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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Gewinn und eine Zuchtruthe für seinen -- Knecht. Die Religion, ursprünglich
beiden zu freudigem Trost und Dank, wird allmählich dem Herrn ein Leeres,
ein Aeußerliches, an der er nicht sowol um ihrer selbst, als um anderer Güter
willen festhält, das ihm an erste Stelle getreten -- dem rastlos und mühevoll
Arbeitenden wird sie ein trüber Trost für ein endloses Entsagen.

Doch treten wir den Personell und Dingen etwas naher. Die giltigen
Elemente der Bevölkerung sind Kaufleute, Fabrikanten, Geistliche -- die herr¬
schenden Kasten; ihnen gegenüber die allein dnrch ihre Masse schweren Fabrik¬
arbeiter -- neben beiden vereinzelte Repräsentanten anderer menschlicher Species:
Advocaten und Aerzte, als nothwendig noch einigermaßen geachtet; Beamte,
gering an Zahl und ans mehr als einem Grunde scheel angesehen; Gewerblrei-
bende, nicht mehr oder weniger, alö für die unmittelbarsten Bedürfnisse so großer
Gemeinwesen erforderlich, der Pöbel wie überall gar nicht vorhanden, und nnr für
die Zeit der Angst ersehnt und geschätzt das Militair.

Zuerst ist als charakteristisch zu bemerken, daß aller Reichthum in den Schwc-
sterstädten durchaus-man und selbst bei den angesehensten Männern kaum über
den Großvater Hinausgehen dürste. Solch jungen, oft mühsam erworbenem und
darum leicht mit einem gewissen rohen Stolze betrachteten Reichthum ist's durch¬
schnittlich eigen, sich anch dnrch äußern Schein Geltung zu verschaffen. Darum
bemerken wir am wnpperthäler Kaufmanne einen gewissen Glanz der äußern Er¬
scheinung, der, zumal am weiblichen Theile, Gediegenheit wie Geschmack nicht ab¬
zusprechen sind, da geschmackvolle Muster bei der Hauptrichtung des gewerb¬
lichen Betriebes leicht zu erreichen sind, und eine löbliche Neigung für Rein¬
lichkeit und Sauberkeit herrscht. Ost dient die gewählte Toilette in der That
einer wirklich hübschen Erscheinung zur Folie. Der Kleidung zunächst steht die
Sorge für die Equipage. Schöne Pferde, elegante Wagen, wohlgekleidete Die¬
nerschaft und ihr häufiger Gebrauch bei Reiten und Fahren fallen den Fremden
auf. Der Genuß steht aber erst in zweiter, die Ostentation in erster Reihe. --
Der Kaufherr hat stets sein ganzes, oft beträchtlich großes Hans für sich allein
'"ne; auch an kostbarem und prächtigem Hausrath fehlt es in einigen wenigen
Häusern nicht, allein sie sind die Minderzahl, und beweisen auch darin ihren
vstentivsen Charakter, daß der äußere Prunk auf wenige Schauräume beschränkt
^, währeud Einfachheit, um nicht zu sagen Dürftigkeit, in den übrigen Räumen
vorherrscht. Vielleicht nur zwei oder drei Häuser zeige" bessern Geschmack und
gediegenem Schmuck. Eigentlich behagliche Einrichtungen sind geradezu selten;
dagegen nicht unerhört der äußerste Mangel jedweden Comforts - - Lattenbänke als
Sophas' und Holzschemel als Stühle, und dem entsprechend der Hauslehrer und
Connnis fast mit dem Gesinde in einer Ordnung, so in einigen Häusern von
anerkannter, ja erster kaufmännischer Qualität. Die Wohnungen der Reichen,
Großen zeichnen sich durch ihr todtes, ödes Ansehen sofort ans: fast nie ge-


iti*

Gewinn und eine Zuchtruthe für seinen — Knecht. Die Religion, ursprünglich
beiden zu freudigem Trost und Dank, wird allmählich dem Herrn ein Leeres,
ein Aeußerliches, an der er nicht sowol um ihrer selbst, als um anderer Güter
willen festhält, das ihm an erste Stelle getreten — dem rastlos und mühevoll
Arbeitenden wird sie ein trüber Trost für ein endloses Entsagen.

Doch treten wir den Personell und Dingen etwas naher. Die giltigen
Elemente der Bevölkerung sind Kaufleute, Fabrikanten, Geistliche — die herr¬
schenden Kasten; ihnen gegenüber die allein dnrch ihre Masse schweren Fabrik¬
arbeiter — neben beiden vereinzelte Repräsentanten anderer menschlicher Species:
Advocaten und Aerzte, als nothwendig noch einigermaßen geachtet; Beamte,
gering an Zahl und ans mehr als einem Grunde scheel angesehen; Gewerblrei-
bende, nicht mehr oder weniger, alö für die unmittelbarsten Bedürfnisse so großer
Gemeinwesen erforderlich, der Pöbel wie überall gar nicht vorhanden, und nnr für
die Zeit der Angst ersehnt und geschätzt das Militair.

