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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Censnrcommissivn, zweitens, in Rücksicht aus die Schauwürdigkeit, vor das Amt
des Polizeimeisters. Diese beiden Aemter wollen von dem Künstler gut beschenkt
sein, wenn seine Angelegenheit befördert werden soll. Hat er endlich die Erlaubniß
zu seinem Auftreten erlangt, so wird ihm a) der Preis der Billets vorgeschrieben;
d) er wird bei Strafe verpflichtet, dem Cirkelcommissair die Zeit der Darstellung
anzuzeigen, und Demselben für seine polizeiliche Beaufsichtigung ein Honorar zu
zahlen; o) die Kasse wird unter Controle zweier Polizeipersonen gestellt, welche,
wenn sie nicht Niederträchtigkeiten ausüben sollen, auch beschenkt werden müssen;
ä) der neunte Theil des Reinertrags muß unverweilt diesen beiden Beamten
übergeben werden, und geht den kaiserlichen Theatern zu Gute; o) drei Procent
von der Gesammteinnahme müssen dem beiwohnenden Cirkelcommissair übergeben
werden, und gehen dem Mnnicipalgericht (liassx WvMiit^) zu Gute; endlich k)
müssen 6 Groschen vom Silberrubel für die Armen der Stadt abgegeben werden.
So drückende Bedingungen werden aber nnr den fremden reisenden Künstlern,
aus Scheu vor dem ausländischen Gifte, welches sie mit ins Land bringen, ge¬
stellt; die Tanzschulunternehmer zahlen Nichts weiter als ihre Steuer und den
Tribut, den die Beamten von jedem Geschäftsmanne erzwingen. Die öffentlichen
Tanzinstitnte sehen Freudenhäusern sprechend ähnlich. Die Tänzerinnen, die meist
schon anderwärts gewesen find, wohnen in dein Hanse. Die "Eleven" abonniren
mit einem ziemlich hohen Preise monatlich ans den Besuch des Institutes und
was dazu gehört. Die Meisten studiren nie ans, d. h. sie bleiben immer Be¬
sucher des Institutes, oder wenigstens so lange, als ihre Geldmittel es erlauben.
Man findet uuter thuen ziemlich gealterte Herren, und selbst angesehene Russische
Stabsofficiere.

Die eigentliche Kunst erfreut sich nicht der gleichen Begünstigung. Der frü¬
here Chef des Paßbureau's, Hr. v. S., dem man bis 1848 alljährlich diejenigen
Deutschen Badeorte besuchen gesehen, nach welchen Russische Pässe gefordert und
gegeben worden waren, sagte zu seinem Schwager, einem jungen Berliner Maler,
als er nach Warschau kam, um sich da anzusiedeln: ,,Man liebt hier die Maler
nicht, deun sie find abnorme Geister." In den Kunstansstellungen, von der ersten
im Jahre -I8i0 bis zu der jüngsten, war es verboten, historische Gemälde auf¬
zustellen. Das Verbot aus Polnische historische Gemälde zu beschränken, hätte die
politische Engherzigkeit zu sehr durchblicken lassen, also dehnte man es auf alle
historischen Gemälde ans, und so fand man ans der Ausstellung Nichts weiter als
Portraits. Später ging mau sogar damit um, die Kunstausstellung ganz M be-
seitigen und nur die Gewerbeauöstelluug noch fortbestehen zu lassen.




Censnrcommissivn, zweitens, in Rücksicht aus die Schauwürdigkeit, vor das Amt
des Polizeimeisters. Diese beiden Aemter wollen von dem Künstler gut beschenkt
sein, wenn seine Angelegenheit befördert werden soll. Hat er endlich die Erlaubniß
zu seinem Auftreten erlangt, so wird ihm a) der Preis der Billets vorgeschrieben;
d) er wird bei Strafe verpflichtet, dem Cirkelcommissair die Zeit der Darstellung
anzuzeigen, und Demselben für seine polizeiliche Beaufsichtigung ein Honorar zu
zahlen; o) die Kasse wird unter Controle zweier Polizeipersonen gestellt, welche,
wenn sie nicht Niederträchtigkeiten ausüben sollen, auch beschenkt werden müssen;
ä) der neunte Theil des Reinertrags muß unverweilt diesen beiden Beamten
übergeben werden, und geht den kaiserlichen Theatern zu Gute; o) drei Procent
von der Gesammteinnahme müssen dem beiwohnenden Cirkelcommissair übergeben
werden, und gehen dem Mnnicipalgericht (liassx WvMiit^) zu Gute; endlich k)
müssen 6 Groschen vom Silberrubel für die Armen der Stadt abgegeben werden.
So drückende Bedingungen werden aber nnr den fremden reisenden Künstlern,
aus Scheu vor dem ausländischen Gifte, welches sie mit ins Land bringen, ge¬
stellt; die Tanzschulunternehmer zahlen Nichts weiter als ihre Steuer und den
Tribut, den die Beamten von jedem Geschäftsmanne erzwingen. Die öffentlichen
Tanzinstitnte sehen Freudenhäusern sprechend ähnlich. Die Tänzerinnen, die meist
schon anderwärts gewesen find, wohnen in dein Hanse. Die „Eleven" abonniren
mit einem ziemlich hohen Preise monatlich ans den Besuch des Institutes und
was dazu gehört. Die Meisten studiren nie ans, d. h. sie bleiben immer Be¬
sucher des Institutes, oder wenigstens so lange, als ihre Geldmittel es erlauben.
Man findet uuter thuen ziemlich gealterte Herren, und selbst angesehene Russische
Stabsofficiere.

Die eigentliche Kunst erfreut sich nicht der gleichen Begünstigung. Der frü¬
here Chef des Paßbureau's, Hr. v. S., dem man bis 1848 alljährlich diejenigen
Deutschen Badeorte besuchen gesehen, nach welchen Russische Pässe gefordert und
gegeben worden waren, sagte zu seinem Schwager, einem jungen Berliner Maler,
als er nach Warschau kam, um sich da anzusiedeln: ,,Man liebt hier die Maler
nicht, deun sie find abnorme Geister." In den Kunstansstellungen, von der ersten
im Jahre -I8i0 bis zu der jüngsten, war es verboten, historische Gemälde auf¬
zustellen. Das Verbot aus Polnische historische Gemälde zu beschränken, hätte die
politische Engherzigkeit zu sehr durchblicken lassen, also dehnte man es auf alle
historischen Gemälde ans, und so fand man ans der Ausstellung Nichts weiter als
Portraits. Später ging mau sogar damit um, die Kunstausstellung ganz M be-
seitigen und nur die Gewerbeauöstelluug noch fortbestehen zu lassen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/428>, abgerufen am 30.06.2024.