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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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deutlich hätte zwischen ungezählten Gelde stehen lassen können, so wußte er doch
mit vieler Schlauheit und Gewandtheit jede Gelegenheit zu benutzen, um ein
Paar Hafcrgarbeu oder tüchtige Brodschnitte heimlich für seine Pferde ans die
Seite zu bringen. Auch in allen Arbeiten und ländlichen Belustigungen, wie sie
im Leben eines Großknechts vorkommen, suchte er seinen Meister. Wie siel der
Weizen unter dem gewaltigen Schwunge seiner Sense, wenn die Liesch hinter
ihm herband; -- kaum daß die andern Mäher zu folgen vermochten. Beim Ein¬
fahren da stackte er die schweren Garben so nur mit einer Hand aus das hohe
Fuder, und uoch nie hatte" sich bei ihm die Mädchen oben ans dem Fuder die
Hände an deu Forkenspitzen verletzt, wie es bisweilen ans Ungeschicklichkeit der
aufflackerten Knechte wol vorkommt. Beim "Trüudelspähl" des Sonntags Nach¬
mittags mußte mau ihn sehen. Mit welcher Gewalt sauste der schwere eichene
Tründel durch die Luft, wenn Jochen ihn warf, so daß Keiner der Gegend ihn
aufhalten konnte; wie geschickt wußte er derselbe" aber mit seiner langen Stange
umzuschlagen, wenn die Gegenpartei am Wurfe war. Die Seite, bei der Jochen
stand, wurde selten zum Dorfe hinaus gedrängt. Und hatte doch neulich der
"Mnskant" im "Kroog" (Wirthshaus) laut gesagt, so schön wie von Jochen
habe er den "Küssedauz" noch nie tanzen sehe", "ut der mußte dies doch wissen,
denn seit 23 Jahre" war er bei alle" Musiken im ganzen Lande. Betrunken
war der Jochen nie, selbst wenn er vom Jahrmarkt nach Hause ging, wo doch
fast die meisten Knechte "Einen gefaßt hatten". Er trank zwar auch seinen
Schnaps, wie es einem ordentliche" Knechte zukommt, aber Der sollte im ganze"
Dorfe noch kommen, der den Jochen je besoffen gesehen hätte. Und auch vo"
den andern "Schelmenstücke"", wie die Knechte sie oft in de" langen Winternächten
verübten, hielt er sich fern, und noch nie hatte er aufs Amt gemußt. Von Nachts
Zu den Mädchen gehen und von Kartenspielen im Kruge war gar keine Rede.
Wenn er sich ein Paar Schillinge vom Lohn ersparen konnte, gab er sie der
Mutter, daß diese sich etwas Cichorie dafür laufen, und sich so einen Topf Nach-
nnttags-Kaffee kochen konnte, welcher der alten Fran so gut schmeckte. Alle diese
vielen guten Eigenschaften des Jochen hatten auch schon den "Eddelmann" ans
dem benachbarten Hose bewogen, demselben die Stelle eines Kutschers anbieten
"u lassen. So ein Kutscher aus dem Hofe ist doch gleich ein ganz anderer Kerl,
als ein Knecht beim Bauer. Wie schön hätten dem Jochen gewiß der feine blane
Rock mit den blanken Wappe"k"öpfeu, und die rothe Scharlachweste, und die
engen weißen Lederhosen, und die blanken Stulpstiefel" mit deu blitzende" Spornen
und der runde Hut mit der funkelnden breiten Gvldlitze und der bunten Cocarde
Wanden. Und nun gar die Pferde. Es ist wahr, des Schulzen Braunen
waren nicht schlecht, aber gegen die i Kntschschimmel ans den, Hofe kamen sie doch
uicht auf, die wären für den Großherzog selbst "icht zu schlecht gewese". Dazu
gab der Gutsherr seinem Kutscher außer der Livree AK Thaler jährlichen Lohn,


