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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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nahe gelegenen Bade campirten, in die Stadt, griffen die Russen mit Ungestüm
an; die Mannschaft wollte sich vertheidigen, aber nachdem drei von ihnen gefallen
waren, zogen sie sich nach Rimaßombat zurück; auch von den Officieren wurden
drei auf der Flucht getödtet, die übrigen zu Gefangenen gemacht; das ganze Ge¬
päck siel in die Hände der Guerilla, die sich sogleich aus der Stadt entfernten.
Die Todten wurden in ein gemeinschaftliches Grab gelegt. -- Dies war das
Motiv, welches die Nüssen zur fürchterlichsten Rache gegen die unglückliche Stadt
anfachte. -- Es verbreiteten sich auch bald die schrecklichsten Gerüchte über das
der Stadt Losoncz bevorstehende Schicksal, obwol es eine unläugbare Thatsache
ist, daß die Losouczer nicht nur an dem Kampfe keinen Antheil nahmen, sondern
im Gegentheil Alles aufboten, um die eindringenden Guerilla von dem tollkühnen
Vorhaben zurückzuhalten, aber vergebens. Als sich am 7. August die Nachricht
von der Ankunft einer Rnssentruppe in der Stadt verbreitete, bemächtigte sich
ein panischer Schrecken aller Gemüther; ein Theil der Einwohner suchte Rettung
in der Flucht, viele waren durch die Angst gelähmt; man suchte Habe, Kranke
und Greise im Walde, in Kellern und benachbarten Ortschaften in Sicherheit zu
bringen, aber das Jammern der Furchtsamen, das Weinen der Kinder und das
Aechzen der Kranken -- die Cholera wüthete eben in der unglücklichen Stadt --
richtete eine solche Verwirrung an, daß uur sehr wenig gerettet werden konnte.
In diesem Zustande traf der Vortrab der Russen die Stadt am 7. August gegen
Mittag. Die Kosaken sperrten sogleich die Straßen ab, und trieben die Flücht¬
linge mit der Knute und dem Rufe: "l's,la Krev xvoagc-ii-kÄl" -- Ungarisches
Hundeblut -- zurück. Bald darauf erschien ein Major ans dem Stadthause und
ernannte -- da der Magistrat geflüchtet war -- einen Bürgermeister und Stadt-
nchter, und legte der Stadt folgende Brandschajzung ans: 27,000 Brvdratioucn,
^V0 StückOchseu, -100 Centner Speck, 200 Kilo (ein Maß von 2 Preßburger Mez-
zen) Hülsenfrüchte, 100 Klaftern Holz, -100 Eimer Branntwein, 32 Eimer Spiritus,
1"W Eimer Wein, -100 Eimer Silvorinm (Obstbranntwein), ö0,000 Nationen Hen,
kwO Kilo Hafer, 20 Centner Tabak. -- Diese Brandschatzung, welche, nachdem
die Stadt durch die massenhaften Ungarischen und Russischen Truppenzüge so sehr
erschöpft wurde, im eigentlichen Sinne des Wortes unaufbringbar war, sollte bis
morgen früh 8 Uhr vollständig entrichtet werden, widrigen Falls die ganze Stadt
geplündert würde. -- Ein bedeutender Theil dieser Brandschatzung wurde noch
M selben Tage abgeliefert, und es eilten einige Bürger zu General Grabbe, um
bei ihm Gnade'für die Stadt Losoncz zu erflehen; diese mußten durch ein Rus¬
sisches Lager gehen, welches auf deu Wiesen zwischen Losoncz und Apatsalva
campirte. Diese wollten sie nicht durchlassen, spuckten ihnen ins Gesicht, und
drohten ihnen mit dem Tode; endlich gelang es ihnen, zum Oberst Nadde zu
gelangen, der sie mit fürchterlichem Zorn empfing, ihnen aber endlich doch Gnade
versprach. Aber dieses Versprechen blieb unerfüllt; noch am nämlichen Tage gegen


nahe gelegenen Bade campirten, in die Stadt, griffen die Russen mit Ungestüm
an; die Mannschaft wollte sich vertheidigen, aber nachdem drei von ihnen gefallen
waren, zogen sie sich nach Rimaßombat zurück; auch von den Officieren wurden
drei auf der Flucht getödtet, die übrigen zu Gefangenen gemacht; das ganze Ge¬
päck siel in die Hände der Guerilla, die sich sogleich aus der Stadt entfernten.
