Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.Jemanden, dem Etwas zu lehren wäre. Die Polnischen Edelleute haben die Es ist ein eigenthümliches Verhältniß, in welchem sich der Polnische Adel Nebngens nimmt man es bei dieser Akademie nicht so ungenau mit der Grenzboten, Hi. ^3
Jemanden, dem Etwas zu lehren wäre. Die Polnischen Edelleute haben die Es ist ein eigenthümliches Verhältniß, in welchem sich der Polnische Adel Nebngens nimmt man es bei dieser Akademie nicht so ungenau mit der Grenzboten, Hi. ^3
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Jemanden, dem Etwas zu lehren wäre. Die Polnischen Edelleute haben die
Berechtigung, ihre Söhne hiueinzuschickeu, allein sie thun es nicht, und wollten sie
es thun, so würde ihnen die Regierung so viel Schwierigkeiten als möglich
machen. — So ist diese Anstalt gegenwärtig Nichts Mehr als ein sehr schlecht
frequentirtes Russisches Militairpädagogium, mit der Eigenthümlichkeit, daß es
l'el Polnischen Zöglingen Adel zur Bedingung macht, bei Jünglingen Russischer
und anderer Geburt darnach aber gar nicht fragt. Es sind nur einige wenige
Russische Beamte, welche ihre Söhne auf diese Anstalt schicken. Vermögende
Russen schicken die Ihrigen ohne Ausnahme auf die Anstalten Rußlands, und
dieselben sind dann für ihre Zukunft ungleich'besser empfohlen. Als der unlängst
verstorbene Leibarzt des Fürsten PaSkiewitsch seine Söhne auf die Kalische Anstalt
bringen wollte, und seine Sorge wegen seiner Adellvsigkeit aussprach, äußerte der
Vicedirector: „Da Sie ein Deutscher sind, so ist das ziemlich so gut, als ob Sie
ein Russe wären; wir können ja Ihren Sohn aber auch so einschreiben, als ob
er adeligen Standes wäre."
Es ist ein eigenthümliches Verhältniß, in welchem sich der Polnische Adel
befindet. Die Regierung erklärt ihn militairpflicbtig, aber sie mag nicht, daß er
sich militairisch tüchtige; sie gesteht ihm das Recht des Avancements zu, aber sie
scheut Nichts so sehr, als Officiere Polnischer Herkunft in ihrer Armee. Sie
bietet ihm sogar Gelegenheit, sich dem Dienst zu entziehen. Die landwirthschast-
Uche Akademie in Marymont bei Warschau ist eins der Mittel. Es besteht
"ehmlich seit einigen Jahren die Verordnung, daß jeder Edelmann, welcher die
Akademie in Marymont bezieht, und ihren dreijährigen Cursus durchmacht, vom
Militärdienst befreiet ist. Natürlich ist der Zudrang ungeheuer geworden. Die
Frequenz hat sich seit wenigstens vervierfacht, und mau kann die Akademie
die blühendste Anstalt des Landes nennen. Die Regierung hat ihr bedeutende
Landerflächen eingeräumt, die aber leider hinsichtlich der Bodenqnalität für eine
landwirthschaftliche Lehranstalt zu gleichartig send. Die Gärtnerei, welche der
Unterricht erfordert, verursacht eiuen Kostenaufwand von jährlich 10,000 Gulden.
Ungleich größere Summen werden aus die Maschinerien, das physikalische und
chemische Cabinet, die Bibliothek, die landwirtschaftlichen Mustcrmaschiucn, und die
Modellirnng landwirtschaftlicher Fabriken verwendet. Die Ausstattung der An-
iWt ist wirklich über alle Maßen reich und glänzend. Auch die Polnischen Edel¬
leute, die sie für ein ausschließliches Besitzthum ihres Standes betrachten, thun
fiir sie, und einige haben ihr sogar Vermächtnisse zu Theil werden lassen.
Am Meisteii hat für sie ein Graf Aszarowski gethan. Da er sich dnrch politische
F«rde bei seinen Landsleuten nicht in Ansehen zu scheu vermocht oder gemocht,
s" hat er es durch die Landwirthschaft versucht, und es ist ihm gelungen. Er
Nile für Polens erstell Landwirth, und seine Güter für Musterwirtschaften.
Nebngens nimmt man es bei dieser Akademie nicht so ungenau mit der
Grenzboten, Hi. ^3
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