Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.noch möglich sei. Denn gerade an der Zerstörung von Jerusalem nehmen wir den Die Handlung geht im Innern des Tempels zu Jerusalem vor. Wir sehen Im Centrum des Mittelgrundes steht der Hochaltar, dessen sich - eine Ab¬ Im Hintergründe rechts führen Stufen zu einer Reihe von Säulen empor, noch möglich sei. Denn gerade an der Zerstörung von Jerusalem nehmen wir den Die Handlung geht im Innern des Tempels zu Jerusalem vor. Wir sehen Im Centrum des Mittelgrundes steht der Hochaltar, dessen sich - eine Ab¬ Im Hintergründe rechts führen Stufen zu einer Reihe von Säulen empor, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0185" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280802"/> <p xml:id="ID_558" prev="#ID_557"> noch möglich sei. Denn gerade an der Zerstörung von Jerusalem nehmen wir den<lb/> wunderbaren Umfang des Kaulbach'schen Genius in besonders reicher Entfaltung<lb/> wahr. In seinem Wolkenstück malte er die besondere Ncligiousidee in philosophi¬<lb/> scher Unparteilichkeit. In den später zu betrachtenden Seitengrnppeu des Vor¬<lb/> grundes, dem Ahasver und der christlichen Familie, verfolgt er einerseits den<lb/> nationalen Mythus bis in die „schlechte Unendlichkeit" eines zwecklosen Daseins,<lb/> und läßt er andrerseits die philosophische Idee des steten Fortschritts in den<lb/> Principien der Weltgeschichtesymbolisch erscheinen. In dem Ereigniß der Zerstörung<lb/> selbst giebt er eine Großartigkeit und Fülle geschichtlicher Wahrheit und Realität,<lb/> wie sie in der Malerei ohne Beispiel dasteht.</p><lb/> <p xml:id="ID_559"> Die Handlung geht im Innern des Tempels zu Jerusalem vor. Wir sehen<lb/> ""n links auf weißem Rosse den römischen Imperator an der Spitze seiner Krie¬<lb/> ger hereindringen. Lictoren folgen ihm, ein Wald von römischen Adlern umgiebt<lb/> >du. Ueber umgestürzte Säulen und andere Bautrümmer, unter denen die Leichen<lb/> Erschlagener liegen, führt ihn sein Weg in das israelitische Heiligthum. Aber er<lb/> Unst nicht als ein zorniger Eroberer, sondern ruhig wie ein unvermeidliches Ge¬<lb/> schick. Wie ergriffen von dem furchtbaren Schauspiel, das dem Auge sich dar¬<lb/> bietet, hält er den Schritt seines Rosses zurück, und eine Bewegung seiner Linken<lb/> Icheint anzudeuten, wie gern er die blutige Handlung schließen würde. Allem die<lb/> Hartnäckigkeit der verzweifelnden Juden hat dem Kampfe den wildesten Charakter<lb/> en.</p><lb/> <p xml:id="ID_560"> Im Centrum des Mittelgrundes steht der Hochaltar, dessen sich - eine Ab¬<lb/> theilung römischer Krieger bemächtigte, um aus ihm den siegreichen Adler aufzu¬<lb/> pflanzen. Die Verletzungen des Steins bezeuge», daß um diesen heiligen Ort<lb/> hMg gekämpft worden sei. Die Vertheidigung war vergeblich. Von der Höhe<lb/> des Altars erschallt die römische Tuba, und die Schaar der israelitischen Verthei¬<lb/> diger ergreift mit allen Zeichen des Schreckens die Flucht. Von deu martdurch-<lb/> dnngenden Klängen bis in das Innerste getroffen, bemühen sie sich, nnter dein<lb/> Schulze ihrer, gleich einem Dache vereinigten Schilde den feindlichen Waffen zu<lb/> °"tgehen. Außerordentlich schon gedacht und ausgeführt ist die Gestalt eines<lb/> leises, dessen Haupt ein jugendlicher Krieger mit seinem Schilde zu decken sucht.<lb/> ohnmächtigem Jammer preßt Jener die geballten Fäuste uuter dem Kinn con-<lb/> "Ulsivisch gegen einander, während das Haupt sich wie in furchtbarer Ersehnten-<lb/> ""'g aller Nerven in die Schultern zurückzieht. Er blickt in wüthendem Schmerze<lb/> 5« dem entweihten Altar empor, in dessen Verehrung er vielleicht den heiligsten<lb/> Inhalt seines Lebens fand, die Stätte, wo er die Sünden seiner Jugend be¬<lb/> hüte, den Trost' seines Alters schöpfte. Denn unter dem verderbten Geschlechte<lb/> sieben doch Manche dem Glauben der Väter treu.</p><lb/> <p xml:id="ID_561" next="#ID_562"> Im Hintergründe rechts führen Stufen zu einer Reihe von Säulen empor,<lb/> hinter der eine andere Abtheilung des Tempels sich befindet. Hier, dem römi-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0185]
