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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Schale" in die Opferbecke" leert. Hier ist von religiöser Menschenschlächterei
keine Rede mehr, die Sitte schon gemilderter als damals, wo Saturnus herrschte.
Numa förderte den Ackerbau, gab Gesetze über Eigenthum und Gewerbe, ord¬
nete den religiösen Cultus und wurde, "ach seiner Angabe, dabei von der Nymphe
Egeria unterstützt. Ans den Blumenkelche" und von den untersten Ranken streben
Menschenkinder zu seiner Bildungshöhe empor. Am Fuße des Arabeskenstammes
^egt in einer Grotte die um den Tod des Numa trauernde Egeria mit der Urne
des Quells, in den die Thränenreiche von der milden Diana verwandelt wurde,
Dos vierte Arabeskenfeld zeigt uns das Bild des Janus, dessen Tempel Rv-
wulus und Tatius gründeten zum Deukmaal der Vereinigung beider Völker. Vou
Janus heißt es: er kannte das Vergangene und. sah das Zukünftige. Darge¬
stellt ist er als eine aufrechtstehende Doppelbüste, unter der sich Ranken und
Blätter zu einer verhüllten menschlichen Gestalt vereinen. In der linken Hand
unter dem Greisenhaupte trägt er das Scepter, in der rechten nnter dem Jüng¬
lingshaupte den Wurfspeer; auf den Arabcskenzügen neben ihm liegen die
Fasces. Am Fuße des Stammes, der ihn trägt, sitzt der capitolinische Adler,
"uf dessen starke Schenkel sich die Schutzlareu Roms, die beiden vergötterten
Ahnherren, stützen. Hiermit ist zugleich eine Andeutung der spätem Doppel¬
herrschaft gegeben. Im untern Oblong heben zwei römische Krieger die grie¬
chische Muse von ihrem Piedestal, um sie nach Rom zu schleppen. So ver¬
gipsen sich immer vou Neuem wieder die Fäden der menschlichen Cultur, und
der ganzen Anlage zeigt sich überall jeuer diese Zusammenhang, jene innere
Einheit der geistigen Welt, die anch für ihre mannichfaltigen Erscheinungen wie¬
der geschichtliche Verbindungen sucht. Dabei ist auf allen Pilastern die Form der
blonderen Entwickelungen scharf und bestimmt hingestellt; mit wie strenger Cor-
!eguenz miegt noch der römische Charakter in seinem historischen Wesen durch¬
geführt

Die Pfeiler und Master machen die Kaulbach'sche Malerei mehr noch als
d'e Hauptgemälde zu einer gelehrten Kunst. Aber mit welcher geistigen Klar¬
heit, mit welcher künstlerischen Symmetrie, mit welcher stylvolleu Architektonik ist
ungeheure Material verarbeitet! Und wie vollkommen passen die Gedanken
dieser monumentalen Malerei in Tendenz und Wesen des Berliner Museums!
Ach denke dabei auch an den Inhalt des Schinkel'schen Gebäudes. Es konnte
'"ehe gelingen, das Berliner Museum in allen Fächern an vollendeten Meister-
werken so reich zu machen, wie manches andere, obwol es nichts wenig Per¬
len der bildenden Kunst in sich schließt. Dagegen hat es vor allen den Vor¬
zug eines umfassenden Besitzes voraus, dessen großer Reichthum an Werken der
verschiedenste" Zeiten und Schulen einen weiten und zusammenhängenden kunst-
geschichtlichen Ueberblick gewährt. In dieser Beziehung steht es einzig da. Nie¬
mand verstand den Werth des Berliner Museums bisher trefflicher zu benutze",


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Schale» in die Opferbecke» leert. Hier ist von religiöser Menschenschlächterei
keine Rede mehr, die Sitte schon gemilderter als damals, wo Saturnus herrschte.
Numa förderte den Ackerbau, gab Gesetze über Eigenthum und Gewerbe, ord¬
nete den religiösen Cultus und wurde, »ach seiner Angabe, dabei von der Nymphe
Egeria unterstützt. Ans den Blumenkelche» und von den untersten Ranken streben
Menschenkinder zu seiner Bildungshöhe empor. Am Fuße des Arabeskenstammes
^egt in einer Grotte die um den Tod des Numa trauernde Egeria mit der Urne
des Quells, in den die Thränenreiche von der milden Diana verwandelt wurde,
Dos vierte Arabeskenfeld zeigt uns das Bild des Janus, dessen Tempel Rv-
wulus und Tatius gründeten zum Deukmaal der Vereinigung beider Völker. Vou
Janus heißt es: er kannte das Vergangene und. sah das Zukünftige. Darge¬
stellt ist er als eine aufrechtstehende Doppelbüste, unter der sich Ranken und
Blätter zu einer verhüllten menschlichen Gestalt vereinen. In der linken Hand
unter dem Greisenhaupte trägt er das Scepter, in der rechten nnter dem Jüng¬
lingshaupte den Wurfspeer; auf den Arabcskenzügen neben ihm liegen die
Fasces. Am Fuße des Stammes, der ihn trägt, sitzt der capitolinische Adler,
"uf dessen starke Schenkel sich die Schutzlareu Roms, die beiden vergötterten
Ahnherren, stützen. Hiermit ist zugleich eine Andeutung der spätem Doppel¬
herrschaft gegeben. Im untern Oblong heben zwei römische Krieger die grie¬
chische Muse von ihrem Piedestal, um sie nach Rom zu schleppen. So ver¬
gipsen sich immer vou Neuem wieder die Fäden der menschlichen Cultur, und
der ganzen Anlage zeigt sich überall jeuer diese Zusammenhang, jene innere
Einheit der geistigen Welt, die anch für ihre mannichfaltigen Erscheinungen wie¬
der geschichtliche Verbindungen sucht. Dabei ist auf allen Pilastern die Form der
blonderen Entwickelungen scharf und bestimmt hingestellt; mit wie strenger Cor-
!eguenz miegt noch der römische Charakter in seinem historischen Wesen durch¬
geführt

