Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.worden war. Die Abgeordneten standen ermüdet, plaudernd, achtlos in Gruppen Dies Alles sind indessen Aeußerlichkeiten, welche sich nnr auf die formelle Amts¬ worden war. Die Abgeordneten standen ermüdet, plaudernd, achtlos in Gruppen Dies Alles sind indessen Aeußerlichkeiten, welche sich nnr auf die formelle Amts¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0385" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281002"/> <p xml:id="ID_1120" prev="#ID_1119"> worden war. Die Abgeordneten standen ermüdet, plaudernd, achtlos in Gruppen<lb/> beisammen, die Galerien pflogen lantes Gespräch. Da erscholl plötzlich die<lb/> Präsidenteustimme: „Ich bitte um Ruhe — sie tonnen ja gehen." Oder ein<lb/> anderes Mal, als einer der ultramontanen Heißsporne durch ungebührliche Ausfälle<lb/> die laute Entrüstung des gesammten Auditoriums herausforderte, da bat der<lb/> Präsident um Ruhe, „weil er sonst den gewiß geistreichen Erörterungen des<lb/> geehrten Herrn Redners nickt zu folgen vermöge." Dagegen mißglückt es voll¬<lb/> kommen, wenn Graf Hegnenberg der süddeutsche» „Gemüthlichkeit" oder irgend<lb/> einer landläufigen Begeisterung einmal Rechnung tragen zu müssen meint. Dafür<lb/> ^ er nicht geschaffen. So war und blieb z. B. seine Aufforderung zur Erhebung<lb/> von den Sitzen für Schleswig-Holstein am Schlüsse der Session von -18^<lb/> "ne nutz- und eindrucklose Komödie, die überdies schon gar zu oft gespielt hatte.<lb/> Freilich behaupten die Leute der Extreme, jene Begeistcrnngslosigkcit hindere un¬<lb/> gerechte Parteilichkeit des Präsidenten keineswegs. Sie mögen mitunter nicht<lb/> vollkommen im Unrecht sein, und sicherlich sollte wenigstens die präsidentliche Macht-<lb/> befngniß einstmals (bei der Abstimmung über die Suspension des Mandates der<lb/> Pfälzer während des Pfälzer Aufstandes) gröblich ausgedehnt werden. Jeden¬<lb/> falls war jedoch der damalige Gesammtanötritt der Linken ein eben so brutales<lb/> Gegenmittel, weil er der Regierung eine moralische Rechtfertigung für die so sehr<lb/> erwünschte Kammerauflösnng, weil er ferner die indirecte Veranlassung zu einer Neu¬<lb/> wahl der Volkskammer nnter dem frischen Eindrucke des Säbclregimcntes wurde.<lb/> Man Halden Grafen Hegnenberg nachher doch wieder aus den Präsidcntenstnhlerhoben;<lb/> ^ war eben unentbehrlich an diesem Platze. Wenn er auch damals von falschen<lb/> Gegriffen über seiue Macht zu einem Uebergriffe hingerissen ward — jedenfalls<lb/> darf man nicht vergessen, wie er bei späteren Gelegenheiten ministeriellen Eingriffen<lb/> 'u seine Befugnisse und in die Autonomie der Kammer mit einer Entschiedenheit<lb/> ^tgcgentrat, daß selbst Herr Ministerpräsident v. d. Pfordten nichts weiter zu<lb/> ^)»n wußte, als sich schweigend fügen. Und dazu gehörte -I8S0 und<lb/> Windcstcns eben so viel Entschlossenheit, als Anfangs 1849 zu einer persönlichen<lb/> Demonstration gegen die radicale Majorität der damaligen Kammer.</p><lb/> <p xml:id="ID_1121" next="#ID_1122"> Dies Alles sind indessen Aeußerlichkeiten, welche sich nnr auf die formelle Amts¬<lb/> führung des Präsidenten beziehen. Wichtiger und charakteristischer tritt die ent¬<lb/> schiedene Klarheit des Mannes in der Leitung der Debatte zu Tag. Immer weiß<lb/> 'w die abirrenden Redner wieder ans den eigentlichen Fragpunkt zu lenken, ohne<lb/> doch der durch Nothwendigkeit gebotenen Abschweifung ihr Recht zu verkümmern.<lb/> Präcis und scharf saßt er am Schlüsse der Debatte die Gruppen zu vereinbarender<lb/> Ansichten zusammen, einestheils dem Gegensatz den Gegensatz zur Folie gebend,<lb/> andernseitS die Ucbereinstimmnngsmomente anch aus den verschiedenartigste Acuße-<lb/> rnngsfvnnen heraushebend. Mit dieser Sichtung hängt eine im Allgemeinen selten<lb/> l'estrittene, klare, kurze Fragstelluug zusammen; eben so wie die Sicherheit des</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0385]
