Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ohne Bügel auf den bäumenden Thieren, die wahrscheinlich, um zur Ausführung
einiger Kapriolen desto aufgelegter zu sein, eine Hand voll Hafer über's Maß be¬
kommen hatten, in flatternden, weiten Sackhosen, mit schon blau und roth gestick¬
ten Hemden, in langen, weißtnchenen, mit den schönsten Blumen von bunten Tuch-
flcckcheu besetzten ärmellosen Jacken, die breitkrämpigen Hüte zur Seite geschoben,
und wie sie, der allgemeinen Entwaffnung gleichsam zur Verhöhnung, da sie keine
Pistolen hatten, ans denen sie hätten schießen können, nasse Papierpfröpfe ans
kleinen Knallröhren, wie die Kinder damit spielen, in die Luft schössen. Ans die
Reiter folgten die Musikanten, echte branne Zigeuner, zwei Geigen, eine Bratsche
und ein "Bassettl", die ganz wacker einen feurigen Marsch aufspielten, in welchem
das "Bassettl" zwar seinen aparten Ansichten über die Harmonie nachzuhängen
schien, der aber doch nicht verfehlte, über den ganzen Zug eine eigene Art wilder,
unbändiger Lustigkeit zu verbreiten. Auf die Musik folgte der Brautführer mit
der Braut und der Bräutigam mit der Kranzeljungfer, in ihre besten Gewänder
gekleidet, und diesen paarweise und in langen Zuge die Hochzeitsgäste, meist
Frauen. An unserm Wagen angelangt machte der Zug Halt. Die Stadthusarcn
erklärten, daß sie nicht umhin könnten, ihren Respect vor solchen "zwei ehren-
werthen Herren", wie wir wären, kundzugeben, und ergossen ihn in einer weit¬
läufigen, von den Zujauchzungeu der Gäste unterbrochenen Anrede, deren Alpha
und Omega darauf hinausging, daß wir die Feier des großen Augenblicks, der
dem Menschen, dessen Gesundheit nicht geschaffen ist ein Weib zu überdauern,
einmal in seinem Leben zu begehen gegönnt ist, durch unsre Gegenpart verherrlichen
sollten, und zwischen dessen von Ehrfurcht und Uneigennützigt'eit überströmenden
Zeilen die unzweideutige Sehnsucht nach einer klingenden Anerkennung dieser
Ehrenbezeugung zu lesen war. Die Zigeuner "kühnsten" auf, die vier Reiter
knallten einige Papierpfropse in die Luft, und wir stiegen ab, um dem Zuge
die nahe Kirche zu folgen.

Hatten die Männer im Zuge gefehlt, so waren sie dafür in der Kirche ver¬
sammelt, voran die Aeltesten der Gemeinde, grauhaarige Walachen mit schneeweiße"
Schurrbärten und zinnernen Smnmeltellcrn. Vor der Kirchthür angelangt, ver¬
stummte die Musik. Die Hochzeitsgäste reihten sich im Halbkreise um ein kleines,
rundes, mit einem Teppiche bedecktes Tischchen, das in der Mitte der Kirche vor
dem Ikonostas aufgestellt war, und das zum Traualtar dienen sollte. Ein ein¬
faches Kreuz aus Ebenholz und zu dessen beiden Seiten zwei künstliche Blumen¬
stöcke und zwei mit künstlichen Rosen gezierte Kerzen bildeten den gesammten Altar¬
apparat. Vor dem Kreuze lag ein abgenutztes Evangelium, und zu dessen beiden
Seiten zwei, aus einem Paar dünnen, mit rothen und grünen Bändern umwun-
denen, und von desgleichen Bögen überspannten Reischen geformte Kronen.
