Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wieder zerrissen bis zur Einheit eines Ackers, der noch in die drei Schläge ver¬
theilt war, nud bis zu kleinen Parcellen in den einzelnen Schlägen, welche viel¬
leicht nur die Breite einer Ruthe, ja einer halben Ruthe hatten. Diele Stücke
erhielten ein besonderes Folium, d. h. es konnten ans sie allein Capita¬
lien aufgenommen werden; sie steuerten einzeln. Vergebens waren die
Bemühungen der Regierungen, kleineren Parcellen, als Viertelhnfeu oder einzelne
Aecker, die Sebstständigkeit im Hypothekcnbnch zu nehmen, und dadurch den endlosen
Theilungen zu steuern. Der Landesbrauch war stärker. Während in den östlichen
Landestheilen Deutschlands eine gute Hypvthelenordnnng im Stande war, der Zer¬
stückelung der Güter dadurch zu steuern, daß sie mit Energie sämmtliches Grundeigen-
thum des Einzelnen in einem Folium zusammenzog, und ihn dadurch zwang, für alle
aufgenommenen Hypothekenschuldcn den gesammten Besitz zu verpfänden, wodurch
eine Zerreißung desselben im höchsten Grade erschwert, ja in vielen Fällen unmöglich
gemacht wurde, erwiesen sich in den kleinere" thüringischen Staaten die einzelnen
schüchternen Beschränkungen als unzureichend. Nur in dem preußischen Thü-
ringen kämpfte die gesteigerte Lebenskraft, welche dnrch die staatliche Bereinigung
mit anderen Provinzen in die Bewohner gekommen war, und die mächtige Gesetz¬
gebung des großen Staates siegreich gegen den Zerfall deö Grundbesitzes, wie.
gegen eine auflösende Krankheit. Und die Heilung schreitet dort zwar nicht
schnell, aber doch zusehends vor.

Daß diese Zersplitterung des Bodens aber gleich einer auflösenden Krank¬
heit in dem Volk wirke, lehrt der Augenschein. Der Wohlstand der Einzelnen,
der Gemeinden des Staates wird verringert, und die Seele des Volkes wird
klein, schwach, in unruhiger Zeit eine Beule schlechter Demagogen, bei politi¬
scher Windstille arm an Willen und Energie.

Zuerst wird eine ungeheure Menge, von Arbeitskraft an Menschen und
Thieren durch das Hin- und Herziehen von einem Fleck zum andern unnütz
geopfert. Mau kaun rechnen, daß der zehnte, ja bei größeren Gütern der
fünfte' Theil der Arbeitskräfte durch Zusammenlegen der einzelnen Stücke erspart
werden kann. Schon dadurch würde in vielen Fällen der Reinertrag der
Güter verdoppelt werden. Ein mäßig großes Rittergut, dem es gelungen
war, die -120 Stück Feld, aus denen es bestand, in i0 zusammenzulegen, hat in
Folge dieser -- immerhin unzureichenden --- Consolidirung seiner Ackerfläche so¬
gleich vier Arbeitspferde abschaffen können, und seinen jährlichen Reinertrag durch
diese Verminderung der Arbeitskraft beiläufig um mehr als i00 Thlr. vergrößert.
-- Ferner aber wird durch die zahlreichen Grenzen, welche jetzt jeder Grundbesitzer
hat, die Bestellung erschwert nud die Ernte verkümmert. Trotz aller Grenzsteine,
deren Setzen in Thüringen ein eigener Industriezweig und eine Art Amtsthä¬
tigkeit ist, wird das Abpflügeu des Nachbarlandes dadurch sehr befördert, und
diese Art Diebstahl ist bei den sonst so redlichen Thüringer" fast ein nationales


wieder zerrissen bis zur Einheit eines Ackers, der noch in die drei Schläge ver¬
theilt war, nud bis zu kleinen Parcellen in den einzelnen Schlägen, welche viel¬
leicht nur die Breite einer Ruthe, ja einer halben Ruthe hatten. Diele Stücke
erhielten ein besonderes Folium, d. h. es konnten ans sie allein Capita¬
lien aufgenommen werden; sie steuerten einzeln. Vergebens waren die
Bemühungen der Regierungen, kleineren Parcellen, als Viertelhnfeu oder einzelne
Aecker, die Sebstständigkeit im Hypothekcnbnch zu nehmen, und dadurch den endlosen
Theilungen zu steuern. Der Landesbrauch war stärker. Während in den östlichen
Landestheilen Deutschlands eine gute Hypvthelenordnnng im Stande war, der Zer¬
stückelung der Güter dadurch zu steuern, daß sie mit Energie sämmtliches Grundeigen-
thum des Einzelnen in einem Folium zusammenzog, und ihn dadurch zwang, für alle
aufgenommenen Hypothekenschuldcn den gesammten Besitz zu verpfänden, wodurch
eine Zerreißung desselben im höchsten Grade erschwert, ja in vielen Fällen unmöglich
gemacht wurde, erwiesen sich in den kleinere» thüringischen Staaten die einzelnen
schüchternen Beschränkungen als unzureichend. Nur in dem preußischen Thü-
ringen kämpfte die gesteigerte Lebenskraft, welche dnrch die staatliche Bereinigung
mit anderen Provinzen in die Bewohner gekommen war, und die mächtige Gesetz¬
gebung des großen Staates siegreich gegen den Zerfall deö Grundbesitzes, wie.
gegen eine auflösende Krankheit. Und die Heilung schreitet dort zwar nicht
schnell, aber doch zusehends vor.