Zuerst ist als charakteristisch zu bemerken, daß aller Reichthum in den Schwc-
sterstädten durchaus-man und selbst bei den angesehensten Männern kaum über
den Großvater Hinausgehen dürste. Solch jungen, oft mühsam erworbenem und
darum leicht mit einem gewissen rohen Stolze betrachteten Reichthum ist's durch¬
schnittlich eigen, sich anch dnrch äußern Schein Geltung zu verschaffen. Darum
bemerken wir am wnpperthäler Kaufmanne einen gewissen Glanz der äußern Er¬
scheinung, der, zumal am weiblichen Theile, Gediegenheit wie Geschmack nicht ab¬
zusprechen sind, da geschmackvolle Muster bei der Hauptrichtung des gewerb¬
lichen Betriebes leicht zu erreichen sind, und eine löbliche Neigung für Rein¬
lichkeit und Sauberkeit herrscht. Ost dient die gewählte Toilette in der That
einer wirklich hübschen Erscheinung zur Folie. Der Kleidung zunächst steht die
Sorge für die Equipage. Schöne Pferde, elegante Wagen, wohlgekleidete Die¬
nerschaft und ihr häufiger Gebrauch bei Reiten und Fahren fallen den Fremden
auf. Der Genuß steht aber erst in zweiter, die Ostentation in erster Reihe. —
Der Kaufherr hat stets sein ganzes, oft beträchtlich großes Hans für sich allein
'"ne; auch an kostbarem und prächtigem Hausrath fehlt es in einigen wenigen
Häusern nicht, allein sie sind die Minderzahl, und beweisen auch darin ihren
vstentivsen Charakter, daß der äußere Prunk auf wenige Schauräume beschränkt
^, währeud Einfachheit, um nicht zu sagen Dürftigkeit, in den übrigen Räumen
vorherrscht. Vielleicht nur zwei oder drei Häuser zeige» bessern Geschmack und
gediegenem Schmuck. Eigentlich behagliche Einrichtungen sind geradezu selten;
dagegen nicht unerhört der äußerste Mangel jedweden Comforts - - Lattenbänke als
Sophas' und Holzschemel als Stühle, und dem entsprechend der Hauslehrer und
Connnis fast mit dem Gesinde in einer Ordnung, so in einigen Häusern von
anerkannter, ja erster kaufmännischer Qualität. Die Wohnungen der Reichen,
Großen zeichnen sich durch ihr todtes, ödes Ansehen sofort ans: fast nie ge-


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[0367] Gewinn und eine Zuchtruthe für seinen — Knecht. Die Religion, ursprünglich beiden zu freudigem Trost und Dank, wird allmählich dem Herrn ein Leeres, ein Aeußerliches, an der er nicht sowol um ihrer selbst, als um anderer Güter willen festhält, das ihm an erste Stelle getreten — dem rastlos und mühevoll Arbeitenden wird sie ein trüber Trost für ein endloses Entsagen. Doch treten wir den Personell und Dingen etwas naher. Die giltigen Elemente der Bevölkerung sind Kaufleute, Fabrikanten, Geistliche — die herr¬ schenden Kasten; ihnen gegenüber die allein dnrch ihre Masse schweren Fabrik¬ arbeiter — neben beiden vereinzelte Repräsentanten anderer menschlicher Species: Advocaten und Aerzte, als nothwendig noch einigermaßen geachtet; Beamte, gering an Zahl und ans mehr als einem Grunde scheel angesehen; Gewerblrei- bende, nicht mehr oder weniger, alö für die unmittelbarsten Bedürfnisse so großer Gemeinwesen erforderlich, der Pöbel wie überall gar nicht vorhanden, und nnr für die Zeit der Angst ersehnt und geschätzt das Militair. Zuerst ist als charakteristisch zu bemerken, daß aller Reichthum in den Schwc- sterstädten durchaus-man und selbst bei den angesehensten Männern kaum über den Großvater Hinausgehen dürste. Solch jungen, oft mühsam erworbenem und darum leicht mit einem gewissen rohen Stolze betrachteten Reichthum ist's durch¬ schnittlich eigen, sich anch dnrch äußern Schein Geltung zu verschaffen. Darum bemerken wir am wnpperthäler Kaufmanne einen gewissen Glanz der äußern Er¬ scheinung, der, zumal am weiblichen Theile, Gediegenheit wie Geschmack nicht ab¬ zusprechen sind, da geschmackvolle Muster bei der Hauptrichtung des gewerb¬ lichen Betriebes leicht zu erreichen sind, und eine löbliche Neigung für Rein¬ lichkeit und Sauberkeit herrscht. Ost dient die gewählte Toilette in der That einer wirklich hübschen Erscheinung zur Folie. Der Kleidung zunächst steht die Sorge für die Equipage. Schöne Pferde, elegante Wagen, wohlgekleidete Die¬ nerschaft und ihr häufiger Gebrauch bei Reiten und Fahren fallen den Fremden auf. Der Genuß steht aber erst in zweiter, die Ostentation in erster Reihe. — Der Kaufherr hat stets sein ganzes, oft beträchtlich großes Hans für sich allein '"ne; auch an kostbarem und prächtigem Hausrath fehlt es in einigen wenigen Häusern nicht, allein sie sind die Minderzahl, und beweisen auch darin ihren vstentivsen Charakter, daß der äußere Prunk auf wenige Schauräume beschränkt ^, währeud Einfachheit, um nicht zu sagen Dürftigkeit, in den übrigen Räumen vorherrscht. Vielleicht nur zwei oder drei Häuser zeige» bessern Geschmack und gediegenem Schmuck. Eigentlich behagliche Einrichtungen sind geradezu selten; dagegen nicht unerhört der äußerste Mangel jedweden Comforts - - Lattenbänke als Sophas' und Holzschemel als Stühle, und dem entsprechend der Hauslehrer und Connnis fast mit dem Gesinde in einer Ordnung, so in einigen Häusern von anerkannter, ja erster kaufmännischer Qualität. Die Wohnungen der Reichen, Großen zeichnen sich durch ihr todtes, ödes Ansehen sofort ans: fast nie ge- iti*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/367>, abgerufen am 26.08.2024.