Sogleich nach dem Eintreten traten Bräutigam und Braut, die, nebenbei gesagt,


ohne Bügel auf den bäumenden Thieren, die wahrscheinlich, um zur Ausführung
einiger Kapriolen desto aufgelegter zu sein, eine Hand voll Hafer über's Maß be¬
kommen hatten, in flatternden, weiten Sackhosen, mit schon blau und roth gestick¬
ten Hemden, in langen, weißtnchenen, mit den schönsten Blumen von bunten Tuch-
flcckcheu besetzten ärmellosen Jacken, die breitkrämpigen Hüte zur Seite geschoben,
und wie sie, der allgemeinen Entwaffnung gleichsam zur Verhöhnung, da sie keine
Pistolen hatten, ans denen sie hätten schießen können, nasse Papierpfröpfe ans
kleinen Knallröhren, wie die Kinder damit spielen, in die Luft schössen. Ans die
Reiter folgten die Musikanten, echte branne Zigeuner, zwei Geigen, eine Bratsche
und ein „Bassettl", die ganz wacker einen feurigen Marsch aufspielten, in welchem
das „Bassettl" zwar seinen aparten Ansichten über die Harmonie nachzuhängen
schien, der aber doch nicht verfehlte, über den ganzen Zug eine eigene Art wilder,
unbändiger Lustigkeit zu verbreiten. Auf die Musik folgte der Brautführer mit
der Braut und der Bräutigam mit der Kranzeljungfer, in ihre besten Gewänder
gekleidet, und diesen paarweise und in langen Zuge die Hochzeitsgäste, meist
Frauen. An unserm Wagen angelangt machte der Zug Halt. Die Stadthusarcn
erklärten, daß sie nicht umhin könnten, ihren Respect vor solchen „zwei ehren-
werthen Herren", wie wir wären, kundzugeben, und ergossen ihn in einer weit¬
läufigen, von den Zujauchzungeu der Gäste unterbrochenen Anrede, deren Alpha
und Omega darauf hinausging, daß wir die Feier des großen Augenblicks, der
dem Menschen, dessen Gesundheit nicht geschaffen ist ein Weib zu überdauern,
einmal in seinem Leben zu begehen gegönnt ist, durch unsre Gegenpart verherrlichen
sollten, und zwischen dessen von Ehrfurcht und Uneigennützigt'eit überströmenden
Zeilen die unzweideutige Sehnsucht nach einer klingenden Anerkennung dieser
Ehrenbezeugung zu lesen war. Die Zigeuner „kühnsten" auf, die vier Reiter
knallten einige Papierpfropse in die Luft, und wir stiegen ab, um dem Zuge
die nahe Kirche zu folgen.

Hatten die Männer im Zuge gefehlt, so waren sie dafür in der Kirche ver¬
sammelt, voran die Aeltesten der Gemeinde, grauhaarige Walachen mit schneeweiße»
Schurrbärten und zinnernen Smnmeltellcrn. Vor der Kirchthür angelangt, ver¬
stummte die Musik. Die Hochzeitsgäste reihten sich im Halbkreise um ein kleines,
rundes, mit einem Teppiche bedecktes Tischchen, das in der Mitte der Kirche vor
dem Ikonostas aufgestellt war, und das zum Traualtar dienen sollte. Ein ein¬
faches Kreuz aus Ebenholz und zu dessen beiden Seiten zwei künstliche Blumen¬
stöcke und zwei mit künstlichen Rosen gezierte Kerzen bildeten den gesammten Altar¬
apparat. Vor dem Kreuze lag ein abgenutztes Evangelium, und zu dessen beiden
Seiten zwei, aus einem Paar dünnen, mit rothen und grünen Bändern umwun-
denen, und von desgleichen Bögen überspannten Reischen geformte Kronen.
