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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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sie dem Publicum sehr lästig, und dem Handel und Gewerbe > äußerst verderblich
macht.

Selbst beim Postwesen, dessen Bestimmungen doch ziemlich unzweideutig und
feststehend sind, ist man Hudeleien und Erpressungen ausgesetzt. Nicht einmal
ein sraukirter Brief gelaugt an das Ziel, wenn der Abgeber sich nicht eine Quit¬
tung, die natürlich auch Etwas kostet, hat ausstellen lassen. Schon daraus sieht
>nan, wie die Sachen stehen, daß die Behörde von Zeit zu Zeit die Aufforderung,
sich auf jeden frankirten Brief eine Quittung aufstellen zu lassen , als Warnung
erläßt. Nach dem Gesetz soll jeder Passagier 40 Pfund Gepäck frei haben, und
das Plus bezahlen. Gleichwol kann man -10 Centner mit sich nehmen, ohne Et¬
was zu entrichten, wenn man dem Schirrmeister ein Bestechuugsgeld in die Hand
drückt, und ans einen Empfangsschein verzichtet. Daher ist auch der Ertrag vom
Passagiergnt ein so geringer, daß er schon oft die Monopolpächter in Erstannen
gesetzt und zu Beschwerden genöthigt hat. Damit war aber Nichts auszurichten,
und sie sahen sich zu einer ganz eigenthümlichen Maßregel genöthigt, um das
Publicum von der Betheiligung an der Speculation der Schürmeister abzuhalten.
Sie ließen nämlich das ungewogene und uubescheinigte Passagiergnt stehlen. Die
dergestalt bestohlenen Passagiere konnten in Ermangelung eines Empfangschcinö
'natürlich vom Postamte keine Entschädigung fordern, und werden ein anderes Mal
wahrscheinlich auf den Vortheil verzichtet haben, den ihnen die Schwindelei des
Schirrmeisters gewährte. Oft kommt es vor, daß der Schirrmcister selbst,
welcher sich bestechen läßt, der Dieb der Effecten ist. Er versteht sich mit den
Gastwirthen auf den Anhaltepunkten, den kleinen Landpostmeistern oder ihren
^nten, läßt von diesen das Gut bei Seite bringen und aufbewahren, und freut
!^h, keine Verantwortlichkeit zu haben, da er keinen Empfangsschein ausgestellt
hat, und das Gut nicht einregistrirt ist. Geht man ihm zu Leibe, so wäscht er
sub rein, indem er die vom Monopolinhaber angestellten Controleurs verdächtigt.
Der Bestohlene aber kommt in keinem Falle wieder zu seinem Gute.

Monopole, wie das für den Tabakverkauf, haben auf die Gewerbe wenig Einfluß,
ermangeln' aber in directer Beziehung zum Volke der verderblichen Einflüsse nicht.
Schon der Handel leidet durch dieses Monopol, indem der Kleinverkauf ein
Gegenstand der Afterpächteri geworden ist. Fast durchgängig befindet er sich in
den Händen von jüdischen Schänkwirthen. Der Gewinn an dem Verkauf des
Tabaks besteht in drei Procent, und ist daher so unbedeutend, daß sich auch nicht
einmal ein Kaufmann damit abgeben mag. Desto bedeutender dagegen mag der
ewinn des Monopolpächterö sein. Der vorletzte Pachter des Tabakmonopols
'n Polen zahlte 3 Millionen Gulden oder !>00,000 Thaler. Der letzte Mono-
p"linhaber überbot ihn in der Licitation mit einer vollen Million Gulden, und
wachte nun, da in: Gewicht "ut Preis kein Unterschied eintreten dürfte, die Tabake
gleichem Verhältniß schlechter. Da die große Staatstabaksfabrik der Staats-


sie dem Publicum sehr lästig, und dem Handel und Gewerbe > äußerst verderblich
macht.

Selbst beim Postwesen, dessen Bestimmungen doch ziemlich unzweideutig und
feststehend sind, ist man Hudeleien und Erpressungen ausgesetzt. Nicht einmal
ein sraukirter Brief gelaugt an das Ziel, wenn der Abgeber sich nicht eine Quit¬
tung, die natürlich auch Etwas kostet, hat ausstellen lassen. Schon daraus sieht
>nan, wie die Sachen stehen, daß die Behörde von Zeit zu Zeit die Aufforderung,
sich auf jeden frankirten Brief eine Quittung aufstellen zu lassen , als Warnung
erläßt. Nach dem Gesetz soll jeder Passagier 40 Pfund Gepäck frei haben, und
das Plus bezahlen. Gleichwol kann man -10 Centner mit sich nehmen, ohne Et¬
was zu entrichten, wenn man dem Schirrmeister ein Bestechuugsgeld in die Hand
drückt, und ans einen Empfangsschein verzichtet. Daher ist auch der Ertrag vom
Passagiergnt ein so geringer, daß er schon oft die Monopolpächter in Erstannen
gesetzt und zu Beschwerden genöthigt hat. Damit war aber Nichts auszurichten,
und sie sahen sich zu einer ganz eigenthümlichen Maßregel genöthigt, um das
Publicum von der Betheiligung an der Speculation der Schürmeister abzuhalten.
Sie ließen nämlich das ungewogene und uubescheinigte Passagiergnt stehlen. Die
dergestalt bestohlenen Passagiere konnten in Ermangelung eines Empfangschcinö
'natürlich vom Postamte keine Entschädigung fordern, und werden ein anderes Mal
wahrscheinlich auf den Vortheil verzichtet haben, den ihnen die Schwindelei des
Schirrmeisters gewährte. Oft kommt es vor, daß der Schirrmcister selbst,
welcher sich bestechen läßt, der Dieb der Effecten ist. Er versteht sich mit den
Gastwirthen auf den Anhaltepunkten, den kleinen Landpostmeistern oder ihren
^nten, läßt von diesen das Gut bei Seite bringen und aufbewahren, und freut
!^h, keine Verantwortlichkeit zu haben, da er keinen Empfangsschein ausgestellt
hat, und das Gut nicht einregistrirt ist. Geht man ihm zu Leibe, so wäscht er
sub rein, indem er die vom Monopolinhaber angestellten Controleurs verdächtigt.
Der Bestohlene aber kommt in keinem Falle wieder zu seinem Gute.

Monopole, wie das für den Tabakverkauf, haben auf die Gewerbe wenig Einfluß,
ermangeln' aber in directer Beziehung zum Volke der verderblichen Einflüsse nicht.
Schon der Handel leidet durch dieses Monopol, indem der Kleinverkauf ein
Gegenstand der Afterpächteri geworden ist. Fast durchgängig befindet er sich in
den Händen von jüdischen Schänkwirthen. Der Gewinn an dem Verkauf des
Tabaks besteht in drei Procent, und ist daher so unbedeutend, daß sich auch nicht
einmal ein Kaufmann damit abgeben mag. Desto bedeutender dagegen mag der
ewinn des Monopolpächterö sein. Der vorletzte Pachter des Tabakmonopols
'n Polen zahlte 3 Millionen Gulden oder !>00,000 Thaler. Der letzte Mono-
p"linhaber überbot ihn in der Licitation mit einer vollen Million Gulden, und
wachte nun, da in: Gewicht »ut Preis kein Unterschied eintreten dürfte, die Tabake
gleichem Verhältniß schlechter. Da die große Staatstabaksfabrik der Staats-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/17>, abgerufen am 23.07.2024.