Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

alle dazu bei, den Gemeingeist zu wecken, und alle Tagesfragen vor das Forum
der öffentlichen Meinung zu führen, der sich in letzter Zeit selbst die Konservativen
zu huldigen genöthigt sahen. --

So war es in den meisten Mittelstädten Ungarns, und so war es in Losoncz,
>vo auch die protestantische Hochschule nicht wenig dazu beitrug, das Streben nach
politischer Freiheit und nationaler Einheit allgemein zu machen. -- So traf das
Jahr 1848 Losoncz mit seinen 4000, der Mehrheit nach protestantischen, wohlhabenden
und fleißigen Einwohnern. -- Die Märzereignisse machten auf diese, wie aus
den größten Theil der übrigen Ungarischen Städte, einen höchst belebenden Ein¬
druck, und die vom König sanctivnirten neuen Gesetze wurden mit Begeisterung
aufgenommen. Es wurden diesen gemäß die Gemeindeordnung modificirt, neue
Magistrate gewählt, die Nationalgarde cvnscribirt und mit Eifer eingeübt, und
als später die Werbung und Recrutirung begann, eilte auch Losoncz, dem be¬
drängten Vaterlande sein Contingent darzubringen; doch wurde die Ruhe nicht
im Geringsten gestört, und das Gesetz überall in Ehren gehalten. -- Das Jahr
1848 lies ferner ohne bedeutendes Ereignis) sür diese Stadt ab; allein mit dem
Einzuge der Oestreicher uuter Windischgrätz in Pesth im Januar 1849 wurde diese
Gegend und auch Losoncz selbst der Schauplatz häufiger Truppenmärsche, die von
beiden Seiten, bald nach erfochtenen Siegen, bald nach erlittenen Niederlage",
erfolgten, was sür die patriotischen Einwohner nach jeder Seite hin ein gefähr¬
licher Umstand war. -- Baron MaMnhi, der zum kaiserlichen Regierungs-
cvmmissair des Neograder Comitats ernannt wurde, schickte dem Magistrat den
Befehl zu, in eoiPvi-e mit dem städtischen Siegel bei ihm zu erscheinen, um der
kaiserlichen Regierung die Huldigung zu leisten. -- Am 13. Februar rückte die
kaiserliche Brigade Parrot in Losoucz ein, und wurde, trotzdem, daß die Stadt
von dieser Truppeneinquartierung nicht unterrichtet war, von den Eiiiwohuern g"t
verpflegt. Am 27. wurde die kaiserliche Fahne aufgesteckt. In jener Zeit bildete
Neograd den letzten Posten im Nordost, den die Kaiserlichen inne hatten, denn
in Gömör streiften Ungarische Truppen und eine bedeutende Anzahl Pesther
Guerilla umher. Diese Letztern waren es besonders, welche der Stadt Losoncz,
in ihrer Meinung vielleicht unwillkürlich, ihr heutiges Unglück bereiteten. --
-15. März 1849 gegen Abend erschienen nämlich mehrere unbekannte Individuen
in verschiedener Verkleidung in der Stadt, eilten nach den Thürmen, rissen unter
großem Lärm die an denselben aufgesteckten kaiserlichen Fahnen herab, zogen "ut
Mustk durch die Straßen und verschwanden. Ueber dieses Ereigniß forderte der
städtische Magistrat selbst den Bezirksstuhlrichter aus, eine Untersuchung vorzu¬
nehmen, -- aber eben als dieser mit der Untersuchung beschäftigt war, erschienen
wieder gegen 40 fremde Männer mit Bayonncttgewehrcu, welche sich für Pesther
Guerilla ausgaben. Angst und Verwirrung verbreitete sich über die ganze


alle dazu bei, den Gemeingeist zu wecken, und alle Tagesfragen vor das Forum
der öffentlichen Meinung zu führen, der sich in letzter Zeit selbst die Konservativen
zu huldigen genöthigt sahen. —