Sogleich nach dem Eintreten traten Bräutigam und Braut, die, nebenbei gesagt,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0480" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280567"/>
          <p xml:id="ID_1294" prev="#ID_1293"> ohne Bügel auf den bäumenden Thieren, die wahrscheinlich, um zur Ausführung<lb/>
einiger Kapriolen desto aufgelegter zu sein, eine Hand voll Hafer über's Maß be¬<lb/>
kommen hatten, in flatternden, weiten Sackhosen, mit schon blau und roth gestick¬<lb/>
ten Hemden, in langen, weißtnchenen, mit den schönsten Blumen von bunten Tuch-<lb/>
flcckcheu besetzten ärmellosen Jacken, die breitkrämpigen Hüte zur Seite geschoben,<lb/>
und wie sie, der allgemeinen Entwaffnung gleichsam zur Verhöhnung, da sie keine<lb/>
Pistolen hatten, ans denen sie hätten schießen können, nasse Papierpfröpfe ans<lb/>
kleinen Knallröhren, wie die Kinder damit spielen, in die Luft schössen. Ans die<lb/>
Reiter folgten die Musikanten, echte branne Zigeuner, zwei Geigen, eine Bratsche<lb/>
und ein &#x201E;Bassettl", die ganz wacker einen feurigen Marsch aufspielten, in welchem<lb/>
das &#x201E;Bassettl" zwar seinen aparten Ansichten über die Harmonie nachzuhängen<lb/>
schien, der aber doch nicht verfehlte, über den ganzen Zug eine eigene Art wilder,<lb/>
unbändiger Lustigkeit zu verbreiten. Auf die Musik folgte der Brautführer mit<lb/>
der Braut und der Bräutigam mit der Kranzeljungfer, in ihre besten Gewänder<lb/>
gekleidet, und diesen paarweise und in langen Zuge die Hochzeitsgäste, meist<lb/>
Frauen. An unserm Wagen angelangt machte der Zug Halt. Die Stadthusarcn<lb/>
erklärten, daß sie nicht umhin könnten, ihren Respect vor solchen &#x201E;zwei ehren-<lb/>
werthen Herren", wie wir wären, kundzugeben, und ergossen ihn in einer weit¬<lb/>
läufigen, von den Zujauchzungeu der Gäste unterbrochenen Anrede, deren Alpha<lb/>
und Omega darauf hinausging, daß wir die Feier des großen Augenblicks, der<lb/>
dem Menschen, dessen Gesundheit nicht geschaffen ist ein Weib zu überdauern,<lb/>
einmal in seinem Leben zu begehen gegönnt ist, durch unsre Gegenpart verherrlichen<lb/>
sollten, und zwischen dessen von Ehrfurcht und Uneigennützigt'eit überströmenden<lb/>
Zeilen die unzweideutige Sehnsucht nach einer klingenden Anerkennung dieser<lb/>
Ehrenbezeugung zu lesen war. Die Zigeuner &#x201E;kühnsten" auf, die vier Reiter<lb/>
knallten einige Papierpfropse in die Luft, und wir stiegen ab, um dem Zuge<lb/>
die nahe Kirche zu folgen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1295" next="#ID_1296"> Hatten die Männer im Zuge gefehlt, so waren sie dafür in der Kirche ver¬<lb/>
sammelt, voran die Aeltesten der Gemeinde, grauhaarige Walachen mit schneeweiße»<lb/>
Schurrbärten und zinnernen Smnmeltellcrn. Vor der Kirchthür angelangt, ver¬<lb/>
stummte die Musik. Die Hochzeitsgäste reihten sich im Halbkreise um ein kleines,<lb/>
rundes, mit einem Teppiche bedecktes Tischchen, das in der Mitte der Kirche vor<lb/>
dem Ikonostas aufgestellt war, und das zum Traualtar dienen sollte. Ein ein¬<lb/>
faches Kreuz aus Ebenholz und zu dessen beiden Seiten zwei künstliche Blumen¬<lb/>
stöcke und zwei mit künstlichen Rosen gezierte Kerzen bildeten den gesammten Altar¬<lb/>
apparat. Vor dem Kreuze lag ein abgenutztes Evangelium, und zu dessen beiden<lb/>
Seiten zwei, aus einem Paar dünnen, mit rothen und grünen Bändern umwun-<lb/>
