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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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rückgebracht sind, erfährt man erst recht aus dem persönlichen Verkehr mit den
Angehörigen derselben. Es ist zuletzt beinahe gänzliche Ebbe in den Staats¬
kassen gewesen, und nur der Umstand, daß man nach der Schlacht bei Jdstett fast
das ganze Herzogthum Schleswig besetzen und dessen Hilfsquellen mit benutzen
konnte, hat es möglich gemacht, das Heer bis Anfang d. I. vollständig in seiner
ganzen Kriegsstärke ans den Beinen zu erhalten. -- Sehr viele trauernde Frauen und
Mädchen, besonders in den höheren Ständen, sieht man hier auf den Gassen
und an den Fenstern, und die Zahl der Krüppel, die ihre verstümmelten Glieder
mühsam fortschleppen, ist nicht gering. Es giebt kaum eine gebildete Familie,
die nicht den Verlust eines nahen Angehörigen zu betrauern hätte, denn allein
von den dänischen Officieren sind über 100 in den dreijährigen Kriegen geblieben.
Mag man auch in politischer Hinsicht die Dänen noch so sehr hassen, ihren
Nationalstolz, ihre Vaterlandsliebe und die nachhaltige Energie, mit der sie den
ungerecht begonnenen Krieg durchzuführen sich bestrebten, muß man achtend
anerkennen. Auch ihre Armee hat sich, besonders die Officiere, fast immer sehr
wacker und muthig geschlagen, und wahrlich nicht den Hohn verdient, mit dein
unberufene Scribenten aus sicherer Ferne in deutschen Schmuzblättern die¬
selbe überschütteten. Wie sehr diese pöbelhafte Renommisterei einiger deutschen
Blätter, z. B. in Hamburg, der deutschen Sache geschadet habe", erfuhr ich jetzt
noch wieder in Kopenhagen. Ein dänischer Officier erzählte mir, daß die
Schimpfworte und' gemeinen Beschuldigungen der Feigheit, mit der diese
Blätter die dänische Armee stets überschüttet hätten, ihren Soldaten übersetzt
wären, um so den Stolz derselben noch mehr anzuspornen und sie zur verbitter¬
ten Tapferkeit anzureizen. Auch' jener dänische Officier (wahrscheinlich Oberst
von Baggesen), der eine sehr unparteiisch gehaltene Schilderung des verderbli¬
chen Ausfalles der Dänen aus Friedericia geschrieben hat, führt an, daß die
dänischen Soldaten durch die ihnen bekannt gewordenen deutscheu Schmähar¬
tikel zur äußersten Wuth entflammt worden seien. Ob solche literarische Industrie-
ritter, welche in den Blättern ihr Unwesen treiben, sich wol des Schadens be¬
wußt sind, den sie durch ihr uuverstäudiges Geschreibsel dem armen Schleswig-
Holstein zugefügt haben.

Viele Truppen stehen gegenwärtig nicht in der Hauptstadt, da Schleswig
noch sehr stark besetzt ist, und man auch ans ökonomischen Rücksichten viel beur¬
laubt hat. Ich sah am häufigsten Husaren der 2 Schwadronen Garde-Husaren?
entschieden den besten und auch dem Ange am wohlgefälligsten uniformirten Theil
des dänischen Landheeres. Im Jahre 48 waren diese blauen Reiter gegen
die Preußen, und 49 und 60 gegen die Schleswig-Holsteiner, besonders bei Kol¬
ding und Jdstedt, ein kühner Feind, der alle Achtung verdiente. Ans ihrem
prächtigen Rossen setzten sie keck über alle Hindernisse und selbst die hohen Kulte
hinweg, und fügten uns vielfachen Schaden zu. Aber mich unsre Kugeln und Sa-


rückgebracht sind, erfährt man erst recht aus dem persönlichen Verkehr mit den
Angehörigen derselben. Es ist zuletzt beinahe gänzliche Ebbe in den Staats¬
kassen gewesen, und nur der Umstand, daß man nach der Schlacht bei Jdstett fast
das ganze Herzogthum Schleswig besetzen und dessen Hilfsquellen mit benutzen
konnte, hat es möglich gemacht, das Heer bis Anfang d. I. vollständig in seiner
ganzen Kriegsstärke ans den Beinen zu erhalten. — Sehr viele trauernde Frauen und
Mädchen, besonders in den höheren Ständen, sieht man hier auf den Gassen
und an den Fenstern, und die Zahl der Krüppel, die ihre verstümmelten Glieder
mühsam fortschleppen, ist nicht gering. Es giebt kaum eine gebildete Familie,
die nicht den Verlust eines nahen Angehörigen zu betrauern hätte, denn allein
von den dänischen Officieren sind über 100 in den dreijährigen Kriegen geblieben.
Mag man auch in politischer Hinsicht die Dänen noch so sehr hassen, ihren
Nationalstolz, ihre Vaterlandsliebe und die nachhaltige Energie, mit der sie den
ungerecht begonnenen Krieg durchzuführen sich bestrebten, muß man achtend
anerkennen. Auch ihre Armee hat sich, besonders die Officiere, fast immer sehr
wacker und muthig geschlagen, und wahrlich nicht den Hohn verdient, mit dein
unberufene Scribenten aus sicherer Ferne in deutschen Schmuzblättern die¬
selbe überschütteten. Wie sehr diese pöbelhafte Renommisterei einiger deutschen
Blätter, z. B. in Hamburg, der deutschen Sache geschadet habe», erfuhr ich jetzt
noch wieder in Kopenhagen. Ein dänischer Officier erzählte mir, daß die
Schimpfworte und' gemeinen Beschuldigungen der Feigheit, mit der diese
Blätter die dänische Armee stets überschüttet hätten, ihren Soldaten übersetzt
wären, um so den Stolz derselben noch mehr anzuspornen und sie zur verbitter¬
ten Tapferkeit anzureizen. Auch' jener dänische Officier (wahrscheinlich Oberst
von Baggesen), der eine sehr unparteiisch gehaltene Schilderung des verderbli¬
chen Ausfalles der Dänen aus Friedericia geschrieben hat, führt an, daß die
dänischen Soldaten durch die ihnen bekannt gewordenen deutscheu Schmähar¬
tikel zur äußersten Wuth entflammt worden seien. Ob solche literarische Industrie-
ritter, welche in den Blättern ihr Unwesen treiben, sich wol des Schadens be¬
wußt sind, den sie durch ihr uuverstäudiges Geschreibsel dem armen Schleswig-
Holstein zugefügt haben.