So war es in den meisten Mittelstädten Ungarns, und so war es in Losoncz,
>vo auch die protestantische Hochschule nicht wenig dazu beitrug, das Streben nach
politischer Freiheit und nationaler Einheit allgemein zu machen. — So traf das
Jahr 1848 Losoncz mit seinen 4000, der Mehrheit nach protestantischen, wohlhabenden
und fleißigen Einwohnern. — Die Märzereignisse machten auf diese, wie aus
den größten Theil der übrigen Ungarischen Städte, einen höchst belebenden Ein¬
druck, und die vom König sanctivnirten neuen Gesetze wurden mit Begeisterung
aufgenommen. Es wurden diesen gemäß die Gemeindeordnung modificirt, neue
Magistrate gewählt, die Nationalgarde cvnscribirt und mit Eifer eingeübt, und
als später die Werbung und Recrutirung begann, eilte auch Losoncz, dem be¬
drängten Vaterlande sein Contingent darzubringen; doch wurde die Ruhe nicht
im Geringsten gestört, und das Gesetz überall in Ehren gehalten. — Das Jahr
1848 lies ferner ohne bedeutendes Ereignis) sür diese Stadt ab; allein mit dem
Einzuge der Oestreicher uuter Windischgrätz in Pesth im Januar 1849 wurde diese
Gegend und auch Losoncz selbst der Schauplatz häufiger Truppenmärsche, die von
beiden Seiten, bald nach erfochtenen Siegen, bald nach erlittenen Niederlage»,
erfolgten, was sür die patriotischen Einwohner nach jeder Seite hin ein gefähr¬
licher Umstand war. — Baron MaMnhi, der zum kaiserlichen Regierungs-
cvmmissair des Neograder Comitats ernannt wurde, schickte dem Magistrat den
Befehl zu, in eoiPvi-e mit dem städtischen Siegel bei ihm zu erscheinen, um der
kaiserlichen Regierung die Huldigung zu leisten. — Am 13. Februar rückte die
kaiserliche Brigade Parrot in Losoucz ein, und wurde, trotzdem, daß die Stadt
von dieser Truppeneinquartierung nicht unterrichtet war, von den Eiiiwohuern g"t
verpflegt. Am 27. wurde die kaiserliche Fahne aufgesteckt. In jener Zeit bildete
Neograd den letzten Posten im Nordost, den die Kaiserlichen inne hatten, denn
in Gömör streiften Ungarische Truppen und eine bedeutende Anzahl Pesther
Guerilla umher. Diese Letztern waren es besonders, welche der Stadt Losoncz,
in ihrer Meinung vielleicht unwillkürlich, ihr heutiges Unglück bereiteten. —
-15. März 1849 gegen Abend erschienen nämlich mehrere unbekannte Individuen
in verschiedener Verkleidung in der Stadt, eilten nach den Thürmen, rissen unter
großem Lärm die an denselben aufgesteckten kaiserlichen Fahnen herab, zogen »ut
Mustk durch die Straßen und verschwanden. Ueber dieses Ereigniß forderte der
städtische Magistrat selbst den Bezirksstuhlrichter aus, eine Untersuchung vorzu¬
nehmen, — aber eben als dieser mit der Untersuchung beschäftigt war, erschienen
wieder gegen 40 fremde Männer mit Bayonncttgewehrcu, welche sich für Pesther
Guerilla ausgaben. Angst und Verwirrung verbreitete sich über die ganze