denen, und von desgleichen Bögen überspannten Reischen geformte Kronen.<lb/>
Sogleich nach dem Eintreten traten Bräutigam und Braut, die, nebenbei gesagt,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0480] ohne Bügel auf den bäumenden Thieren, die wahrscheinlich, um zur Ausführung einiger Kapriolen desto aufgelegter zu sein, eine Hand voll Hafer über's Maß be¬ kommen hatten, in flatternden, weiten Sackhosen, mit schon blau und roth gestick¬ ten Hemden, in langen, weißtnchenen, mit den schönsten Blumen von bunten Tuch- flcckcheu besetzten ärmellosen Jacken, die breitkrämpigen Hüte zur Seite geschoben, und wie sie, der allgemeinen Entwaffnung gleichsam zur Verhöhnung, da sie keine Pistolen hatten, ans denen sie hätten schießen können, nasse Papierpfröpfe ans kleinen Knallröhren, wie die Kinder damit spielen, in die Luft schössen. Ans die Reiter folgten die Musikanten, echte branne Zigeuner, zwei Geigen, eine Bratsche und ein „Bassettl", die ganz wacker einen feurigen Marsch aufspielten, in welchem das „Bassettl" zwar seinen aparten Ansichten über die Harmonie nachzuhängen schien, der aber doch nicht verfehlte, über den ganzen Zug eine eigene Art wilder, unbändiger Lustigkeit zu verbreiten. Auf die Musik folgte der Brautführer mit der Braut und der Bräutigam mit der Kranzeljungfer, in ihre besten Gewänder gekleidet, und diesen paarweise und in langen Zuge die Hochzeitsgäste, meist Frauen. An unserm Wagen angelangt machte der Zug Halt. Die Stadthusarcn erklärten, daß sie nicht umhin könnten, ihren Respect vor solchen „zwei ehren- werthen Herren", wie wir wären, kundzugeben, und ergossen ihn in einer weit¬ läufigen, von den Zujauchzungeu der Gäste unterbrochenen Anrede, deren Alpha und Omega darauf hinausging, daß wir die Feier des großen Augenblicks, der dem Menschen, dessen Gesundheit nicht geschaffen ist ein Weib zu überdauern, einmal in seinem Leben zu begehen gegönnt ist, durch unsre Gegenpart verherrlichen sollten, und zwischen dessen von Ehrfurcht und Uneigennützigt'eit überströmenden Zeilen die unzweideutige Sehnsucht nach einer klingenden Anerkennung dieser Ehrenbezeugung zu lesen war. Die Zigeuner „kühnsten" auf, die vier Reiter knallten einige Papierpfropse in die Luft, und wir stiegen ab, um dem Zuge die nahe Kirche zu folgen. Hatten die Männer im Zuge gefehlt, so waren sie dafür in der Kirche ver¬ sammelt, voran die Aeltesten der Gemeinde, grauhaarige Walachen mit schneeweiße» Schurrbärten und zinnernen Smnmeltellcrn. Vor der Kirchthür angelangt, ver¬ stummte die Musik. Die Hochzeitsgäste reihten sich im Halbkreise um ein kleines, rundes, mit einem Teppiche bedecktes Tischchen, das in der Mitte der Kirche vor dem Ikonostas aufgestellt war, und das zum Traualtar dienen sollte. Ein ein¬ faches Kreuz aus Ebenholz und zu dessen beiden Seiten zwei künstliche Blumen¬ stöcke und zwei mit künstlichen Rosen gezierte Kerzen bildeten den gesammten Altar¬ apparat. Vor dem Kreuze lag ein abgenutztes Evangelium, und zu dessen beiden Seiten zwei, aus einem Paar dünnen, mit rothen und grünen Bändern umwun- denen, und von desgleichen Bögen überspannten Reischen geformte Kronen. Sogleich nach dem Eintreten traten Bräutigam und Braut, die, nebenbei gesagt,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/480
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/480>, abgerufen am 04.07.2024.