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deutlich hätte zwischen ungezählten Gelde stehen lassen können, so wußte er doch
mit vieler Schlauheit und Gewandtheit jede Gelegenheit zu benutzen, um ein
Paar Hafcrgarbeu oder tüchtige Brodschnitte heimlich für seine Pferde ans die
Seite zu bringen. Auch in allen Arbeiten und ländlichen Belustigungen, wie sie
im Leben eines Großknechts vorkommen, suchte er seinen Meister. Wie siel der
Weizen unter dem gewaltigen Schwunge seiner Sense, wenn die Liesch hinter
ihm herband; — kaum daß die andern Mäher zu folgen vermochten. Beim Ein¬
fahren da stackte er die schweren Garben so nur mit einer Hand aus das hohe
Fuder, und uoch nie hatte» sich bei ihm die Mädchen oben ans dem Fuder die
Hände an deu Forkenspitzen verletzt, wie es bisweilen ans Ungeschicklichkeit der
aufflackerten Knechte wol vorkommt. Beim „Trüudelspähl" des Sonntags Nach¬
mittags mußte mau ihn sehen. Mit welcher Gewalt sauste der schwere eichene
Tründel durch die Luft, wenn Jochen ihn warf, so daß Keiner der Gegend ihn
aufhalten konnte; wie geschickt wußte er derselbe» aber mit seiner langen Stange
umzuschlagen, wenn die Gegenpartei am Wurfe war. Die Seite, bei der Jochen
stand, wurde selten zum Dorfe hinaus gedrängt. Und hatte doch neulich der
„Mnskant" im „Kroog" (Wirthshaus) laut gesagt, so schön wie von Jochen
habe er den „Küssedauz" noch nie tanzen sehe», »ut der mußte dies doch wissen,
denn seit 23 Jahre» war er bei alle» Musiken im ganzen Lande. Betrunken
war der Jochen nie, selbst wenn er vom Jahrmarkt nach Hause ging, wo doch
fast die meisten Knechte „Einen gefaßt hatten". Er trank zwar auch seinen
Schnaps, wie es einem ordentliche» Knechte zukommt, aber Der sollte im ganze»
Dorfe noch kommen, der den Jochen je besoffen gesehen hätte. Und auch vo»
den andern „Schelmenstücke»", wie die Knechte sie oft in de» langen Winternächten
verübten, hielt er sich fern, und noch nie hatte er aufs Amt gemußt. Von Nachts
Zu den Mädchen gehen und von Kartenspielen im Kruge war gar keine Rede.
Wenn er sich ein Paar Schillinge vom Lohn ersparen konnte, gab er sie der
Mutter, daß diese sich etwas Cichorie dafür laufen, und sich so einen Topf Nach-
nnttags-Kaffee kochen konnte, welcher der alten Fran so gut schmeckte. Alle diese
vielen guten Eigenschaften des Jochen hatten auch schon den „Eddelmann" ans
dem benachbarten Hose bewogen, demselben die Stelle eines Kutschers anbieten
»u lassen. So ein Kutscher aus dem Hofe ist doch gleich ein ganz anderer Kerl,
als ein Knecht beim Bauer. Wie schön hätten dem Jochen gewiß der feine blane
Rock mit den blanken Wappe»k»öpfeu, und die rothe Scharlachweste, und die
engen weißen Lederhosen, und die blanken Stulpstiefel» mit deu blitzende» Spornen
und der runde Hut mit der funkelnden breiten Gvldlitze und der bunten Cocarde
Wanden. Und nun gar die Pferde. Es ist wahr, des Schulzen Braunen
waren nicht schlecht, aber gegen die i Kntschschimmel ans den, Hofe kamen sie doch
uicht auf, die wären für den Großherzog selbst »icht zu schlecht gewese». Dazu
gab der Gutsherr seinem Kutscher außer der Livree AK Thaler jährlichen Lohn,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/417>, abgerufen am 30.06.2024.