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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Orchestcrpnblicnmö die Oberhand behält? Woher diese literarische Wuth der
iuo IgMoM und der rue Vivivnnv? Ist el" neuer Klavicrvirtuvs am hiesigen
Künstlerhorizonte erschienen, oder hat uns irgend ein exotisches Land eine exotische
Wade geschickt, welche ans dem sentimentalen Theater der Herzogin von Berry
die Lorgnetten der Bankvt'ratie beschäftigt? Hat sich die Börsenwelt in der Thür
getäuscht und ist ins Gymnase gekommen statt ins VarK-to zu gehen, wo die
Chinesischen Gaukler ihre Vorstellungen geben? Oder galt dieser Besuch den
"sieben Schlössern des Teufel's" der GaiK-, um zu sehen, ob sich mit dem
reichen Herrn nicht ein Geschäftchen machen läßt? Mein Gott, nein, die Wall¬
fahrt der modernen Tempelritter des -,le"nun klawen-Ordens ist diesmal dem
Gymnase gemeint, jenem Lieblingsschauspielhause des Spießbürgerthnms, das
gewiß noch einmal den Mx Nuntl^.in davon tagt, so viel Tugend consumirt
er. Unsre Financiers gehen bei Balzac's "Mercadet" in die Schule. Anfangs
sträubten sie sich gegen deu unbequemen Spiegel, sie schrien über Verrath, und
L<zon Faucher, der deu Machthaber" unsrer modernen Gesellschaft gern einen
Liebesdienst erwiesen hätte, ließ das bereits von der Censur erlaubte Stück
wieder ins Ministerium des Innern bringen, "in es gänzlich zu verbieten oder
doch neuerdings zu ccnsnriren. Zum Verbote hatte er deu Muth uicht, aber
seine Schere überließ sich einer lobenswerthen Thätigkeit, und es wurden wenig-
, seems die ärgsten Ketzereien gegen die Plntokratie weggeschafft. Die Börse fügte
sich mit Resignation in das Unvermeidliche, und schickte blos dein abwesenden
Finanzminister Fould einige Stoßseufzer uach. "Der ist einer von unsern Leute,,,
der würde es anders gemacht haben, aber da Mercadet nun einmal am Leben
bleibt, sehen wir uns wenigstens dieses Ideal der speculativ.n in der Nähe a",
mau kaiin nicht wissen wozu das gut ist." Daher 'die Invasion des Gymnase
durch die Jünger Rothschilds.

Der arme Balzac, so lange er lebte, konnte er es z" keinem.dramatischen
Erfolge bringen; bald war es die Polizei, bald war es sein eigenes analytisches
Genie, das ihn verhinderte ans der Buhne durchzudringen. Nur erst nach seinen,
Tode und mit der Beihilfe eines geschickte" Arrangeurs, eines unsrer fruchtbaren
Baudeville-Fabrikanten, wird ihm Gerechtigkeit widerfahren, doch, wie der Leser
steht, ist es auch diesmal uicht die Schuld der Polizei.

Mercadet wurde schon im Jahre 1840 geschrieben., zu einer Zeit, wo
Ludwig Philipp's Regierung in voller Blüthe stand, und wo Frankreich nur
Börscspcculatioueu athmete. Balzac wollte blos ein Gelegenheitsstück schreiben,
"ber unter seiner Feder ward die Caricatur des Momentes zum Typus, und
heute "och "ach ^öls Jahre,, scheu wir die vorübergehende Schöpfung des
Meisters mit demselben Interesse an. mit dem es zur Zeit jeuer allgemeinen
Schwindeleien der Fall gewesen wäre, welche dem Faiseur von Balzac zur
Tanfpathin diente. Balzac, der trotz seiner absolutistische,, Grundsätze, welche


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Orchestcrpnblicnmö die Oberhand behält? Woher diese literarische Wuth der
iuo IgMoM und der rue Vivivnnv? Ist el» neuer Klavicrvirtuvs am hiesigen
Künstlerhorizonte erschienen, oder hat uns irgend ein exotisches Land eine exotische
Wade geschickt, welche ans dem sentimentalen Theater der Herzogin von Berry
die Lorgnetten der Bankvt'ratie beschäftigt? Hat sich die Börsenwelt in der Thür
getäuscht und ist ins Gymnase gekommen statt ins VarK-to zu gehen, wo die
Chinesischen Gaukler ihre Vorstellungen geben? Oder galt dieser Besuch den
„sieben Schlössern des Teufel's" der GaiK-, um zu sehen, ob sich mit dem
reichen Herrn nicht ein Geschäftchen machen läßt? Mein Gott, nein, die Wall¬
fahrt der modernen Tempelritter des -,le»nun klawen-Ordens ist diesmal dem
Gymnase gemeint, jenem Lieblingsschauspielhause des Spießbürgerthnms, das
gewiß noch einmal den Mx Nuntl^.in davon tagt, so viel Tugend consumirt
er. Unsre Financiers gehen bei Balzac's „Mercadet" in die Schule. Anfangs
sträubten sie sich gegen deu unbequemen Spiegel, sie schrien über Verrath, und
L<zon Faucher, der deu Machthaber» unsrer modernen Gesellschaft gern einen
Liebesdienst erwiesen hätte, ließ das bereits von der Censur erlaubte Stück
wieder ins Ministerium des Innern bringen, »in es gänzlich zu verbieten oder
doch neuerdings zu ccnsnriren. Zum Verbote hatte er deu Muth uicht, aber
seine Schere überließ sich einer lobenswerthen Thätigkeit, und es wurden wenig-
, seems die ärgsten Ketzereien gegen die Plntokratie weggeschafft. Die Börse fügte
sich mit Resignation in das Unvermeidliche, und schickte blos dein abwesenden
Finanzminister Fould einige Stoßseufzer uach. „Der ist einer von unsern Leute,,,
der würde es anders gemacht haben, aber da Mercadet nun einmal am Leben
bleibt, sehen wir uns wenigstens dieses Ideal der speculativ.n in der Nähe a»,
mau kaiin nicht wissen wozu das gut ist." Daher 'die Invasion des Gymnase
durch die Jünger Rothschilds.

Der arme Balzac, so lange er lebte, konnte er es z» keinem.dramatischen
Erfolge bringen; bald war es die Polizei, bald war es sein eigenes analytisches
Genie, das ihn verhinderte ans der Buhne durchzudringen. Nur erst nach seinen,
Tode und mit der Beihilfe eines geschickte» Arrangeurs, eines unsrer fruchtbaren
Baudeville-Fabrikanten, wird ihm Gerechtigkeit widerfahren, doch, wie der Leser
steht, ist es auch diesmal uicht die Schuld der Polizei.

Mercadet wurde schon im Jahre 1840 geschrieben., zu einer Zeit, wo
Ludwig Philipp's Regierung in voller Blüthe stand, und wo Frankreich nur
Börscspcculatioueu athmete. Balzac wollte blos ein Gelegenheitsstück schreiben,
"ber unter seiner Feder ward die Caricatur des Momentes zum Typus, und
heute »och „ach ^öls Jahre,, scheu wir die vorübergehende Schöpfung des
Meisters mit demselben Interesse an. mit dem es zur Zeit jeuer allgemeinen
Schwindeleien der Fall gewesen wäre, welche dem Faiseur von Balzac zur
Tanfpathin diente. Balzac, der trotz seiner absolutistische,, Grundsätze, welche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/419>, abgerufen am 30.06.2024.