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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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wirklichen Reinertrag seiner Stelle nnter seiner Bewirthschaftung geheime Zweifel
haben; -- die Aussicht, in SO Jahren ganz frei zu sein, wirkte fast gar nicht;
das Kassenmanoeuvre, wodurch das ermöglicht wird, verstand Niemand, man glaubte
daher nicht daran, und auch wenn man daran glaubte -- was schiert den Pol¬
nischen Oberschlesier eine Zukunft, die aller Wahrscheinlichkeit nach doch erst sein
Sohn erlebt? --

Damit das Gesetz wirksam werden könne, bedürfte es aber noch einiger
Vorarbeiten; namentlich waren für die verschiedenen Arten abzulösender Leistungen,
Dienste u. s. w. Normalpreise festzustellen, und zwar für jeden Laudkreis besonders
und seinen Verhältnissen angemessen. Zu dem Ende traten in jedem Kreise Ab¬
geordnete beider Parteien unter dem Vorsitze eines Mitgliedes der Generalcom¬
mission zusammen. Nun schickten die Bauern zwar meistens wieder ihre Gorzvlka'S
und Kiolbassa's, die ihren Committenten goldene Berge versprachen, und vor den
Herren in guten Röcken nicht den Mund aufzumachen wagten, auch den größern
Theil der Verhandlungen nicht verstanden; trotzdem ist die Festsetzung der Nor¬
malpreise sast durchgängig den Rücksichten der Billigkeit entsprechend erfolgt. Dann
galt es, über den Ausführuugsmodus, über das Verfahren bei den Ablösnngsver-
handlungen die genauesten, möglichst vereinfachenden und beschleunigende" Be¬
stimmungen zu treffen, und diese Aufgabe hat die Breslauer Generalcommissiou --
sie hatte gerade damals einen neuen kräftigen Director erhalten -- mit eben so
viel Eifer als Glück gelöst. Daß kurz vorher gerade das unselige Patrimvnial-
gerichtswesen beseitigt und eine gesunde Jnstizreorganisativn durchgeführt war, kam
hierbei sehr zu Statten; die Legitimativnsbcrichtignug für die einzelnen Interessen¬
ten z. B., welche früher oft mehr als ein halbes Jahr wegnahm und weitläufige
und kostbare Schreibereien veranlaßte, ist jetzt in höchstens 8 Tagen erledigt und
in zwei, höchstens drei Terminen ist bei einer Ortschaft das ganze Verfahren ent¬
weder beendigt, oder, wenn sich doch Streitpunkte gefunden haben, so weit fertig,
daß die Acten der Generalcommissiou zum Spruch vorgelegt werden können. --

Seit dem Herbst des vorigen Jahres sind nun nach diesem Gesetz die Ab¬
lösungen in Augriff genommen; es sind bis jetzt entschieden gute Anfänge ge¬
macht; ein Ende des ganzen Verfahrens ist abzusehen; erfreuliche Zustände
werden dadurch herbeigeführt werdeu; die Uebergangsperiode hat ihr Bedenkliches.
-- Mancher Gutsbesitzer, der sich während der letzten Jahre seinen Gläubigern
gegenüber nur durch das geheimnißvolle Dunkel erhielt, welches über deu wirk¬
lichen Werth seiner nunmehr abgelösten Berechtigungen herrschte, wird fallen,
wenn aus der unbekannten Größe nun plötzlich eine bestimmte, benannte Zahl,
aber eine zu kleine, wird; manchem wird die Energie, der Scharfblick fehlen,
um deu Uebergang ans dem alten Schlendrian in eine neue Art der Bewirth¬
schaftung recht zeitig und geschickt zu machen; der größere Theil wird aber vor¬
aussichtlich die Krisis gut überstehen. Sorgenerregender sieht die nächste Zukunft


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wirklichen Reinertrag seiner Stelle nnter seiner Bewirthschaftung geheime Zweifel
haben; — die Aussicht, in SO Jahren ganz frei zu sein, wirkte fast gar nicht;
das Kassenmanoeuvre, wodurch das ermöglicht wird, verstand Niemand, man glaubte
daher nicht daran, und auch wenn man daran glaubte — was schiert den Pol¬
nischen Oberschlesier eine Zukunft, die aller Wahrscheinlichkeit nach doch erst sein
Sohn erlebt? —

Damit das Gesetz wirksam werden könne, bedürfte es aber noch einiger
Vorarbeiten; namentlich waren für die verschiedenen Arten abzulösender Leistungen,
Dienste u. s. w. Normalpreise festzustellen, und zwar für jeden Laudkreis besonders
und seinen Verhältnissen angemessen. Zu dem Ende traten in jedem Kreise Ab¬
geordnete beider Parteien unter dem Vorsitze eines Mitgliedes der Generalcom¬
mission zusammen. Nun schickten die Bauern zwar meistens wieder ihre Gorzvlka'S
und Kiolbassa's, die ihren Committenten goldene Berge versprachen, und vor den
Herren in guten Röcken nicht den Mund aufzumachen wagten, auch den größern
Theil der Verhandlungen nicht verstanden; trotzdem ist die Festsetzung der Nor¬
malpreise sast durchgängig den Rücksichten der Billigkeit entsprechend erfolgt. Dann
galt es, über den Ausführuugsmodus, über das Verfahren bei den Ablösnngsver-
handlungen die genauesten, möglichst vereinfachenden und beschleunigende» Be¬
stimmungen zu treffen, und diese Aufgabe hat die Breslauer Generalcommissiou —
sie hatte gerade damals einen neuen kräftigen Director erhalten — mit eben so
viel Eifer als Glück gelöst. Daß kurz vorher gerade das unselige Patrimvnial-
gerichtswesen beseitigt und eine gesunde Jnstizreorganisativn durchgeführt war, kam
hierbei sehr zu Statten; die Legitimativnsbcrichtignug für die einzelnen Interessen¬
ten z. B., welche früher oft mehr als ein halbes Jahr wegnahm und weitläufige
und kostbare Schreibereien veranlaßte, ist jetzt in höchstens 8 Tagen erledigt und
in zwei, höchstens drei Terminen ist bei einer Ortschaft das ganze Verfahren ent¬
weder beendigt, oder, wenn sich doch Streitpunkte gefunden haben, so weit fertig,
daß die Acten der Generalcommissiou zum Spruch vorgelegt werden können. —

Seit dem Herbst des vorigen Jahres sind nun nach diesem Gesetz die Ab¬
lösungen in Augriff genommen; es sind bis jetzt entschieden gute Anfänge ge¬
macht; ein Ende des ganzen Verfahrens ist abzusehen; erfreuliche Zustände
werden dadurch herbeigeführt werdeu; die Uebergangsperiode hat ihr Bedenkliches.
— Mancher Gutsbesitzer, der sich während der letzten Jahre seinen Gläubigern
gegenüber nur durch das geheimnißvolle Dunkel erhielt, welches über deu wirk¬
lichen Werth seiner nunmehr abgelösten Berechtigungen herrschte, wird fallen,
wenn aus der unbekannten Größe nun plötzlich eine bestimmte, benannte Zahl,
aber eine zu kleine, wird; manchem wird die Energie, der Scharfblick fehlen,
um deu Uebergang ans dem alten Schlendrian in eine neue Art der Bewirth¬
schaftung recht zeitig und geschickt zu machen; der größere Theil wird aber vor¬
aussichtlich die Krisis gut überstehen. Sorgenerregender sieht die nächste Zukunft


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/83>, abgerufen am 02.07.2024.