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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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aber man macht ihn, es ist nicht mehr jenes Sprudeln des tollen Humors,
jene elegante Kundgebung einer lebenslustigen, oft frivolen Anschauungsweise,
wie sie uns die Tradition der französischen Gesellschaft nachweist. Man ist
nachdenkender geworden, und seit Frankreich den Spaß erlebt, Männer
wie Persiguy und or. V6ron ernst nehmen zu müssen, macht es unwill¬
kürlich eine ernste Miene, und verliert den Humor darüber; wenn einmal die
Republik so fest stehen, daß sich Niemand mehr um sie kümmern wird, wenn die
Intriguen und persönlichen Bestrebungen einzelner Talente keine Revolution mehr
an ihrer Spitze tragen werden, dann dürste sich der liebenswürdige Leichtsinn der
Pariser wieder einstellen, denn bei ihrer Elasticität finden sie sich rasch in alle
Verhältnisse, und ein wirkliches k-rit a,nec>mM wird in Frankreich leichter geduldet
und geduldiger ertragen, als überall. Die neue Revolution wird bald legitim
sein, und die patschvulidnftendeu Göttinnen des Faubourg Se. Germain saugen
ohnehin bereits an, ihre mit sich selber schmollende Nestaurationspvlitik zu bereuen.
Man hat schon so viel für die legitime allerchristlichste Monarchie gelitten, man
hat schon so viel Langeweile ertragen, daß es höchst unchristlich wäre, den Mar-
qnisinnen/ Gräfinnen und Herzoginnen zu verübeln, wenn sie sich trotz der Re¬
publik zu unterhalten versuchten. Die alten Perrücken des Legitimismus, welche
sich und ihre Grundsätze sorgsam unter einer Glasglocke halten, damit ja kein
Lufthauch der neuen Zeit ihnen zu nahe komme, schütteln freilich ängstlich das
Haupt; sie haben von Transactionen mit den republikanischen Rotüriers keinen
Begriff, und erschrecken auch vor dem bloßen Gedanken eiuer solchen Regung.
Die Kastenvorurtheile müssen stark sein, um sich in einem Laude, wie Frankreich,
nach so vielen Revolutionen erhalten zu haben, in einer Gesellschaft, die durch die
Sitten, durch die Sprache, durch das, Gemeingut gewordene feine Benehmen sich
einheitlicher gestaltet hat, als dies irgendwo der Fall ist. Zum Glück werden
diese vorsündfluthlichen Bestrebungen immer seltener, und sie siud auch heute mehr
culturhistorische Kuriosität, als einflußreiches Element in den gesellschaftlichen Be¬
ziehungen. Der Kampf der Legitimität gegen die Revolution ist auch kein Priu-
cipienkamps mehr, er ist eine persönliche Intrigue, die Gewalt an sich zu ziehen.
Es handelt sich um keine Religion mehr, sondern um Würden, Aemter und Ein¬
künfte. Es ist auch bezeichnend für diese Partei, daß ihre beiden einflußreichsten
und talentvollsten Vertreter Bürgerliche sind. Der Advocat des Königs, Herr
Berryer, ist ein bezahlter Noturier, und Herr Falloux hat sein d e blos des Wohl-
klangs wegen vor seinen Namen gesetzt, so wie Herr Graner seinen Geburtsort
Cassaiguac dazu benutzt, sich de Cassaiguac zu nennen. Der Buonapartismns ver¬
schmäht es nämlich anch nicht, in Voraussicht auf die Restauration des Kaiser-
thums, sich noch bei Zeiten zum Adelstande vorzubereiten. Eigentlichen Einfluß
auf die Gesellschaft als solche hat der Adel nicht mehr, und der Paß für diese
bleibt das Talent und der Esprit,


aber man macht ihn, es ist nicht mehr jenes Sprudeln des tollen Humors,
jene elegante Kundgebung einer lebenslustigen, oft frivolen Anschauungsweise,
wie sie uns die Tradition der französischen Gesellschaft nachweist. Man ist
nachdenkender geworden, und seit Frankreich den Spaß erlebt, Männer
wie Persiguy und or. V6ron ernst nehmen zu müssen, macht es unwill¬
kürlich eine ernste Miene, und verliert den Humor darüber; wenn einmal die
Republik so fest stehen, daß sich Niemand mehr um sie kümmern wird, wenn die
Intriguen und persönlichen Bestrebungen einzelner Talente keine Revolution mehr
an ihrer Spitze tragen werden, dann dürste sich der liebenswürdige Leichtsinn der
Pariser wieder einstellen, denn bei ihrer Elasticität finden sie sich rasch in alle
Verhältnisse, und ein wirkliches k-rit a,nec>mM wird in Frankreich leichter geduldet
und geduldiger ertragen, als überall. Die neue Revolution wird bald legitim
sein, und die patschvulidnftendeu Göttinnen des Faubourg Se. Germain saugen
ohnehin bereits an, ihre mit sich selber schmollende Nestaurationspvlitik zu bereuen.
Man hat schon so viel für die legitime allerchristlichste Monarchie gelitten, man
hat schon so viel Langeweile ertragen, daß es höchst unchristlich wäre, den Mar-
qnisinnen/ Gräfinnen und Herzoginnen zu verübeln, wenn sie sich trotz der Re¬
publik zu unterhalten versuchten. Die alten Perrücken des Legitimismus, welche
sich und ihre Grundsätze sorgsam unter einer Glasglocke halten, damit ja kein
Lufthauch der neuen Zeit ihnen zu nahe komme, schütteln freilich ängstlich das
Haupt; sie haben von Transactionen mit den republikanischen Rotüriers keinen
Begriff, und erschrecken auch vor dem bloßen Gedanken eiuer solchen Regung.
Die Kastenvorurtheile müssen stark sein, um sich in einem Laude, wie Frankreich,
nach so vielen Revolutionen erhalten zu haben, in einer Gesellschaft, die durch die
Sitten, durch die Sprache, durch das, Gemeingut gewordene feine Benehmen sich
einheitlicher gestaltet hat, als dies irgendwo der Fall ist. Zum Glück werden
diese vorsündfluthlichen Bestrebungen immer seltener, und sie siud auch heute mehr
culturhistorische Kuriosität, als einflußreiches Element in den gesellschaftlichen Be¬
ziehungen. Der Kampf der Legitimität gegen die Revolution ist auch kein Priu-
cipienkamps mehr, er ist eine persönliche Intrigue, die Gewalt an sich zu ziehen.
Es handelt sich um keine Religion mehr, sondern um Würden, Aemter und Ein¬
künfte. Es ist auch bezeichnend für diese Partei, daß ihre beiden einflußreichsten
und talentvollsten Vertreter Bürgerliche sind. Der Advocat des Königs, Herr
Berryer, ist ein bezahlter Noturier, und Herr Falloux hat sein d e blos des Wohl-
klangs wegen vor seinen Namen gesetzt, so wie Herr Graner seinen Geburtsort
Cassaiguac dazu benutzt, sich de Cassaiguac zu nennen. Der Buonapartismns ver¬
schmäht es nämlich anch nicht, in Voraussicht auf die Restauration des Kaiser-
thums, sich noch bei Zeiten zum Adelstande vorzubereiten. Eigentlichen Einfluß
auf die Gesellschaft als solche hat der Adel nicht mehr, und der Paß für diese
bleibt das Talent und der Esprit,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/464>, abgerufen am 23.07.2024.