Daß diese Zersplitterung des Bodens aber gleich einer auflösenden Krank¬
heit in dem Volk wirke, lehrt der Augenschein. Der Wohlstand der Einzelnen,
der Gemeinden des Staates wird verringert, und die Seele des Volkes wird
klein, schwach, in unruhiger Zeit eine Beule schlechter Demagogen, bei politi¬
scher Windstille arm an Willen und Energie.

Zuerst wird eine ungeheure Menge, von Arbeitskraft an Menschen und
Thieren durch das Hin- und Herziehen von einem Fleck zum andern unnütz
geopfert. Mau kaun rechnen, daß der zehnte, ja bei größeren Gütern der
fünfte' Theil der Arbeitskräfte durch Zusammenlegen der einzelnen Stücke erspart
werden kann. Schon dadurch würde in vielen Fällen der Reinertrag der
Güter verdoppelt werden. Ein mäßig großes Rittergut, dem es gelungen
war, die -120 Stück Feld, aus denen es bestand, in i0 zusammenzulegen, hat in
Folge dieser — immerhin unzureichenden —- Consolidirung seiner Ackerfläche so¬
gleich vier Arbeitspferde abschaffen können, und seinen jährlichen Reinertrag durch
diese Verminderung der Arbeitskraft beiläufig um mehr als i00 Thlr. vergrößert.
— Ferner aber wird durch die zahlreichen Grenzen, welche jetzt jeder Grundbesitzer
hat, die Bestellung erschwert nud die Ernte verkümmert. Trotz aller Grenzsteine,
deren Setzen in Thüringen ein eigener Industriezweig und eine Art Amtsthä¬
tigkeit ist, wird das Abpflügeu des Nachbarlandes dadurch sehr befördert, und
diese Art Diebstahl ist bei den sonst so redlichen Thüringer» fast ein nationales


