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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Neuem zu stürzen droht. Nachdem man, wie überall in der Zeit der Erregtheit, mit
dem Volk geliebäugelt, ohne Vertrauen finden zu können, und manchen Anlauf ge¬
nommen, kehrte man am Ende doch wieder zu dem gewohnten Schlendrian gemäßigten
Druckes und dem beliebten der BesäuftiguugSmittel zurück. Als ein solches gedachte
man auch ein eigenes Preßvrgan zu begründen, welches nach allen Seiten hin
die conservativen Interessen wahren, vertheidigen, selbst aggressiv für sie in die
Schranken treten, und sich ans die besseren Elemente, welche etwa das eigen¬
thümliche Wesen des Thales bot, stützen sollte; denn der nicht ohne ein gewisses
boshaftes Geschick redigirten, sich völlig in der geistigen Tragweite des Publicums
haltenden, verbreiteten Elberfelder Zeitung hatte man guten Grund, nicht über
den Weg zu trauen. Das Unglück aber wollte, daß man sich nicht klar gemacht
hatte, was man eigentlich beabsichtigte, und mit Uebereilung begann; vorzüglich aber,
daß man sehr zur" Unzeit das Pastorale Element in Dienst zu nehmen gedachte,
ohne zu bedenken, daß mit den Schwarzen so wenig wie mit dem Teufel ein
Pact zu schließen, daß die Einen wie der Andere über kurz oder lang nach der
Herrschaft streben werden. So geschah es, baß die "Rheinisch-Westphälische
Zeitung" ins Leben trat mit den fatalen Vorurtheilen, einmal ein Organ der
frommen Partei zu sein, was seine Wirksamkeit nach außen hemmte; dann das
specielle Organ der -- wenig beliebten -- Herren v. d. H. zu sein, was ihm
Wien guten Theil vou Interessenten am Orte selbst entzog. Obwol es nun be¬
achtliche Anstrengungen machte, diese NorNrtheile zu widerlegen -- nuV obwol
es sorgsam, allmählich, sogar vorzüglich redigirt ward, und jedenfalls bedeutend besser
>var als sein Ruf -- so wollte es damit doch nicht glücken, zumal man es in der
rechten Zeit versäumt, sich durch Beseitigung der Elberfelder Zeitung des ganzen
Terrains zu bemächtigen, und später, wie gewöhnlich, die Opfer am rechten Orte
scheute. Endlich kehrte die loyalste Ruhe zurück, mau ward Seitens der Unter¬
nehmer uneiniger und uulnstigcr als je, und das ziemlich prätentiös aufgetretene
^tutt konnte seinen zweiten Jahrestag nicht erleben. Die weltlichen Herren des
Thales sind vorläufig beschwichtigt, aber -- nicht ohne Besorgniß. Die Wucht der
Armuth wächst in erschreckender Proportion neben dem Reichthum; Auswanderung
sUldet umfänglich nicht statt, oder wer auswandert, sind zum Entsetze" der Blei¬
benden die Reichen, oder Einzelne, die nnr zu hänfig nach Verlauf nicht langer
Ze'it aus dem fernen Amerika heinikehren (denn wunderbar genug dürften nicht
^icht auf so engem Raume so viele Amerikamüde zusammen sein, als in dem
Wupperthale), und die hier keineswegs immer zu Verbreitung loyaler und besänf¬
tigender Ideen beitragen. Die Armenpflege verschlingt ungeheure Summen; die
^ommunallasten der Städte des Thales habe" eine enorme Höhe erreicht -- es
giebt Einzelne, welche bis -1400 Thlr. jährlich beisteuern müssen, und wenn die
''"crgischere, geschicktere Verwaltung der städtischen Angelegenheiten mancherlei
verspricht -- an Erleichterung, Besserung ist doch ans lange hin nicht zu denken.


Neuem zu stürzen droht. Nachdem man, wie überall in der Zeit der Erregtheit, mit
dem Volk geliebäugelt, ohne Vertrauen finden zu können, und manchen Anlauf ge¬
nommen, kehrte man am Ende doch wieder zu dem gewohnten Schlendrian gemäßigten
Druckes und dem beliebten der BesäuftiguugSmittel zurück. Als ein solches gedachte
man auch ein eigenes Preßvrgan zu begründen, welches nach allen Seiten hin
die conservativen Interessen wahren, vertheidigen, selbst aggressiv für sie in die
Schranken treten, und sich ans die besseren Elemente, welche etwa das eigen¬
thümliche Wesen des Thales bot, stützen sollte; denn der nicht ohne ein gewisses
boshaftes Geschick redigirten, sich völlig in der geistigen Tragweite des Publicums
haltenden, verbreiteten Elberfelder Zeitung hatte man guten Grund, nicht über
den Weg zu trauen. Das Unglück aber wollte, daß man sich nicht klar gemacht
hatte, was man eigentlich beabsichtigte, und mit Uebereilung begann; vorzüglich aber,
daß man sehr zur" Unzeit das Pastorale Element in Dienst zu nehmen gedachte,
ohne zu bedenken, daß mit den Schwarzen so wenig wie mit dem Teufel ein
Pact zu schließen, daß die Einen wie der Andere über kurz oder lang nach der
Herrschaft streben werden. So geschah es, baß die „Rheinisch-Westphälische
Zeitung" ins Leben trat mit den fatalen Vorurtheilen, einmal ein Organ der
frommen Partei zu sein, was seine Wirksamkeit nach außen hemmte; dann das
specielle Organ der — wenig beliebten — Herren v. d. H. zu sein, was ihm
Wien guten Theil vou Interessenten am Orte selbst entzog. Obwol es nun be¬
achtliche Anstrengungen machte, diese NorNrtheile zu widerlegen — nuV obwol
es sorgsam, allmählich, sogar vorzüglich redigirt ward, und jedenfalls bedeutend besser
>var als sein Ruf — so wollte es damit doch nicht glücken, zumal man es in der
rechten Zeit versäumt, sich durch Beseitigung der Elberfelder Zeitung des ganzen
Terrains zu bemächtigen, und später, wie gewöhnlich, die Opfer am rechten Orte
scheute. Endlich kehrte die loyalste Ruhe zurück, mau ward Seitens der Unter¬
nehmer uneiniger und uulnstigcr als je, und das ziemlich prätentiös aufgetretene
^tutt konnte seinen zweiten Jahrestag nicht erleben. Die weltlichen Herren des
Thales sind vorläufig beschwichtigt, aber — nicht ohne Besorgniß. Die Wucht der
Armuth wächst in erschreckender Proportion neben dem Reichthum; Auswanderung
sUldet umfänglich nicht statt, oder wer auswandert, sind zum Entsetze» der Blei¬
benden die Reichen, oder Einzelne, die nnr zu hänfig nach Verlauf nicht langer
Ze'it aus dem fernen Amerika heinikehren (denn wunderbar genug dürften nicht
^icht auf so engem Raume so viele Amerikamüde zusammen sein, als in dem
Wupperthale), und die hier keineswegs immer zu Verbreitung loyaler und besänf¬
tigender Ideen beitragen. Die Armenpflege verschlingt ungeheure Summen; die
^ommunallasten der Städte des Thales habe» eine enorme Höhe erreicht — es
giebt Einzelne, welche bis -1400 Thlr. jährlich beisteuern müssen, und wenn die
''"crgischere, geschicktere Verwaltung der städtischen Angelegenheiten mancherlei
verspricht — an Erleichterung, Besserung ist doch ans lange hin nicht zu denken.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/377>, abgerufen am 23.07.2024.