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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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darauf in kunstgerechter Boxerstellnng auslegte, das Weitere zu erwarten. Der
Provence zog sein langes, spitzes Messer, und wollte auf den Engländer eindrin¬
gen, und da auch seine übrigen Kameraden, die gegen einen Fremden wie die
Kletten alle zusammenhängen, für ihn Partei nahmen, so hätte die Sache leicht
schlecht ausfallen können, wenn nicht rasch die Hafenpolizei sich dazwischen ge¬
worfen hätte.

Wir begannen unsre Wanderung stets damit, in einem Cabaret des Hafens
ein Frühstück einzunehmen, "ud daß ich hierbei den Wirth machte, war die einzige
Vergütigung, die der Alte für seine Begleitung annahm. Dunkclrothcr Wein
der Provence, feurig, dick, zwar etwas herbe, aber sonst doch recht gutschmcckend,
frische Sardellen in Oel schwimmend und gesottene kalte Oliven, die man als
den Durst reizend hier stets zum Weine ißt, und welche das Feuer desselben mil¬
dern, bildete" gewöhnlich dies echt ProvcneMsche Frühstück. Dergleichen ist hier
sehr wohlfeil. Kommt man mit einem Stammgast in ein Cabaret, so erhält man
für einen Frank eine ansehnliche Menge davon. Desto theurer sind freilich die
vornehmen Hotels, größtentheils für Engländer berechnet.

Nach diesem Frühstück, wobei mir Pierre gar viel von seinem bewegten
Leben erzählte, namentlich auch von Napoleon, den er bei der Ueberfahrt von der
Insel Elba gesprochen hatte, da er ans dem Schiffe diente, das den Kaiser her¬
über brachte, begannen wir der Krenz und Quer unsre Wanderungen, bald zu
Fuß, bald in einem Boote im Hafen umherfahrend. Gern und viel weilte ich
in der Gegend, wo die Schiffe lagen, die ans dem Orient kamen, nachdem sie die
Quarantaine durchgemacht hatten. So ein Schiff, mit lauter braunen Aegyptern
oder Arabern bemannt, macht einen eigenthümlichen Eindruck. Die dunkelbraunen
Matrosen scheinen aus lauter Sehnen und Knochen zu bestehen, so schlank und
hager sehen die Kerle aus; nicht ein Qnentlein überflüssiges Fleisch bemerkt man.
Ihre Garderobe besteht in einem Paar weiten Hosen, die nur bis an das Knie
gehen, und einem weiten kurzen Hemd, ohne Halskragen, Alles von grobem,
blauem oder weißbraunem Baumwollenzeug. Die Schiffe sind schlecht gehalten und
dürftig, Tauwerk und Scgelzeug in einem erbärmlichen Zustand. In Begleitung
eines Smyrnäer Kaufmanns, der einige Tage mein Nachbar an der tadle et'two
des Hotels gewesen war, besuchte ich einst ein solches Schiff ans Aker.andrien,
an dessen Bord sich der Eigenthümer, ein wohlhabender Türke, befand. Die Kajüte
war zwar ohne Stühle und Tische, sonst aber mit ziemlicher Eleganz geschmückt;
Draperien von lauter seinen baumwollenen Stoffen in recht hellen Farben hingen
an den Wänden umher, und gaben dem Gemach das Ausehn eines Zeltes. In
einer Ecke lag ein großer Haufe von Polsterkissen, die mit rothem Zeuge über¬
zogen waren, und aus denen ein langer breiter Divan aufgebaut war. Dieser
Divan bildete bei Tage den Sitz und bei Nacht das Lager des Türken. Einige
schone Waffen, unter denen namentlich ein sehr krummer Säbel in reicher Scheide


darauf in kunstgerechter Boxerstellnng auslegte, das Weitere zu erwarten. Der
Provence zog sein langes, spitzes Messer, und wollte auf den Engländer eindrin¬
gen, und da auch seine übrigen Kameraden, die gegen einen Fremden wie die
Kletten alle zusammenhängen, für ihn Partei nahmen, so hätte die Sache leicht
schlecht ausfallen können, wenn nicht rasch die Hafenpolizei sich dazwischen ge¬
worfen hätte.

Wir begannen unsre Wanderung stets damit, in einem Cabaret des Hafens
ein Frühstück einzunehmen, »ud daß ich hierbei den Wirth machte, war die einzige
Vergütigung, die der Alte für seine Begleitung annahm. Dunkclrothcr Wein
der Provence, feurig, dick, zwar etwas herbe, aber sonst doch recht gutschmcckend,
frische Sardellen in Oel schwimmend und gesottene kalte Oliven, die man als
den Durst reizend hier stets zum Weine ißt, und welche das Feuer desselben mil¬
dern, bildete» gewöhnlich dies echt ProvcneMsche Frühstück. Dergleichen ist hier
sehr wohlfeil. Kommt man mit einem Stammgast in ein Cabaret, so erhält man
für einen Frank eine ansehnliche Menge davon. Desto theurer sind freilich die
vornehmen Hotels, größtentheils für Engländer berechnet.