Die Todten wurden in ein gemeinschaftliches Grab gelegt. — Dies war das
Motiv, welches die Nüssen zur fürchterlichsten Rache gegen die unglückliche Stadt
anfachte. — Es verbreiteten sich auch bald die schrecklichsten Gerüchte über das
der Stadt Losoncz bevorstehende Schicksal, obwol es eine unläugbare Thatsache
ist, daß die Losouczer nicht nur an dem Kampfe keinen Antheil nahmen, sondern
im Gegentheil Alles aufboten, um die eindringenden Guerilla von dem tollkühnen
Vorhaben zurückzuhalten, aber vergebens. Als sich am 7. August die Nachricht
von der Ankunft einer Rnssentruppe in der Stadt verbreitete, bemächtigte sich
ein panischer Schrecken aller Gemüther; ein Theil der Einwohner suchte Rettung
in der Flucht, viele waren durch die Angst gelähmt; man suchte Habe, Kranke
und Greise im Walde, in Kellern und benachbarten Ortschaften in Sicherheit zu
bringen, aber das Jammern der Furchtsamen, das Weinen der Kinder und das
Aechzen der Kranken — die Cholera wüthete eben in der unglücklichen Stadt —
richtete eine solche Verwirrung an, daß uur sehr wenig gerettet werden konnte.
In diesem Zustande traf der Vortrab der Russen die Stadt am 7. August gegen
Mittag. Die Kosaken sperrten sogleich die Straßen ab, und trieben die Flücht¬
linge mit der Knute und dem Rufe: „l's,la Krev xvoagc-ii-kÄl" — Ungarisches
Hundeblut — zurück. Bald darauf erschien ein Major ans dem Stadthause und
ernannte — da der Magistrat geflüchtet war — einen Bürgermeister und Stadt-
nchter, und legte der Stadt folgende Brandschajzung ans: 27,000 Brvdratioucn,
^V0 StückOchseu, -100 Centner Speck, 200 Kilo (ein Maß von 2 Preßburger Mez-
zen) Hülsenfrüchte, 100 Klaftern Holz, -100 Eimer Branntwein, 32 Eimer Spiritus,
1«W Eimer Wein, -100 Eimer Silvorinm (Obstbranntwein), ö0,000 Nationen Hen,
kwO Kilo Hafer, 20 Centner Tabak. — Diese Brandschatzung, welche, nachdem
die Stadt durch die massenhaften Ungarischen und Russischen Truppenzüge so sehr
erschöpft wurde, im eigentlichen Sinne des Wortes unaufbringbar war, sollte bis
morgen früh 8 Uhr vollständig entrichtet werden, widrigen Falls die ganze Stadt
geplündert würde. — Ein bedeutender Theil dieser Brandschatzung wurde noch
M selben Tage abgeliefert, und es eilten einige Bürger zu General Grabbe, um
bei ihm Gnade'für die Stadt Losoncz zu erflehen; diese mußten durch ein Rus¬
sisches Lager gehen, welches auf deu Wiesen zwischen Losoncz und Apatsalva
campirte. Diese wollten sie nicht durchlassen, spuckten ihnen ins Gesicht, und
drohten ihnen mit dem Tode; endlich gelang es ihnen, zum Oberst Nadde zu
gelangen, der sie mit fürchterlichem Zorn empfing, ihnen aber endlich doch Gnade
versprach. Aber dieses Versprechen blieb unerfüllt; noch am nämlichen Tage gegen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/455>, abgerufen am 04.07.2024.