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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Damen sich in das wilde Parteigetriebe stürzten, und die schöne Herzogin von
Devonshire bei der Wahl in Westmünster einem Brauer einen Kuß sür seine
Stimme gab, hatte Brummell natürlich keinen Theil. Doch lieferte er ein paro-
dircubes Gegenstück zu dem Titanenkampfe zwischen England und Napoleon um
die Weltherrschaft, als er mit dem ihm feind gewordenen einstigen Gönner, dem
Prinzen von Wales, um den Vorrang in der Welt der Mode zu ringen aufing.
Die Ursachen ihres Bruches sind nie recht bekannt geworden. Brummell gab
stets der Maitresse des Prinzen, Mrs. Fitzherbert, die Schuld, die er in seiner
rücksichtslosen Spottsncht beleidigt hatte. Außerdem wurde der Prinz dick, was
ihm sehr zu Herzen ging, und ihn gegen seinen Freund erbitterte, der ungefällig
genug war, immer jung zu bleiben. Was nun auch den Anlaß dazu gegeben
haben mag, kurz es kam ein Tag, wo sich für Brummell die Pforten des Carltou-
palastes -- lauge Zeit die Scene seiner schönsten Triumphe -- nicht mehr öffneten.
Doch wußte er diesen Wechsel seines Schicksals mit großer Würde zu ertragen,
und er zeigte jetzt in seiner Ungnade, daß ihn nicht blos der Abglanz der Prinz,
lichen Sonne ans der Dunkelheit gehoben, sondern daß er mit eigenem Lichte zu
leuchten verstand. Ungeachtet des mächtigen Einflusses, den der Prinz von Wa¬
les durch seinen Rang auf die aristokratischen Kreise der Londoner Modewelt
haben mußte, behauptete sich doch der Enkel des Couditvrs in seiner Stellung,
und war kühn genug, den überlegenen Gegner selbst anzugreifen und mit geist¬
reichen, aber giftigen Neckereien unermüdlich zu verfolgen. "Ich habe ihn gemacht
zu dem, was er ist; ich kaun ihn auch wieder vernichten," pflegte Brummell von
seinem ehemaligen Freund und Beschützer zu sagen. Mit der spaßhaftesten Ernst¬
haftigkeit verkündete er, er wolle den alten König in die Mode, bringen, und er
besuchte, seitdem er ans der Umgebung des Thronerben verbannt war, die Sa¬
lons des Herzogs von Dort. Die empfindliche Seite des Prinzen, seine Wohl-
beleibtheit, wurde für ihn eine unerschöpfliche Quelle sarkastischer Einfälle. Nicht
allzulange nach dem Brüche gaben Brummell und drei seiner Freunde, Lord
Alvanley^ Mr. H. Pierrepoint und Sir Henry Mildmay, alle vier Hanprangeber
des bon ton, einen berühmten Ball, der in den Annalen der Modewelt noch jetzt
als ,M<z d-ni ol' >,>r<z sirQäivs" gefeiert wird. Sie hatten eine bedeutende Summe
um Spiele gewonnen, und beschlossen, dieselbe zu einem glänzenden Feste zu ver¬
wenden. Der Ball war ein Ereigniß in der fashionablen Welt; lange vorher
war die Rede davon, und der Prinz von Wales sprach den Wunsch aus, mit
, eingeladen zu werden. "Als der Prinz angemeldet wurde," berichtet Capitain
Jesse, "nahmen die vier Dandies jeder eine Kerze in die Hand, um ihren hohen
Gast würdig zu empfangen. Pierrepoint, der mit dem Prinzen bekannt war,
stand der Thür am nächsten; ihm gegenüber Mildmay, als der jüngste, Brum¬
mell und Alvanley in zweiter Reihe. Der Prinz trat ein, unterhielt sich mit
Pierrepoint, Mildmay und Alvanley, wendete sich dann gegen Brummell, sah ihn


Damen sich in das wilde Parteigetriebe stürzten, und die schöne Herzogin von
Devonshire bei der Wahl in Westmünster einem Brauer einen Kuß sür seine
Stimme gab, hatte Brummell natürlich keinen Theil. Doch lieferte er ein paro-
dircubes Gegenstück zu dem Titanenkampfe zwischen England und Napoleon um
die Weltherrschaft, als er mit dem ihm feind gewordenen einstigen Gönner, dem
Prinzen von Wales, um den Vorrang in der Welt der Mode zu ringen aufing.
Die Ursachen ihres Bruches sind nie recht bekannt geworden. Brummell gab
stets der Maitresse des Prinzen, Mrs. Fitzherbert, die Schuld, die er in seiner
rücksichtslosen Spottsncht beleidigt hatte. Außerdem wurde der Prinz dick, was
ihm sehr zu Herzen ging, und ihn gegen seinen Freund erbitterte, der ungefällig
genug war, immer jung zu bleiben. Was nun auch den Anlaß dazu gegeben
haben mag, kurz es kam ein Tag, wo sich für Brummell die Pforten des Carltou-
palastes — lauge Zeit die Scene seiner schönsten Triumphe — nicht mehr öffneten.
Doch wußte er diesen Wechsel seines Schicksals mit großer Würde zu ertragen,
und er zeigte jetzt in seiner Ungnade, daß ihn nicht blos der Abglanz der Prinz,
lichen Sonne ans der Dunkelheit gehoben, sondern daß er mit eigenem Lichte zu
leuchten verstand. Ungeachtet des mächtigen Einflusses, den der Prinz von Wa¬
les durch seinen Rang auf die aristokratischen Kreise der Londoner Modewelt
haben mußte, behauptete sich doch der Enkel des Couditvrs in seiner Stellung,
und war kühn genug, den überlegenen Gegner selbst anzugreifen und mit geist¬
reichen, aber giftigen Neckereien unermüdlich zu verfolgen. „Ich habe ihn gemacht
zu dem, was er ist; ich kaun ihn auch wieder vernichten," pflegte Brummell von
seinem ehemaligen Freund und Beschützer zu sagen. Mit der spaßhaftesten Ernst¬
haftigkeit verkündete er, er wolle den alten König in die Mode, bringen, und er
besuchte, seitdem er ans der Umgebung des Thronerben verbannt war, die Sa¬
lons des Herzogs von Dort. Die empfindliche Seite des Prinzen, seine Wohl-
beleibtheit, wurde für ihn eine unerschöpfliche Quelle sarkastischer Einfälle. Nicht
allzulange nach dem Brüche gaben Brummell und drei seiner Freunde, Lord
Alvanley^ Mr. H. Pierrepoint und Sir Henry Mildmay, alle vier Hanprangeber
des bon ton, einen berühmten Ball, der in den Annalen der Modewelt noch jetzt
als ,M<z d-ni ol' >,>r<z sirQäivs" gefeiert wird. Sie hatten eine bedeutende Summe
um Spiele gewonnen, und beschlossen, dieselbe zu einem glänzenden Feste zu ver¬
wenden. Der Ball war ein Ereigniß in der fashionablen Welt; lange vorher
war die Rede davon, und der Prinz von Wales sprach den Wunsch aus, mit
, eingeladen zu werden. „Als der Prinz angemeldet wurde," berichtet Capitain
Jesse, „nahmen die vier Dandies jeder eine Kerze in die Hand, um ihren hohen
Gast würdig zu empfangen. Pierrepoint, der mit dem Prinzen bekannt war,
stand der Thür am nächsten; ihm gegenüber Mildmay, als der jüngste, Brum¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/425>, abgerufen am 23.07.2024.