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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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scheute Stimmung. Es ist jene Art eigenthümlichen Humors, wie wir sie
mich bei anderen Dichtern derselben Schule finden, bei Theophile Gautier,
Se. Beroe, Jules Janin, der zu spielen und zu scherzen scheint, wahrend er
doch zu gleicher Zeit etwas Trübes und gewissermaßen Desperates hat; ein gro¬
ßer Aufwand von Gefühl und doch k"in Gemüth, so daß wir unversöhnt
bleiben; sehr viel Scharfsinn, aber kein Ernst und keine Festigkeit. Alfred de
Müsset hat selbst in einigen seiner Satyren diese Manier der Romantik mit
vielem Glück verspottet, vielleicht ohne zu wissen, daß er sich selber damit traf. --
Wir gehe" jetzt zu seinen Stoffen über.

Im Ganzen ist er in Beziehung auf die Geschichte" nicht sehr erfinderisch,
eben so wenig wie Bhron. Es sind fast lauter Ehebruchsgeschichten, die er be¬
handelt, die natürlich zu den mannichfaltigsten Formen führen, die aber in der
Hauptsache stets ans dasselbe hinaus kommen. In der Regel hat es den An¬
schein, als ob der Dichter entschieden aus Seite der Ehebrecher steht, doch wer¬
den eine solche Meuge episodischer Züge und Reflexionen über andere Gegen¬
stände eingemischt, daß man auch darüber nicht recht ins Klare kommt. An
Erfindung der Greuelthaten übertrifft er beinahe die Mhsteriendichter; ja sie sind
Moeller so raffinirt, daß sie ans Absurde streifen. Einer seiner Helden, z. B.
Don Paöz, erfährt, daß er vou seiner Maitresse betrogen ist; er tobtet also zu¬
erst den Nebenbuhler im Duell, und beschließt, die treulose Geliebte im letzten
Kuß 'zu erwürgen. So weit wäre Alles sehr klar und einfach; aber um den
letzten Act seines Lebens mit dem nöthigen Raffinement auszuüben, geht er vor¬
her zu eiuer Hexe, und läßt sich einen Liebestrank reichen, der seine sinnliche
Potenz bis zum höchsten Grade steigert, aber zugleich den Körper ruinirt, so daß
er in der folgenden Nacht unter den schrecklichsten Qualen den Geist aufgeben
muß. .. J" xjx<M andern Gedicht: I.es wlirruuK du t<in, wird der Held zu¬
erst aus dem Wasser gezogen, in dem er beinahe ertrunken wäre, läßt sich dann
von eitler verlassenen Maitresse verführen, ihr noch einmal die Thätigkeit seiner
^ehe zu widmen, schenkt sie dann einem galanten Abb6, der ihn gerade heraus¬
gefordert hat, mit dem er sich aber vorher noch einmal betrinkt, und bei dieser
Gelegenheit den Gastwirth mit einer Flasche erschlägt, wird dann von dem näm¬
lichen Abbü ermordet, dem als Preis dieser Unthat die Umarmung der schö¬
nen Camargo zugesichert ist u. s. w. - Ju einem dritten, Portia, ist ein
junger Edelmann' gerade bei einer verheirateten Dame in einem Schäserstünd-
chw, das Licht geht ans, sie zünden es wieder an, da finden sie, daß ein
Dritter neben ihnen steht, der Ehemann, dem in einer Nacht die Haare gr'an
^worden sind. Der Letztere wird erstochen, und das junge Weib, ohne die ge-
nugsten Gewissensbisse zu empfinden, entflieht mit ihrem Verführer, von dem sichergiebt, daß er eigentlich ein armer Schiffer ist, der nur im Spiel so viel Geld
gewonnen hat, um den angemessenen Luxus zu treiben. -- Ju einem vierten,


scheute Stimmung. Es ist jene Art eigenthümlichen Humors, wie wir sie
mich bei anderen Dichtern derselben Schule finden, bei Theophile Gautier,
Se. Beroe, Jules Janin, der zu spielen und zu scherzen scheint, wahrend er
doch zu gleicher Zeit etwas Trübes und gewissermaßen Desperates hat; ein gro¬
ßer Aufwand von Gefühl und doch k«in Gemüth, so daß wir unversöhnt
bleiben; sehr viel Scharfsinn, aber kein Ernst und keine Festigkeit. Alfred de
Müsset hat selbst in einigen seiner Satyren diese Manier der Romantik mit
vielem Glück verspottet, vielleicht ohne zu wissen, daß er sich selber damit traf. —
Wir gehe» jetzt zu seinen Stoffen über.

Im Ganzen ist er in Beziehung auf die Geschichte» nicht sehr erfinderisch,
eben so wenig wie Bhron. Es sind fast lauter Ehebruchsgeschichten, die er be¬
handelt, die natürlich zu den mannichfaltigsten Formen führen, die aber in der
Hauptsache stets ans dasselbe hinaus kommen. In der Regel hat es den An¬
schein, als ob der Dichter entschieden aus Seite der Ehebrecher steht, doch wer¬
den eine solche Meuge episodischer Züge und Reflexionen über andere Gegen¬
stände eingemischt, daß man auch darüber nicht recht ins Klare kommt. An
Erfindung der Greuelthaten übertrifft er beinahe die Mhsteriendichter; ja sie sind
Moeller so raffinirt, daß sie ans Absurde streifen. Einer seiner Helden, z. B.
Don Paöz, erfährt, daß er vou seiner Maitresse betrogen ist; er tobtet also zu¬
erst den Nebenbuhler im Duell, und beschließt, die treulose Geliebte im letzten
Kuß 'zu erwürgen. So weit wäre Alles sehr klar und einfach; aber um den
letzten Act seines Lebens mit dem nöthigen Raffinement auszuüben, geht er vor¬
her zu eiuer Hexe, und läßt sich einen Liebestrank reichen, der seine sinnliche
Potenz bis zum höchsten Grade steigert, aber zugleich den Körper ruinirt, so daß
er in der folgenden Nacht unter den schrecklichsten Qualen den Geist aufgeben
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erst aus dem Wasser gezogen, in dem er beinahe ertrunken wäre, läßt sich dann
von eitler verlassenen Maitresse verführen, ihr noch einmal die Thätigkeit seiner
^ehe zu widmen, schenkt sie dann einem galanten Abb6, der ihn gerade heraus¬
gefordert hat, mit dem er sich aber vorher noch einmal betrinkt, und bei dieser
Gelegenheit den Gastwirth mit einer Flasche erschlägt, wird dann von dem näm¬
lichen Abbü ermordet, dem als Preis dieser Unthat die Umarmung der schö¬
nen Camargo zugesichert ist u. s. w. - Ju einem dritten, Portia, ist ein
junger Edelmann' gerade bei einer verheirateten Dame in einem Schäserstünd-
chw, das Licht geht ans, sie zünden es wieder an, da finden sie, daß ein
Dritter neben ihnen steht, der Ehemann, dem in einer Nacht die Haare gr'an
^worden sind. Der Letztere wird erstochen, und das junge Weib, ohne die ge-
nugsten Gewissensbisse zu empfinden, entflieht mit ihrem Verführer, von dem sichergiebt, daß er eigentlich ein armer Schiffer ist, der nur im Spiel so viel Geld
gewonnen hat, um den angemessenen Luxus zu treiben. — Ju einem vierten,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/495>, abgerufen am 04.07.2024.