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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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an und ging weiter, als ob er ihn gar nicht kenne. Aber Brnmmell, der durch¬
aus nicht außer Fassung zu bringe" war, schlug deu Gegner mit dessen eigenen
Waffen: er ging mit großer Geistesgegenwart auf dessen Taktik ein, sich ihm ganz
fremd zu stellen, und flüsterte seinem Gegenüber hörbar zu: Alvauley, wer ist euer
dicker Freund dort? Die Zeugen dieser Scene bestätigen einstimmig, daß deu
Prinzen dieser Sarkasmus auf das Empfindlichste berührte." Ueberhaupt verlor
Brummell keine Gelegenheit, den Prinzen mit der alleruuschuldigsten Miene von
der Welt zu verletzen. Einmal ging er vor einem öffentliche" Gebäude vorbei,
während der Wagen des Prinzen vor der Thür stand. Die Schildwachen prä-
sentirten; mit der ernsthaftesten Miene bezog Brummell die Ehrenbezeugung auf
sich und uneben den Hut ab, als ob er gar nicht bemerkte, wer im Wagen säße.
Der Prinz wurde feuerroth vor Zorn, sagte aber nichts.

Dieser Wettkampf, in welchem der Prinz fast immer den Kürzern zog,, fand
nur ein Ende, weil dem Dandy zuletzt der Nerv des Krieges, das Geld aus¬
ging. Seitdem ihm Carltonhouse verschlossen war, besuchte er viel häufiger die
Clubs und spielte dort. Anfaugs hatte er außerordentliches Glück: an einem
Abende gewann er 26,000 Pfd. Seine Freunde riethen ihm, sich damit zu be¬
gnügen, und Renten zu kaufen; aber er fuhr fort zu spielen nud verlor Alles.
Er nahm gegen enorme Zinsen Geld bei Wucherern aus. Er borgte auch von
Leuten, welche auf diese Weise die Ehre bezahlten, seine Bekanntschaft zu macheu.
Brummell glaubte ihnen damit eine Verpflichtung aufzuerlegen. Einer derselben
mahnte ihn eines Tages. "Ich habe Sie ja schon bezahlt", entgegnete der
Dandy. -- "Wie so? Wann denn?" -- "Wann? Nun, da neulich, als sie
an dem Fenster meines Clubs vorbeigingen, und ich Ihnen zurief: ""Guten
Tag, Jenny, wie geht's?"" Da er jedoch nicht alle seine Schulden in dieser
Weise bezahlen konnte, rückte ihm die Gefahr des Schuldgefäuguisseö immer näher,
.und er mußte aus seiue Sicherheit bedacht sein. Am 16. Mai 1816 verschwand
er plötzlich von dem Schauplatz seiner Triumphe. Frühmorgens schrieb er noch
an einen Freund die zwei Zeilen: "Lieber Scrope, leihen Sie mir 200 Lonisd'or;
die Bank ist geschlossen, und all mein Geld ist in den ZProcents angelegt.
Ich werde es morgen zurückzahle"." Der Freund antwortete eben so lakonisch-
"Lieber Georg, es thut mir recht sehr leid, aber all "rein Geld ist in den 3Pro-
cents." Nach diesem fruchtlosen Versuche erschien Brummell Abends in der Oper;
er verließ sie zeitig, und stieg, ohne wieder in seine Wohnung zu gehen, in
eine Postchaise, die seiner wartete. So erreichte er am nächsten Morgen Dover,
miethete ein kleines Fahrzeug, und befand sich in wenigen Stnndew ans fran-
zösischen Boden.

Hiermit beginnt für Brummell eine neue Leb'ensperiode, die einen traurigen
Eindruck macht, denn sie bietet uns das Schauspiel eines allmähliche", aber steten
Sinkens dar. In Calais angekommen, war Bruimuellö erste Sorge, sich in seiner


an und ging weiter, als ob er ihn gar nicht kenne. Aber Brnmmell, der durch¬
aus nicht außer Fassung zu bringe» war, schlug deu Gegner mit dessen eigenen
Waffen: er ging mit großer Geistesgegenwart auf dessen Taktik ein, sich ihm ganz
fremd zu stellen, und flüsterte seinem Gegenüber hörbar zu: Alvauley, wer ist euer
dicker Freund dort? Die Zeugen dieser Scene bestätigen einstimmig, daß deu
Prinzen dieser Sarkasmus auf das Empfindlichste berührte." Ueberhaupt verlor
Brummell keine Gelegenheit, den Prinzen mit der alleruuschuldigsten Miene von
der Welt zu verletzen. Einmal ging er vor einem öffentliche» Gebäude vorbei,
während der Wagen des Prinzen vor der Thür stand. Die Schildwachen prä-
sentirten; mit der ernsthaftesten Miene bezog Brummell die Ehrenbezeugung auf
sich und uneben den Hut ab, als ob er gar nicht bemerkte, wer im Wagen säße.
Der Prinz wurde feuerroth vor Zorn, sagte aber nichts.

Dieser Wettkampf, in welchem der Prinz fast immer den Kürzern zog,, fand
nur ein Ende, weil dem Dandy zuletzt der Nerv des Krieges, das Geld aus¬
ging. Seitdem ihm Carltonhouse verschlossen war, besuchte er viel häufiger die
Clubs und spielte dort. Anfaugs hatte er außerordentliches Glück: an einem
Abende gewann er 26,000 Pfd. Seine Freunde riethen ihm, sich damit zu be¬
gnügen, und Renten zu kaufen; aber er fuhr fort zu spielen nud verlor Alles.
Er nahm gegen enorme Zinsen Geld bei Wucherern aus. Er borgte auch von
Leuten, welche auf diese Weise die Ehre bezahlten, seine Bekanntschaft zu macheu.
Brummell glaubte ihnen damit eine Verpflichtung aufzuerlegen. Einer derselben
mahnte ihn eines Tages. „Ich habe Sie ja schon bezahlt", entgegnete der
Dandy. — „Wie so? Wann denn?" — „Wann? Nun, da neulich, als sie
an dem Fenster meines Clubs vorbeigingen, und ich Ihnen zurief: „„Guten
Tag, Jenny, wie geht's?"" Da er jedoch nicht alle seine Schulden in dieser
Weise bezahlen konnte, rückte ihm die Gefahr des Schuldgefäuguisseö immer näher,
.und er mußte aus seiue Sicherheit bedacht sein. Am 16. Mai 1816 verschwand
er plötzlich von dem Schauplatz seiner Triumphe. Frühmorgens schrieb er noch
an einen Freund die zwei Zeilen: „Lieber Scrope, leihen Sie mir 200 Lonisd'or;
die Bank ist geschlossen, und all mein Geld ist in den ZProcents angelegt.
Ich werde es morgen zurückzahle»." Der Freund antwortete eben so lakonisch-
„Lieber Georg, es thut mir recht sehr leid, aber all »rein Geld ist in den 3Pro-
cents." Nach diesem fruchtlosen Versuche erschien Brummell Abends in der Oper;
er verließ sie zeitig, und stieg, ohne wieder in seine Wohnung zu gehen, in
eine Postchaise, die seiner wartete. So erreichte er am nächsten Morgen Dover,
miethete ein kleines Fahrzeug, und befand sich in wenigen Stnndew ans fran-
zösischen Boden.

Hiermit beginnt für Brummell eine neue Leb'ensperiode, die einen traurigen
Eindruck macht, denn sie bietet uns das Schauspiel eines allmähliche», aber steten
Sinkens dar. In Calais angekommen, war Bruimuellö erste Sorge, sich in seiner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/426>, abgerufen am 23.07.2024.