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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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wobei er vier Chasseurs d'Afrique von den Pferden gebracht haben soll, zusammen-
gehalten worden. Jetzt sollen nnr noch selten einzelne Deserteure Unterkommen
im Marokkanischen Heere finden, oder sich als Handwerker in den größeren Ma¬
rokkanischen Städten'nothdürftig ernähren. Ein Uebertritt zur mohammedanischen
Religion ist aber unumgänglich erforderlich. Bisweilen soll es auch einzelnen
Deserteuren von der Fremdenlegion gelingen, zu Schiff von Algier oder Bona
aus wieder nach Europa zu entkommen. Fremde Handelsschiffe, besonders Deutsche,
denen es an Matrosen fehlt, nehmen wol einen solchen Flüchtling heimlich mit
an Bord.

Außerdem erleidet die Fremdenlegion anch vielfachen Verlust durch die große
Zahl von Soldaten, die sie zur Strafe in die Disciplinarcompagnien oder gar
in das Bagno von Toulon abgeben muß. Hinsichtlich der Zahl der bei ihr vor-
kommenden Straffälle jeden Grades steht die Legion in einem entschieden ungün¬
stigen Verhältniß zu allen uationalfranzösischen Regimentern. Trunkenheit, Streitsucht,
Nachlässigkeit im Dienst, Insubordination, Diebstahl, kurz alle möglichen Verbrechen
bringen alljährlich eine nicht geringe Menge ihrer Soldaten auf die Straflisten.
Bei ihrer Zusammensetzung ist dies auch nicht anders möglich, denn jedes Land,
jeder Stand, jeder Rang ist in ihr vertreten. Der Deutsche politische Flüchtling steht
hier im Gliede neben dem entwichenen Dieb oder Betrüger, der frühere Künstler
"der Gelehrte neben dem rohen Burschen, der seinen Namen nicht schreiben kann,
der Sprößling alter Grasen- oder Freihcrrcngcschlechter neben dem geborenen
Bagabvuden, der hinter irgend einer Hecke das Licht der Welt erblickte. Frühere
Hauptleute sind hier schon als gemeine Legivuösoldaten mit ihren ehemaligen
Tambouren zusammengetroffen, vornehme Beamte mit ihren gewesenen Bedienten,
reiche Verschwender mit betrogenen Gläubigern. Wenn man so die Soldaten
einer Compagnie nu coiUrv der Legion zusammen sieht, welch unendliche Ver¬
schiedenheit schon in der ganzen äußern Erscheinung derselben, trotz dem, daß
"lie die gleiche Uniform tragen. Schöne edle, geistig ausgebildete Köpfe, denen
man beim ersten Blick Talent, Bildung und höheres Streben ansieht, neben
gemeinen, rohen Gesichtern, die alle Laster nnr zu deutlich zur Schau tragen;
Männer, welche die Zierde der besten Gesellschaft ihres Vaterlandes abgegeben
bilden, ueben Kerlen', an denen jeder Zoll ein Strolch ist. Besonders die poli¬
tischen Ereignisse der letzten Jahre haben wieder viele dieser besseren Elemente
der Legion zugeführt, die hier elendiglich verkümmern müssen. Welch schöne
Gestalten, bedeutende Gesichter sieht man besonders unter den vielen Ungarischen,
Italienischen und auch Deutschen Flüchtlingen, welche die Legion als letzte Zu¬
flucht vor dem Hungertode aufgesucht haben. Ist doch der Zudrang politischer
Flüchtlinge, besonders aus Deutschland, in den letzten Jahren so groß gewesen,
d"v jetzt vorläufig die Werbungen geschlossen sind, da die Zahl der Soldaten in
Legion mehr als complet ist. Den letzten Zuwachs erhielt die Legion noch


Grenzboten. IV. ->8ni. ^

wobei er vier Chasseurs d'Afrique von den Pferden gebracht haben soll, zusammen-
gehalten worden. Jetzt sollen nnr noch selten einzelne Deserteure Unterkommen
im Marokkanischen Heere finden, oder sich als Handwerker in den größeren Ma¬
rokkanischen Städten'nothdürftig ernähren. Ein Uebertritt zur mohammedanischen
Religion ist aber unumgänglich erforderlich. Bisweilen soll es auch einzelnen
Deserteuren von der Fremdenlegion gelingen, zu Schiff von Algier oder Bona
aus wieder nach Europa zu entkommen. Fremde Handelsschiffe, besonders Deutsche,
denen es an Matrosen fehlt, nehmen wol einen solchen Flüchtling heimlich mit
an Bord.