Nach diesem Frühstück, wobei mir Pierre gar viel von seinem bewegten
Leben erzählte, namentlich auch von Napoleon, den er bei der Ueberfahrt von der
Insel Elba gesprochen hatte, da er ans dem Schiffe diente, das den Kaiser her¬
über brachte, begannen wir der Krenz und Quer unsre Wanderungen, bald zu
Fuß, bald in einem Boote im Hafen umherfahrend. Gern und viel weilte ich
in der Gegend, wo die Schiffe lagen, die ans dem Orient kamen, nachdem sie die
Quarantaine durchgemacht hatten. So ein Schiff, mit lauter braunen Aegyptern
oder Arabern bemannt, macht einen eigenthümlichen Eindruck. Die dunkelbraunen
Matrosen scheinen aus lauter Sehnen und Knochen zu bestehen, so schlank und
hager sehen die Kerle aus; nicht ein Qnentlein überflüssiges Fleisch bemerkt man.
Ihre Garderobe besteht in einem Paar weiten Hosen, die nur bis an das Knie
gehen, und einem weiten kurzen Hemd, ohne Halskragen, Alles von grobem,
blauem oder weißbraunem Baumwollenzeug. Die Schiffe sind schlecht gehalten und
dürftig, Tauwerk und Scgelzeug in einem erbärmlichen Zustand. In Begleitung
eines Smyrnäer Kaufmanns, der einige Tage mein Nachbar an der tadle et'two
des Hotels gewesen war, besuchte ich einst ein solches Schiff ans Aker.andrien,
an dessen Bord sich der Eigenthümer, ein wohlhabender Türke, befand. Die Kajüte
war zwar ohne Stühle und Tische, sonst aber mit ziemlicher Eleganz geschmückt;
Draperien von lauter seinen baumwollenen Stoffen in recht hellen Farben hingen
an den Wänden umher, und gaben dem Gemach das Ausehn eines Zeltes. In
einer Ecke lag ein großer Haufe von Polsterkissen, die mit rothem Zeuge über¬
zogen waren, und aus denen ein langer breiter Divan aufgebaut war. Dieser
Divan bildete bei Tage den Sitz und bei Nacht das Lager des Türken. Einige
schone Waffen, unter denen namentlich ein sehr krummer Säbel in reicher Scheide


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[0071] darauf in kunstgerechter Boxerstellnng auslegte, das Weitere zu erwarten. Der Provence zog sein langes, spitzes Messer, und wollte auf den Engländer eindrin¬ gen, und da auch seine übrigen Kameraden, die gegen einen Fremden wie die Kletten alle zusammenhängen, für ihn Partei nahmen, so hätte die Sache leicht schlecht ausfallen können, wenn nicht rasch die Hafenpolizei sich dazwischen ge¬ worfen hätte. Wir begannen unsre Wanderung stets damit, in einem Cabaret des Hafens ein Frühstück einzunehmen, »ud daß ich hierbei den Wirth machte, war die einzige Vergütigung, die der Alte für seine Begleitung annahm. Dunkclrothcr Wein der Provence, feurig, dick, zwar etwas herbe, aber sonst doch recht gutschmcckend, frische Sardellen in Oel schwimmend und gesottene kalte Oliven, die man als den Durst reizend hier stets zum Weine ißt, und welche das Feuer desselben mil¬ dern, bildete» gewöhnlich dies echt ProvcneMsche Frühstück. Dergleichen ist hier sehr wohlfeil. Kommt man mit einem Stammgast in ein Cabaret, so erhält man für einen Frank eine ansehnliche Menge davon. Desto theurer sind freilich die vornehmen Hotels, größtentheils für Engländer berechnet. Nach diesem Frühstück, wobei mir Pierre gar viel von seinem bewegten Leben erzählte, namentlich auch von Napoleon, den er bei der Ueberfahrt von der Insel Elba gesprochen hatte, da er ans dem Schiffe diente, das den Kaiser her¬ über brachte, begannen wir der Krenz und Quer unsre Wanderungen, bald zu Fuß, bald in einem Boote im Hafen umherfahrend. Gern und viel weilte ich in der Gegend, wo die Schiffe lagen, die ans dem Orient kamen, nachdem sie die Quarantaine durchgemacht hatten. So ein Schiff, mit lauter braunen Aegyptern oder Arabern bemannt, macht einen eigenthümlichen Eindruck. Die dunkelbraunen Matrosen scheinen aus lauter Sehnen und Knochen zu bestehen, so schlank und hager sehen die Kerle aus; nicht ein Qnentlein überflüssiges Fleisch bemerkt man. Ihre Garderobe besteht in einem Paar weiten Hosen, die nur bis an das Knie gehen, und einem weiten kurzen Hemd, ohne Halskragen, Alles von grobem, blauem oder weißbraunem Baumwollenzeug. Die Schiffe sind schlecht gehalten und dürftig, Tauwerk und Scgelzeug in einem erbärmlichen Zustand. In Begleitung eines Smyrnäer Kaufmanns, der einige Tage mein Nachbar an der tadle et'two des Hotels gewesen war, besuchte ich einst ein solches Schiff ans Aker.andrien, an dessen Bord sich der Eigenthümer, ein wohlhabender Türke, befand. Die Kajüte war zwar ohne Stühle und Tische, sonst aber mit ziemlicher Eleganz geschmückt; Draperien von lauter seinen baumwollenen Stoffen in recht hellen Farben hingen an den Wänden umher, und gaben dem Gemach das Ausehn eines Zeltes. In einer Ecke lag ein großer Haufe von Polsterkissen, die mit rothem Zeuge über¬ zogen waren, und aus denen ein langer breiter Divan aufgebaut war. Dieser Divan bildete bei Tage den Sitz und bei Nacht das Lager des Türken. Einige schone Waffen, unter denen namentlich ein sehr krummer Säbel in reicher Scheide

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/71>, abgerufen am 02.07.2024.