Viele Truppen stehen gegenwärtig nicht in der Hauptstadt, da Schleswig
noch sehr stark besetzt ist, und man auch ans ökonomischen Rücksichten viel beur¬
laubt hat. Ich sah am häufigsten Husaren der 2 Schwadronen Garde-Husaren?
entschieden den besten und auch dem Ange am wohlgefälligsten uniformirten Theil
des dänischen Landheeres. Im Jahre 48 waren diese blauen Reiter gegen
die Preußen, und 49 und 60 gegen die Schleswig-Holsteiner, besonders bei Kol¬
ding und Jdstedt, ein kühner Feind, der alle Achtung verdiente. Ans ihrem
prächtigen Rossen setzten sie keck über alle Hindernisse und selbst die hohen Kulte
hinweg, und fügten uns vielfachen Schaden zu. Aber mich unsre Kugeln und Sa-


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[0264] rückgebracht sind, erfährt man erst recht aus dem persönlichen Verkehr mit den Angehörigen derselben. Es ist zuletzt beinahe gänzliche Ebbe in den Staats¬ kassen gewesen, und nur der Umstand, daß man nach der Schlacht bei Jdstett fast das ganze Herzogthum Schleswig besetzen und dessen Hilfsquellen mit benutzen konnte, hat es möglich gemacht, das Heer bis Anfang d. I. vollständig in seiner ganzen Kriegsstärke ans den Beinen zu erhalten. — Sehr viele trauernde Frauen und Mädchen, besonders in den höheren Ständen, sieht man hier auf den Gassen und an den Fenstern, und die Zahl der Krüppel, die ihre verstümmelten Glieder mühsam fortschleppen, ist nicht gering. Es giebt kaum eine gebildete Familie, die nicht den Verlust eines nahen Angehörigen zu betrauern hätte, denn allein von den dänischen Officieren sind über 100 in den dreijährigen Kriegen geblieben. Mag man auch in politischer Hinsicht die Dänen noch so sehr hassen, ihren Nationalstolz, ihre Vaterlandsliebe und die nachhaltige Energie, mit der sie den ungerecht begonnenen Krieg durchzuführen sich bestrebten, muß man achtend anerkennen. Auch ihre Armee hat sich, besonders die Officiere, fast immer sehr wacker und muthig geschlagen, und wahrlich nicht den Hohn verdient, mit dein unberufene Scribenten aus sicherer Ferne in deutschen Schmuzblättern die¬ selbe überschütteten. Wie sehr diese pöbelhafte Renommisterei einiger deutschen Blätter, z. B. in Hamburg, der deutschen Sache geschadet habe», erfuhr ich jetzt noch wieder in Kopenhagen. Ein dänischer Officier erzählte mir, daß die Schimpfworte und' gemeinen Beschuldigungen der Feigheit, mit der diese Blätter die dänische Armee stets überschüttet hätten, ihren Soldaten übersetzt wären, um so den Stolz derselben noch mehr anzuspornen und sie zur verbitter¬ ten Tapferkeit anzureizen. Auch' jener dänische Officier (wahrscheinlich Oberst von Baggesen), der eine sehr unparteiisch gehaltene Schilderung des verderbli¬ chen Ausfalles der Dänen aus Friedericia geschrieben hat, führt an, daß die dänischen Soldaten durch die ihnen bekannt gewordenen deutscheu Schmähar¬ tikel zur äußersten Wuth entflammt worden seien. Ob solche literarische Industrie- ritter, welche in den Blättern ihr Unwesen treiben, sich wol des Schadens be¬ wußt sind, den sie durch ihr uuverstäudiges Geschreibsel dem armen Schleswig- Holstein zugefügt haben. Viele Truppen stehen gegenwärtig nicht in der Hauptstadt, da Schleswig noch sehr stark besetzt ist, und man auch ans ökonomischen Rücksichten viel beur¬ laubt hat. Ich sah am häufigsten Husaren der 2 Schwadronen Garde-Husaren? entschieden den besten und auch dem Ange am wohlgefälligsten uniformirten Theil des dänischen Landheeres. Im Jahre 48 waren diese blauen Reiter gegen die Preußen, und 49 und 60 gegen die Schleswig-Holsteiner, besonders bei Kol¬ ding und Jdstedt, ein kühner Feind, der alle Achtung verdiente. Ans ihrem prächtigen Rossen setzten sie keck über alle Hindernisse und selbst die hohen Kulte hinweg, und fügten uns vielfachen Schaden zu. Aber mich unsre Kugeln und Sa-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/264>, abgerufen am 23.07.2024.