Die Pfeiler und Master machen die Kaulbach'sche Malerei mehr noch als
d'e Hauptgemälde zu einer gelehrten Kunst. Aber mit welcher geistigen Klar¬
heit, mit welcher künstlerischen Symmetrie, mit welcher stylvolleu Architektonik ist
ungeheure Material verarbeitet! Und wie vollkommen passen die Gedanken
dieser monumentalen Malerei in Tendenz und Wesen des Berliner Museums!
Ach denke dabei auch an den Inhalt des Schinkel'schen Gebäudes. Es konnte
'"ehe gelingen, das Berliner Museum in allen Fächern an vollendeten Meister-
werken so reich zu machen, wie manches andere, obwol es nichts wenig Per¬
len der bildenden Kunst in sich schließt. Dagegen hat es vor allen den Vor¬
zug eines umfassenden Besitzes voraus, dessen großer Reichthum an Werken der
verschiedenste» Zeiten und Schulen einen weiten und zusammenhängenden kunst-
geschichtlichen Ueberblick gewährt. In dieser Beziehung steht es einzig da. Nie¬
mand verstand den Werth des Berliner Museums bisher trefflicher zu benutze»,


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[0223] Schale» in die Opferbecke» leert. Hier ist von religiöser Menschenschlächterei keine Rede mehr, die Sitte schon gemilderter als damals, wo Saturnus herrschte. Numa förderte den Ackerbau, gab Gesetze über Eigenthum und Gewerbe, ord¬ nete den religiösen Cultus und wurde, »ach seiner Angabe, dabei von der Nymphe Egeria unterstützt. Ans den Blumenkelche» und von den untersten Ranken streben Menschenkinder zu seiner Bildungshöhe empor. Am Fuße des Arabeskenstammes ^egt in einer Grotte die um den Tod des Numa trauernde Egeria mit der Urne des Quells, in den die Thränenreiche von der milden Diana verwandelt wurde, Dos vierte Arabeskenfeld zeigt uns das Bild des Janus, dessen Tempel Rv- wulus und Tatius gründeten zum Deukmaal der Vereinigung beider Völker. Vou Janus heißt es: er kannte das Vergangene und. sah das Zukünftige. Darge¬ stellt ist er als eine aufrechtstehende Doppelbüste, unter der sich Ranken und Blätter zu einer verhüllten menschlichen Gestalt vereinen. In der linken Hand unter dem Greisenhaupte trägt er das Scepter, in der rechten nnter dem Jüng¬ lingshaupte den Wurfspeer; auf den Arabcskenzügen neben ihm liegen die Fasces. Am Fuße des Stammes, der ihn trägt, sitzt der capitolinische Adler, "uf dessen starke Schenkel sich die Schutzlareu Roms, die beiden vergötterten Ahnherren, stützen. Hiermit ist zugleich eine Andeutung der spätem Doppel¬ herrschaft gegeben. Im untern Oblong heben zwei römische Krieger die grie¬ chische Muse von ihrem Piedestal, um sie nach Rom zu schleppen. So ver¬ gipsen sich immer vou Neuem wieder die Fäden der menschlichen Cultur, und der ganzen Anlage zeigt sich überall jeuer diese Zusammenhang, jene innere Einheit der geistigen Welt, die anch für ihre mannichfaltigen Erscheinungen wie¬ der geschichtliche Verbindungen sucht. Dabei ist auf allen Pilastern die Form der blonderen Entwickelungen scharf und bestimmt hingestellt; mit wie strenger Cor- !eguenz miegt noch der römische Charakter in seinem historischen Wesen durch¬ geführt Die Pfeiler und Master machen die Kaulbach'sche Malerei mehr noch als d'e Hauptgemälde zu einer gelehrten Kunst. Aber mit welcher geistigen Klar¬ heit, mit welcher künstlerischen Symmetrie, mit welcher stylvolleu Architektonik ist ungeheure Material verarbeitet! Und wie vollkommen passen die Gedanken dieser monumentalen Malerei in Tendenz und Wesen des Berliner Museums! Ach denke dabei auch an den Inhalt des Schinkel'schen Gebäudes. Es konnte '"ehe gelingen, das Berliner Museum in allen Fächern an vollendeten Meister- werken so reich zu machen, wie manches andere, obwol es nichts wenig Per¬ len der bildenden Kunst in sich schließt. Dagegen hat es vor allen den Vor¬ zug eines umfassenden Besitzes voraus, dessen großer Reichthum an Werken der verschiedenste» Zeiten und Schulen einen weiten und zusammenhängenden kunst- geschichtlichen Ueberblick gewährt. In dieser Beziehung steht es einzig da. Nie¬ mand verstand den Werth des Berliner Museums bisher trefflicher zu benutze», 28*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/223>, abgerufen am 23.07.2024.