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0452" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280539"/>
          <p xml:id="ID_1199" prev="#ID_1198"> alle dazu bei, den Gemeingeist zu wecken, und alle Tagesfragen vor das Forum<lb/>
der öffentlichen Meinung zu führen, der sich in letzter Zeit selbst die Konservativen<lb/>
zu huldigen genöthigt sahen. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1200" next="#ID_1201"> So war es in den meisten Mittelstädten Ungarns, und so war es in Losoncz,<lb/>
&gt;vo auch die protestantische Hochschule nicht wenig dazu beitrug, das Streben nach<lb/>
politischer Freiheit und nationaler Einheit allgemein zu machen. &#x2014; So traf das<lb/>
Jahr 1848 Losoncz mit seinen 4000, der Mehrheit nach protestantischen, wohlhabenden<lb/>
und fleißigen Einwohnern. &#x2014; Die Märzereignisse machten auf diese, wie aus<lb/>
den größten Theil der übrigen Ungarischen Städte, einen höchst belebenden Ein¬<lb/>
druck, und die vom König sanctivnirten neuen Gesetze wurden mit Begeisterung<lb/>
aufgenommen. Es wurden diesen gemäß die Gemeindeordnung modificirt, neue<lb/>
Magistrate gewählt, die Nationalgarde cvnscribirt und mit Eifer eingeübt, und<lb/>
als später die Werbung und Recrutirung begann, eilte auch Losoncz, dem be¬<lb/>
drängten Vaterlande sein Contingent darzubringen; doch wurde die Ruhe nicht<lb/>
im Geringsten gestört, und das Gesetz überall in Ehren gehalten. &#x2014; Das Jahr<lb/>
1848 lies ferner ohne bedeutendes Ereignis) sür diese Stadt ab; allein mit dem<lb/>
Einzuge der Oestreicher uuter Windischgrätz in Pesth im Januar 1849 wurde diese<lb/>
Gegend und auch Losoncz selbst der Schauplatz häufiger Truppenmärsche, die von<lb/>
beiden Seiten, bald nach erfochtenen Siegen, bald nach erlittenen Niederlage»,<lb/>
erfolgten, was sür die patriotischen Einwohner nach jeder Seite hin ein gefähr¬<lb/>
licher Umstand war. &#x2014; Baron MaMnhi, der zum kaiserlichen Regierungs-<lb/>
cvmmissair des Neograder Comitats ernannt wurde, schickte dem Magistrat den<lb/>
Befehl zu, in eoiPvi-e mit dem städtischen Siegel bei ihm zu erscheinen, um der<lb/>
kaiserlichen Regierung die Huldigung zu leisten. &#x2014; Am 13. Februar rückte die<lb/>
kaiserliche Brigade Parrot in Losoucz ein, und wurde, trotzdem, daß die Stadt<lb/>
von dieser Truppeneinquartierung nicht unterrichtet war, von den Eiiiwohuern g"t<lb/>
verpflegt. Am 27. wurde die kaiserliche Fahne aufgesteckt. In jener Zeit bildete<lb/>
Neograd den letzten Posten im Nordost, den die Kaiserlichen inne hatten, denn<lb/>
in Gömör streiften Ungarische Truppen und eine bedeutende Anzahl Pesther<lb/>
Guerilla umher. Diese Letztern waren es besonders, welche der Stadt Losoncz,<lb/>
in ihrer Meinung vielleicht unwillkürlich, ihr heutiges Unglück bereiteten. &#x2014;<lb/>
-15. März 1849 gegen Abend erschienen nämlich mehrere unbekannte Individuen<lb/>
in verschiedener Verkleidung in der Stadt, eilten nach den Thürmen, rissen unter<lb/>
großem Lärm die an denselben aufgesteckten kaiserlichen Fahnen herab, zogen »ut<lb/>
Mustk durch die Straßen und verschwanden. Ueber dieses Ereigniß forderte der<lb/>
städtische Magistrat selbst den Bezirksstuhlrichter aus, eine Untersuchung vorzu¬<lb/>
nehmen, &#x2014; aber eben als dieser mit der Untersuchung beschäftigt war, erschienen<lb/>
wieder gegen 40 fremde Männer mit Bayonncttgewehrcu, welche sich für Pesther<lb/>
Guerilla ausgaben.  Angst und Verwirrung verbreitete sich über die ganze</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0452] alle dazu bei, den Gemeingeist zu wecken, und alle Tagesfragen vor das Forum der öffentlichen Meinung zu führen, der sich in letzter Zeit selbst die Konservativen zu huldigen genöthigt sahen. — So war es in den meisten Mittelstädten Ungarns, und so war es in Losoncz, >vo auch die protestantische Hochschule nicht wenig dazu beitrug, das Streben nach politischer Freiheit und nationaler Einheit allgemein zu machen. — So traf das Jahr 1848 Losoncz mit seinen 4000, der Mehrheit nach protestantischen, wohlhabenden und fleißigen Einwohnern. — Die Märzereignisse machten auf diese, wie aus den größten Theil der übrigen Ungarischen Städte, einen höchst belebenden Ein¬ druck, und die vom König sanctivnirten neuen Gesetze wurden mit Begeisterung aufgenommen. Es wurden diesen gemäß die Gemeindeordnung modificirt, neue Magistrate gewählt, die Nationalgarde cvnscribirt und mit Eifer eingeübt, und als später die Werbung und Recrutirung begann, eilte auch Losoncz, dem be¬ drängten Vaterlande sein Contingent darzubringen; doch wurde die Ruhe nicht im Geringsten gestört, und das Gesetz überall in Ehren gehalten. — Das Jahr 1848 lies ferner ohne bedeutendes Ereignis) sür diese Stadt ab; allein mit dem Einzuge der Oestreicher uuter Windischgrätz in Pesth im Januar 1849 wurde diese Gegend und auch Losoncz selbst der Schauplatz häufiger Truppenmärsche, die von beiden Seiten, bald nach erfochtenen Siegen, bald nach erlittenen Niederlage», erfolgten, was sür die patriotischen Einwohner nach jeder Seite hin ein gefähr¬ licher Umstand war. — Baron MaMnhi, der zum kaiserlichen Regierungs- cvmmissair des Neograder Comitats ernannt wurde, schickte dem Magistrat den Befehl zu, in eoiPvi-e mit dem städtischen Siegel bei ihm zu erscheinen, um der kaiserlichen Regierung die Huldigung zu leisten. — Am 13. Februar rückte die kaiserliche Brigade Parrot in Losoucz ein, und wurde, trotzdem, daß die Stadt von dieser Truppeneinquartierung nicht unterrichtet war, von den Eiiiwohuern g"t verpflegt. Am 27. wurde die kaiserliche Fahne aufgesteckt. In jener Zeit bildete Neograd den letzten Posten im Nordost, den die Kaiserlichen inne hatten, denn in Gömör streiften Ungarische Truppen und eine bedeutende Anzahl Pesther Guerilla umher. Diese Letztern waren es besonders, welche der Stadt Losoncz, in ihrer Meinung vielleicht unwillkürlich, ihr heutiges Unglück bereiteten. — -15. März 1849 gegen Abend erschienen nämlich mehrere unbekannte Individuen in verschiedener Verkleidung in der Stadt, eilten nach den Thürmen, rissen unter großem Lärm die an denselben aufgesteckten kaiserlichen Fahnen herab, zogen »ut Mustk durch die Straßen und verschwanden. Ueber dieses Ereigniß forderte der städtische Magistrat selbst den Bezirksstuhlrichter aus, eine Untersuchung vorzu¬ nehmen, — aber eben als dieser mit der Untersuchung beschäftigt war, erschienen wieder gegen 40 fremde Männer mit Bayonncttgewehrcu, welche sich für Pesther Guerilla ausgaben. Angst und Verwirrung verbreitete sich über die ganze

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/452
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/452>, abgerufen am 04.07.2024.