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0288" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280905"/>
          <p xml:id="ID_864" prev="#ID_863"> wieder zerrissen bis zur Einheit eines Ackers, der noch in die drei Schläge ver¬<lb/>
theilt war, nud bis zu kleinen Parcellen in den einzelnen Schlägen, welche viel¬<lb/>
leicht nur die Breite einer Ruthe, ja einer halben Ruthe hatten. Diele Stücke<lb/>
erhielten ein besonderes Folium, d. h. es konnten ans sie allein Capita¬<lb/>
lien aufgenommen werden; sie steuerten einzeln. Vergebens waren die<lb/>
Bemühungen der Regierungen, kleineren Parcellen, als Viertelhnfeu oder einzelne<lb/>
Aecker, die Sebstständigkeit im Hypothekcnbnch zu nehmen, und dadurch den endlosen<lb/>
Theilungen zu steuern. Der Landesbrauch war stärker. Während in den östlichen<lb/>
Landestheilen Deutschlands eine gute Hypvthelenordnnng im Stande war, der Zer¬<lb/>
stückelung der Güter dadurch zu steuern, daß sie mit Energie sämmtliches Grundeigen-<lb/>
thum des Einzelnen in einem Folium zusammenzog, und ihn dadurch zwang, für alle<lb/>
aufgenommenen Hypothekenschuldcn den gesammten Besitz zu verpfänden, wodurch<lb/>
eine Zerreißung desselben im höchsten Grade erschwert, ja in vielen Fällen unmöglich<lb/>
gemacht wurde, erwiesen sich in den kleinere» thüringischen Staaten die einzelnen<lb/>
schüchternen Beschränkungen als unzureichend. Nur in dem preußischen Thü-<lb/>
ringen kämpfte die gesteigerte Lebenskraft, welche dnrch die staatliche Bereinigung<lb/>
mit anderen Provinzen in die Bewohner gekommen war, und die mächtige Gesetz¬<lb/>
gebung des großen Staates siegreich gegen den Zerfall deö Grundbesitzes, wie.<lb/>
gegen eine auflösende Krankheit. Und die Heilung schreitet dort zwar nicht<lb/>
schnell, aber doch zusehends vor.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_865"> Daß diese Zersplitterung des Bodens aber gleich einer auflösenden Krank¬<lb/>
heit in dem Volk wirke, lehrt der Augenschein. Der Wohlstand der Einzelnen,<lb/>
der Gemeinden des Staates wird verringert, und die Seele des Volkes wird<lb/>
klein, schwach, in unruhiger Zeit eine Beule schlechter Demagogen, bei politi¬<lb/>
scher Windstille arm an Willen und Energie.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_866" next="#ID_867"> Zuerst wird eine ungeheure Menge, von Arbeitskraft an Menschen und<lb/>
Thieren durch das Hin- und Herziehen von einem Fleck zum andern unnütz<lb/>
geopfert. Mau kaun rechnen, daß der zehnte, ja bei größeren Gütern der<lb/>
fünfte' Theil der Arbeitskräfte durch Zusammenlegen der einzelnen Stücke erspart<lb/>
werden kann. Schon dadurch würde in vielen Fällen der Reinertrag der<lb/>
Güter verdoppelt werden. Ein mäßig großes Rittergut, dem es gelungen<lb/>
war, die -120 Stück Feld, aus denen es bestand, in i0 zusammenzulegen, hat in<lb/>
Folge dieser &#x2014; immerhin unzureichenden &#x2014;- Consolidirung seiner Ackerfläche so¬<lb/>
gleich vier Arbeitspferde abschaffen können, und seinen jährlichen Reinertrag durch<lb/>
diese Verminderung der Arbeitskraft beiläufig um mehr als i00 Thlr. vergrößert.<lb/>
&#x2014; Ferner aber wird durch die zahlreichen Grenzen, welche jetzt jeder Grundbesitzer<lb/>
hat, die Bestellung erschwert nud die Ernte verkümmert. Trotz aller Grenzsteine,<lb/>
deren Setzen in Thüringen ein eigener Industriezweig und eine Art Amtsthä¬<lb/>
tigkeit ist, wird das Abpflügeu des Nachbarlandes dadurch sehr befördert, und<lb/>
diese Art Diebstahl ist bei den sonst so redlichen Thüringer» fast ein nationales</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0288] wieder zerrissen bis zur Einheit eines Ackers, der noch in die drei Schläge ver¬ theilt war, nud bis zu kleinen Parcellen in den einzelnen Schlägen, welche viel¬ leicht nur die Breite einer Ruthe, ja einer halben Ruthe hatten. Diele Stücke erhielten ein besonderes Folium, d. h. es konnten ans sie allein Capita¬ lien aufgenommen werden; sie steuerten einzeln. Vergebens waren die Bemühungen der Regierungen, kleineren Parcellen, als Viertelhnfeu oder einzelne Aecker, die Sebstständigkeit im Hypothekcnbnch zu nehmen, und dadurch den endlosen Theilungen zu steuern. Der Landesbrauch war stärker. Während in den östlichen Landestheilen Deutschlands eine gute Hypvthelenordnnng im Stande war, der Zer¬ stückelung der Güter dadurch zu steuern, daß sie mit Energie sämmtliches Grundeigen- thum des Einzelnen in einem Folium zusammenzog, und ihn dadurch zwang, für alle aufgenommenen Hypothekenschuldcn den gesammten Besitz zu verpfänden, wodurch eine Zerreißung desselben im höchsten Grade erschwert, ja in vielen Fällen unmöglich gemacht wurde, erwiesen sich in den kleinere» thüringischen Staaten die einzelnen schüchternen Beschränkungen als unzureichend. Nur in dem preußischen Thü- ringen kämpfte die gesteigerte Lebenskraft, welche dnrch die staatliche Bereinigung mit anderen Provinzen in die Bewohner gekommen war, und die mächtige Gesetz¬ gebung des großen Staates siegreich gegen den Zerfall deö Grundbesitzes, wie. gegen eine auflösende Krankheit. Und die Heilung schreitet dort zwar nicht schnell, aber doch zusehends vor. Daß diese Zersplitterung des Bodens aber gleich einer auflösenden Krank¬ heit in dem Volk wirke, lehrt der Augenschein. Der Wohlstand der Einzelnen, der Gemeinden des Staates wird verringert, und die Seele des Volkes wird klein, schwach, in unruhiger Zeit eine Beule schlechter Demagogen, bei politi¬ scher Windstille arm an Willen und Energie. Zuerst wird eine ungeheure Menge, von Arbeitskraft an Menschen und Thieren durch das Hin- und Herziehen von einem Fleck zum andern unnütz geopfert. Mau kaun rechnen, daß der zehnte, ja bei größeren Gütern der fünfte' Theil der Arbeitskräfte durch Zusammenlegen der einzelnen Stücke erspart werden kann. Schon dadurch würde in vielen Fällen der Reinertrag der Güter verdoppelt werden. Ein mäßig großes Rittergut, dem es gelungen war, die -120 Stück Feld, aus denen es bestand, in i0 zusammenzulegen, hat in Folge dieser — immerhin unzureichenden —- Consolidirung seiner Ackerfläche so¬ gleich vier Arbeitspferde abschaffen können, und seinen jährlichen Reinertrag durch diese Verminderung der Arbeitskraft beiläufig um mehr als i00 Thlr. vergrößert. — Ferner aber wird durch die zahlreichen Grenzen, welche jetzt jeder Grundbesitzer hat, die Bestellung erschwert nud die Ernte verkümmert. Trotz aller Grenzsteine, deren Setzen in Thüringen ein eigener Industriezweig und eine Art Amtsthä¬ tigkeit ist, wird das Abpflügeu des Nachbarlandes dadurch sehr befördert, und diese Art Diebstahl ist bei den sonst so redlichen Thüringer» fast ein nationales

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/288
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/288>, abgerufen am 23.07.2024.