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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Tisch hängen in kleinen Lederösen befestigt so viel hölzerne Löffel, als täglich Gäste
am Tisch sind. Jedes, Knecht oder Magd, hat seinen bestimmten Löffel, den es
gewöhnlich selbst ansschuilzt. Der Fußboden ist aus rothen Ziegelsteinen, die
aber von dem beständigen Schmuz eine dunkele Farbe bekommen haben, denn
die Stiefeln der Knechte werden nie, wenn sie vom Felde kommen, vorher gereinigt,
und Enten, Hühner u. s. w. laufen frei in der Stube herum. Neben dieser
Wohnstube befindet sich eine ähnliche, aber etwas kleinere Kammer, in der das
grün angestrichene breite Ehebett des Bauern, mit blankattunenen Vorhängen, und
einige große hölzerne Laden (Koffer) mit Leinenzeug und Kleidern für Fran, Mann
und Kinder stehen. Auf dem tiefsten Grunde einer dieser Laden ruht gewöhnlich
der blaue Strumpf mit harten Gnldeustücken, ja oft auch uoch ein kleiner Leder-
handel mit blanken Lvnisdors vom Pferdehandel herrührend, dann der Contract
und das Amts- nud Cvutributivnsbuch des Bauern. Sonst giebt es uoch einige
Vorrathskammern für Wolle, Eier, Butter, Aepfel u. s. w.; einen kleinen Kartoffel¬
keller'unter der Kammer der Mädchen. -- Ein spchig zülanscndes, von Alter
geschwärztes und mit Moos bewachsenes Dach reicht außen an dem einen Giebel,
wo die Einfahrt sich befindet, bis ans K Fuß vom Erdboden, nud bildet so von
Außen gesehen den Haupttheil des ganzen Gebäudes. Oben an jedem Giebel
laufen die beideu äußersten Giebelbalken noch einige Fuß darüber heraus, und
siud in Gestalt von Pferdehälsen und Köpfen ausgeschnitten. Die niedern Wände
des Hanfes sind ans Balken, zwischen denen mit Stroh umwundene und dann mit
Lehm bestrichene Staaten befestigt sind, gebildet, und einmal weiß angestrichen
gewesen. Da in dem ganzen Gek'ante nur zwei ordentliche Fenster sind, die Wände
aber einzelne Löcher enthalten, um Luft und Lichtschimmer durch zu lassen, die zuweilen
mit Strohbündeln verstopft werden, so sieht das Ganze von Außen eher einer Scheune
als einem Wohnhause ähnlich. Die Banart hat hinsichtlich der Wärme, der Füt¬
terung und Beaufsichtigung des Viehes viele Vorzüge, ist sonst aber schlecht, und
besonders feuergefährlich. Mit dem Wohnhause in gleicher Linie und eben l"
gebaut, nur etwas kleiner, liegt ein Gebäude, welches den Stall für
Schafe, Ställe für Gänse, Hühner und die Kober sür 6--10 große und kleine
Schweine, und die sogenannte "Hanskammer" enthält, in der sich der Bauer,
mit Ausnahme der eigentlichen Räder, alle seine ländlichen Werkzeuge, als Pflüge,
Wagen n. s. w. selbst verfertigt. Mit diesem Stall bildet die "Kurnschünn" einen
rechten Winkel. Nicht weit von der Scheune ragt der große Hebebalken des
"Tod" (Brunnen), an dem einen Ende der Eimer an langer Stange zum Hinab-,
senken, an der andern der schwere Stein zur Erleichterung des Heraufziehens.