worden war. Die Abgeordneten standen ermüdet, plaudernd, achtlos in Gruppen
beisammen, die Galerien pflogen lantes Gespräch. Da erscholl plötzlich die
Präsidenteustimme: „Ich bitte um Ruhe — sie tonnen ja gehen." Oder ein
anderes Mal, als einer der ultramontanen Heißsporne durch ungebührliche Ausfälle
die laute Entrüstung des gesammten Auditoriums herausforderte, da bat der
Präsident um Ruhe, „weil er sonst den gewiß geistreichen Erörterungen des
geehrten Herrn Redners nickt zu folgen vermöge." Dagegen mißglückt es voll¬
kommen, wenn Graf Hegnenberg der süddeutsche» „Gemüthlichkeit" oder irgend
einer landläufigen Begeisterung einmal Rechnung tragen zu müssen meint. Dafür
^ er nicht geschaffen. So war und blieb z. B. seine Aufforderung zur Erhebung
von den Sitzen für Schleswig-Holstein am Schlüsse der Session von -18^
"ne nutz- und eindrucklose Komödie, die überdies schon gar zu oft gespielt hatte.
Freilich behaupten die Leute der Extreme, jene Begeistcrnngslosigkcit hindere un¬
gerechte Parteilichkeit des Präsidenten keineswegs. Sie mögen mitunter nicht
vollkommen im Unrecht sein, und sicherlich sollte wenigstens die präsidentliche Macht-
befngniß einstmals (bei der Abstimmung über die Suspension des Mandates der
Pfälzer während des Pfälzer Aufstandes) gröblich ausgedehnt werden. Jeden¬
falls war jedoch der damalige Gesammtanötritt der Linken ein eben so brutales
Gegenmittel, weil er der Regierung eine moralische Rechtfertigung für die so sehr
erwünschte Kammerauflösnng, weil er ferner die indirecte Veranlassung zu einer Neu¬
wahl der Volkskammer nnter dem frischen Eindrucke des Säbclregimcntes wurde.
Man Halden Grafen Hegnenberg nachher doch wieder aus den Präsidcntenstnhlerhoben;
^ war eben unentbehrlich an diesem Platze. Wenn er auch damals von falschen
Gegriffen über seiue Macht zu einem Uebergriffe hingerissen ward — jedenfalls
darf man nicht vergessen, wie er bei späteren Gelegenheiten ministeriellen Eingriffen
'u seine Befugnisse und in die Autonomie der Kammer mit einer Entschiedenheit
^tgcgentrat, daß selbst Herr Ministerpräsident v. d. Pfordten nichts weiter zu
^)»n wußte, als sich schweigend fügen. Und dazu gehörte -I8S0 und
Windcstcns eben so viel Entschlossenheit, als Anfangs 1849 zu einer persönlichen
Demonstration gegen die radicale Majorität der damaligen Kammer.
Dies Alles sind indessen Aeußerlichkeiten, welche sich nnr auf die formelle Amts¬
führung des Präsidenten beziehen. Wichtiger und charakteristischer tritt die ent¬
schiedene Klarheit des Mannes in der Leitung der Debatte zu Tag. Immer weiß
'w die abirrenden Redner wieder ans den eigentlichen Fragpunkt zu lenken, ohne
doch der durch Nothwendigkeit gebotenen Abschweifung ihr Recht zu verkümmern.
Präcis und scharf saßt er am Schlüsse der Debatte die Gruppen zu vereinbarender
Ansichten zusammen, einestheils dem Gegensatz den Gegensatz zur Folie gebend,
andernseitS die Ucbereinstimmnngsmomente anch aus den verschiedenartigste Acuße-
rnngsfvnnen heraushebend. Mit dieser Sichtung hängt eine im Allgemeinen selten
l'estrittene, klare, kurze Fragstelluug zusammen; eben so wie die Sicherheit des
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