noch möglich sei. Denn gerade an der Zerstörung von Jerusalem nehmen wir den
wunderbaren Umfang des Kaulbach'schen Genius in besonders reicher Entfaltung
wahr. In seinem Wolkenstück malte er die besondere Ncligiousidee in philosophi¬
scher Unparteilichkeit. In den später zu betrachtenden Seitengrnppeu des Vor¬
grundes, dem Ahasver und der christlichen Familie, verfolgt er einerseits den
nationalen Mythus bis in die „schlechte Unendlichkeit" eines zwecklosen Daseins,
und läßt er andrerseits die philosophische Idee des steten Fortschritts in den
Principien der Weltgeschichtesymbolisch erscheinen. In dem Ereigniß der Zerstörung
selbst giebt er eine Großartigkeit und Fülle geschichtlicher Wahrheit und Realität,
wie sie in der Malerei ohne Beispiel dasteht.
Die Handlung geht im Innern des Tempels zu Jerusalem vor. Wir sehen
""n links auf weißem Rosse den römischen Imperator an der Spitze seiner Krie¬
ger hereindringen. Lictoren folgen ihm, ein Wald von römischen Adlern umgiebt
>du. Ueber umgestürzte Säulen und andere Bautrümmer, unter denen die Leichen
Erschlagener liegen, führt ihn sein Weg in das israelitische Heiligthum. Aber er
Unst nicht als ein zorniger Eroberer, sondern ruhig wie ein unvermeidliches Ge¬
schick. Wie ergriffen von dem furchtbaren Schauspiel, das dem Auge sich dar¬
bietet, hält er den Schritt seines Rosses zurück, und eine Bewegung seiner Linken
Icheint anzudeuten, wie gern er die blutige Handlung schließen würde. Allem die
Hartnäckigkeit der verzweifelnden Juden hat dem Kampfe den wildesten Charakter
en.
Im Centrum des Mittelgrundes steht der Hochaltar, dessen sich - eine Ab¬
theilung römischer Krieger bemächtigte, um aus ihm den siegreichen Adler aufzu¬
pflanzen. Die Verletzungen des Steins bezeuge», daß um diesen heiligen Ort
hMg gekämpft worden sei. Die Vertheidigung war vergeblich. Von der Höhe
des Altars erschallt die römische Tuba, und die Schaar der israelitischen Verthei¬
diger ergreift mit allen Zeichen des Schreckens die Flucht. Von deu martdurch-
dnngenden Klängen bis in das Innerste getroffen, bemühen sie sich, nnter dein
Schulze ihrer, gleich einem Dache vereinigten Schilde den feindlichen Waffen zu
°"tgehen. Außerordentlich schon gedacht und ausgeführt ist die Gestalt eines
leises, dessen Haupt ein jugendlicher Krieger mit seinem Schilde zu decken sucht.
ohnmächtigem Jammer preßt Jener die geballten Fäuste uuter dem Kinn con-
"Ulsivisch gegen einander, während das Haupt sich wie in furchtbarer Ersehnten-
""'g aller Nerven in die Schultern zurückzieht. Er blickt in wüthendem Schmerze
5« dem entweihten Altar empor, in dessen Verehrung er vielleicht den heiligsten
Inhalt seines Lebens fand, die Stätte, wo er die Sünden seiner Jugend be¬
hüte, den Trost' seines Alters schöpfte. Denn unter dem verderbten Geschlechte
sieben doch Manche dem Glauben der Väter treu.
Im Hintergründe rechts führen Stufen zu einer Reihe von Säulen empor,
hinter der eine andere Abtheilung des Tempels sich befindet. Hier, dem römi-
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