciueM
Kirchweihfeste zu Lans, einem lustigen Dorfe des Innsbrucker Mittelgebirges, ein
Mädchen kennen lernte ans der Gemeinde Rinn, welches urplötzlich „einen so
tiefen Eindruck ans sein wildes Herz machte, daß er, von der ersten Liebe Zauber¬
macht ergriffen, sich alsbald vornahm, sein regelloses Leben zu ändern, und diese
schöne tugendhafte Jungfrau, welche auch noch überdies mit einem nicht unansehn¬
lichen Vermögen ausgestattet war, zu verdienen und zu heirathen." So hing
denn Seppel seine Büchse an die Wand, verdingte sich als Holzarbeiter in die
Saline zu Hall, lag seinem Geschäfte mit Eifer ob, ging fleißig in die Kirche,
die er auf dem Karweudelgcbirg am Sonntag nicht immer zur Hand gehabt, und
lernte sogar noch lesen und schreiben, was er früher über eitel Jägerei auch
versäumt hatte.

Durch solche Besserung gewann er zum Herzen der Tochter auch allmählich
die Neigung der Mutter, die den wilden, arbeitsscheuen Seppel früher streng
von dem Hofe gewiesen hatte, und im Jahre 1794 „schmückte der Brautkranz
die schone Marie und der Rosmarin Speckbacher's herrliche Männer-Gestalt.'
Der Sohn der Wildniß trat nun aber die Verwaltung des erheirateten Hofes
mit solchem Eifer an, und führte sie zu so allgemeiner Zufriedenheit, daß er zwei Jahre
daraus einstimmig zum Mitgliede des dortigen Gemeinde-Ausschusses gewählt wurde.


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[0490] Bayern nicht blos einem Volke, nämlich dem deutschen, sondern einem und dem¬ selben bajoarischen Stamme angehören, so ist doch in allen Reden und Schriften der damaligen Zeit nicht ein Wort darüber zu finden. Oestreichisch und bayrisch waren damals so feindselige Gegensätze, wie jetzt deutsch und russisch. Sprechen wir indessen nicht allein vom Versasser, sondern auch von seinein Helden und Landsmann. Joseph Speckbacher also war am 13. Juli 1767 im Gnadenwald bei Hall geboren, in jenem schonen, duftigen Wald, deu uns Lentner in seinen Bcrgge- schichten neuerdings so lieblich geschildert. Sein Vater war Bauer; sein Großvater hatte sich schon im Jahre 1703 ausgezeichnet, als die Tyroler den Churfürsten Max Emanuel mit gewaffneter Hand aus dem Lande trieben. Der Großvater konnte dem kleinen Enkel noch selbst von seinen Kriegsthaten erzählen, und dieser soll zur HeimgartenSzeit seinen Erzählungen mit Wonne gelauscht haben. Als Jüngling war der Seppel ein wilder Abenteurer, kam oft Tage lang nicht nach Hause, entsagte jedem stäten Aufenthalt, pürschte, nur von seinem Hunde begleitet, im Karwendelgebirge herum, schlief in Felsenhöhlen und spielte ans der Gemsenjagd hundert Male muthwillig um sein Leben. Einmal erlegte er anch für sich allein einen großen Naubbären, und zog damit triumphirend vor Gericht, wo er die ausgesprochene Belohnung erhielt. Aus Scheibenschießen war er der beste Schütze, auf den Kirchweihen der erste Raufer — weit und breit kein Bauernbursche so berühmt wie er. In diesen Tagen seiner Jugend trug sich's aber zu, daß er bei ciueM Kirchweihfeste zu Lans, einem lustigen Dorfe des Innsbrucker Mittelgebirges, ein Mädchen kennen lernte ans der Gemeinde Rinn, welches urplötzlich „einen so tiefen Eindruck ans sein wildes Herz machte, daß er, von der ersten Liebe Zauber¬ macht ergriffen, sich alsbald vornahm, sein regelloses Leben zu ändern, und diese schöne tugendhafte Jungfrau, welche auch noch überdies mit einem nicht unansehn¬ lichen Vermögen ausgestattet war, zu verdienen und zu heirathen." So hing denn Seppel seine Büchse an die Wand, verdingte sich als Holzarbeiter in die Saline zu Hall, lag seinem Geschäfte mit Eifer ob, ging fleißig in die Kirche, die er auf dem Karweudelgcbirg am Sonntag nicht immer zur Hand gehabt, und lernte sogar noch lesen und schreiben, was er früher über eitel Jägerei auch versäumt hatte. Durch solche Besserung gewann er zum Herzen der Tochter auch allmählich die Neigung der Mutter, die den wilden, arbeitsscheuen Seppel früher streng von dem Hofe gewiesen hatte, und im Jahre 1794 „schmückte der Brautkranz die schone Marie und der Rosmarin Speckbacher's herrliche Männer-Gestalt.' Der Sohn der Wildniß trat nun aber die Verwaltung des erheirateten Hofes mit solchem Eifer an, und führte sie zu so allgemeiner Zufriedenheit, daß er zwei Jahre daraus einstimmig zum Mitgliede des dortigen Gemeinde-Ausschusses gewählt wurde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/490>, abgerufen am 23.07.2024.