Außerdem erleidet die Fremdenlegion anch vielfachen Verlust durch die große
Zahl von Soldaten, die sie zur Strafe in die Disciplinarcompagnien oder gar
in das Bagno von Toulon abgeben muß. Hinsichtlich der Zahl der bei ihr vor-
kommenden Straffälle jeden Grades steht die Legion in einem entschieden ungün¬
stigen Verhältniß zu allen uationalfranzösischen Regimentern. Trunkenheit, Streitsucht,
Nachlässigkeit im Dienst, Insubordination, Diebstahl, kurz alle möglichen Verbrechen
bringen alljährlich eine nicht geringe Menge ihrer Soldaten auf die Straflisten.
Bei ihrer Zusammensetzung ist dies auch nicht anders möglich, denn jedes Land,
jeder Stand, jeder Rang ist in ihr vertreten. Der Deutsche politische Flüchtling steht
hier im Gliede neben dem entwichenen Dieb oder Betrüger, der frühere Künstler
"der Gelehrte neben dem rohen Burschen, der seinen Namen nicht schreiben kann,
der Sprößling alter Grasen- oder Freihcrrcngcschlechter neben dem geborenen
Bagabvuden, der hinter irgend einer Hecke das Licht der Welt erblickte. Frühere
Hauptleute sind hier schon als gemeine Legivuösoldaten mit ihren ehemaligen
Tambouren zusammengetroffen, vornehme Beamte mit ihren gewesenen Bedienten,
reiche Verschwender mit betrogenen Gläubigern. Wenn man so die Soldaten
einer Compagnie nu coiUrv der Legion zusammen sieht, welch unendliche Ver¬
schiedenheit schon in der ganzen äußern Erscheinung derselben, trotz dem, daß
"lie die gleiche Uniform tragen. Schöne edle, geistig ausgebildete Köpfe, denen
man beim ersten Blick Talent, Bildung und höheres Streben ansieht, neben
gemeinen, rohen Gesichtern, die alle Laster nnr zu deutlich zur Schau tragen;
Männer, welche die Zierde der besten Gesellschaft ihres Vaterlandes abgegeben
bilden, ueben Kerlen', an denen jeder Zoll ein Strolch ist. Besonders die poli¬
tischen Ereignisse der letzten Jahre haben wieder viele dieser besseren Elemente
der Legion zugeführt, die hier elendiglich verkümmern müssen. Welch schöne
Gestalten, bedeutende Gesichter sieht man besonders unter den vielen Ungarischen,
Italienischen und auch Deutschen Flüchtlingen, welche die Legion als letzte Zu¬
flucht vor dem Hungertode aufgesucht haben. Ist doch der Zudrang politischer
Flüchtlinge, besonders aus Deutschland, in den letzten Jahren so groß gewesen,
d"v jetzt vorläufig die Werbungen geschlossen sind, da die Zahl der Soldaten in
Legion mehr als complet ist. Den letzten Zuwachs erhielt die Legion noch


Grenzboten. IV. ->8ni. ^
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[0117] wobei er vier Chasseurs d'Afrique von den Pferden gebracht haben soll, zusammen- gehalten worden. Jetzt sollen nnr noch selten einzelne Deserteure Unterkommen im Marokkanischen Heere finden, oder sich als Handwerker in den größeren Ma¬ rokkanischen Städten'nothdürftig ernähren. Ein Uebertritt zur mohammedanischen Religion ist aber unumgänglich erforderlich. Bisweilen soll es auch einzelnen Deserteuren von der Fremdenlegion gelingen, zu Schiff von Algier oder Bona aus wieder nach Europa zu entkommen. Fremde Handelsschiffe, besonders Deutsche, denen es an Matrosen fehlt, nehmen wol einen solchen Flüchtling heimlich mit an Bord. Außerdem erleidet die Fremdenlegion anch vielfachen Verlust durch die große Zahl von Soldaten, die sie zur Strafe in die Disciplinarcompagnien oder gar in das Bagno von Toulon abgeben muß. Hinsichtlich der Zahl der bei ihr vor- kommenden Straffälle jeden Grades steht die Legion in einem entschieden ungün¬ stigen Verhältniß zu allen uationalfranzösischen Regimentern. Trunkenheit, Streitsucht, Nachlässigkeit im Dienst, Insubordination, Diebstahl, kurz alle möglichen Verbrechen bringen alljährlich eine nicht geringe Menge ihrer Soldaten auf die Straflisten. Bei ihrer Zusammensetzung ist dies auch nicht anders möglich, denn jedes Land, jeder Stand, jeder Rang ist in ihr vertreten. Der Deutsche politische Flüchtling steht hier im Gliede neben dem entwichenen Dieb oder Betrüger, der frühere Künstler "der Gelehrte neben dem rohen Burschen, der seinen Namen nicht schreiben kann, der Sprößling alter Grasen- oder Freihcrrcngcschlechter neben dem geborenen Bagabvuden, der hinter irgend einer Hecke das Licht der Welt erblickte. Frühere Hauptleute sind hier schon als gemeine Legivuösoldaten mit ihren ehemaligen Tambouren zusammengetroffen, vornehme Beamte mit ihren gewesenen Bedienten, reiche Verschwender mit betrogenen Gläubigern. Wenn man so die Soldaten einer Compagnie nu coiUrv der Legion zusammen sieht, welch unendliche Ver¬ schiedenheit schon in der ganzen äußern Erscheinung derselben, trotz dem, daß "lie die gleiche Uniform tragen. Schöne edle, geistig ausgebildete Köpfe, denen man beim ersten Blick Talent, Bildung und höheres Streben ansieht, neben gemeinen, rohen Gesichtern, die alle Laster nnr zu deutlich zur Schau tragen; Männer, welche die Zierde der besten Gesellschaft ihres Vaterlandes abgegeben bilden, ueben Kerlen', an denen jeder Zoll ein Strolch ist. Besonders die poli¬ tischen Ereignisse der letzten Jahre haben wieder viele dieser besseren Elemente der Legion zugeführt, die hier elendiglich verkümmern müssen. Welch schöne Gestalten, bedeutende Gesichter sieht man besonders unter den vielen Ungarischen, Italienischen und auch Deutschen Flüchtlingen, welche die Legion als letzte Zu¬ flucht vor dem Hungertode aufgesucht haben. Ist doch der Zudrang politischer Flüchtlinge, besonders aus Deutschland, in den letzten Jahren so groß gewesen, d"v jetzt vorläufig die Werbungen geschlossen sind, da die Zahl der Soldaten in Legion mehr als complet ist. Den letzten Zuwachs erhielt die Legion noch Grenzboten. IV. ->8ni. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/117>, abgerufen am 26.06.2024.