Das Brunnenloch, mit einer niedern Verzäunung umgeben, ist unbedeckt, daher
Regen und sonstige Unreinlichkeiten leicht hineinkommen können. Um diesen Sod
stehen einige lange Holztrögc zum Tränken des Viehes. Der Hofplch, auf zw"
Seiten von diesen Gebäuden, aus der andern Seite von Straßen und Garten-


Tisch hängen in kleinen Lederösen befestigt so viel hölzerne Löffel, als täglich Gäste
am Tisch sind. Jedes, Knecht oder Magd, hat seinen bestimmten Löffel, den es
gewöhnlich selbst ansschuilzt. Der Fußboden ist aus rothen Ziegelsteinen, die
aber von dem beständigen Schmuz eine dunkele Farbe bekommen haben, denn
die Stiefeln der Knechte werden nie, wenn sie vom Felde kommen, vorher gereinigt,
und Enten, Hühner u. s. w. laufen frei in der Stube herum. Neben dieser
Wohnstube befindet sich eine ähnliche, aber etwas kleinere Kammer, in der das
grün angestrichene breite Ehebett des Bauern, mit blankattunenen Vorhängen, und
einige große hölzerne Laden (Koffer) mit Leinenzeug und Kleidern für Fran, Mann
und Kinder stehen. Auf dem tiefsten Grunde einer dieser Laden ruht gewöhnlich
der blaue Strumpf mit harten Gnldeustücken, ja oft auch uoch ein kleiner Leder-
handel mit blanken Lvnisdors vom Pferdehandel herrührend, dann der Contract
und das Amts- nud Cvutributivnsbuch des Bauern. Sonst giebt es uoch einige
Vorrathskammern für Wolle, Eier, Butter, Aepfel u. s. w.; einen kleinen Kartoffel¬
keller'unter der Kammer der Mädchen. — Ein spchig zülanscndes, von Alter
geschwärztes und mit Moos bewachsenes Dach reicht außen an dem einen Giebel,
wo die Einfahrt sich befindet, bis ans K Fuß vom Erdboden, nud bildet so von
Außen gesehen den Haupttheil des ganzen Gebäudes. Oben an jedem Giebel
laufen die beideu äußersten Giebelbalken noch einige Fuß darüber heraus, und
siud in Gestalt von Pferdehälsen und Köpfen ausgeschnitten. Die niedern Wände
des Hanfes sind ans Balken, zwischen denen mit Stroh umwundene und dann mit
Lehm bestrichene Staaten befestigt sind, gebildet, und einmal weiß angestrichen
gewesen. Da in dem ganzen Gek'ante nur zwei ordentliche Fenster sind, die Wände
aber einzelne Löcher enthalten, um Luft und Lichtschimmer durch zu lassen, die zuweilen
mit Strohbündeln verstopft werden, so sieht das Ganze von Außen eher einer Scheune
als einem Wohnhause ähnlich. Die Banart hat hinsichtlich der Wärme, der Füt¬
terung und Beaufsichtigung des Viehes viele Vorzüge, ist sonst aber schlecht, und
besonders feuergefährlich. Mit dem Wohnhause in gleicher Linie und eben l»
gebaut, nur etwas kleiner, liegt ein Gebäude, welches den Stall für
Schafe, Ställe für Gänse, Hühner und die Kober sür 6—10 große und kleine
Schweine, und die sogenannte „Hanskammer" enthält, in der sich der Bauer,
mit Ausnahme der eigentlichen Räder, alle seine ländlichen Werkzeuge, als Pflüge,
Wagen n. s. w. selbst verfertigt. Mit diesem Stall bildet die „Kurnschünn" einen
rechten Winkel. Nicht weit von der Scheune ragt der große Hebebalken des
„Tod" (Brunnen), an dem einen Ende der Eimer an langer Stange zum Hinab-,
senken, an der andern der schwere Stein zur Erleichterung des Heraufziehens.
Das Brunnenloch, mit einer niedern Verzäunung umgeben, ist unbedeckt, daher
Regen und sonstige Unreinlichkeiten leicht hineinkommen können. Um diesen Sod
stehen einige lange Holztrögc zum Tränken des Viehes. Der Hofplch, auf zw«
Seiten von diesen Gebäuden, aus der andern Seite von Straßen und Garten-


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[0412] Tisch hängen in kleinen Lederösen befestigt so viel hölzerne Löffel, als täglich Gäste am Tisch sind. Jedes, Knecht oder Magd, hat seinen bestimmten Löffel, den es gewöhnlich selbst ansschuilzt. Der Fußboden ist aus rothen Ziegelsteinen, die aber von dem beständigen Schmuz eine dunkele Farbe bekommen haben, denn die Stiefeln der Knechte werden nie, wenn sie vom Felde kommen, vorher gereinigt, und Enten, Hühner u. s. w. laufen frei in der Stube herum. Neben dieser Wohnstube befindet sich eine ähnliche, aber etwas kleinere Kammer, in der das grün angestrichene breite Ehebett des Bauern, mit blankattunenen Vorhängen, und einige große hölzerne Laden (Koffer) mit Leinenzeug und Kleidern für Fran, Mann und Kinder stehen. Auf dem tiefsten Grunde einer dieser Laden ruht gewöhnlich der blaue Strumpf mit harten Gnldeustücken, ja oft auch uoch ein kleiner Leder- handel mit blanken Lvnisdors vom Pferdehandel herrührend, dann der Contract und das Amts- nud Cvutributivnsbuch des Bauern. Sonst giebt es uoch einige Vorrathskammern für Wolle, Eier, Butter, Aepfel u. s. w.; einen kleinen Kartoffel¬ keller'unter der Kammer der Mädchen. — Ein spchig zülanscndes, von Alter geschwärztes und mit Moos bewachsenes Dach reicht außen an dem einen Giebel, wo die Einfahrt sich befindet, bis ans K Fuß vom Erdboden, nud bildet so von Außen gesehen den Haupttheil des ganzen Gebäudes. Oben an jedem Giebel laufen die beideu äußersten Giebelbalken noch einige Fuß darüber heraus, und siud in Gestalt von Pferdehälsen und Köpfen ausgeschnitten. Die niedern Wände des Hanfes sind ans Balken, zwischen denen mit Stroh umwundene und dann mit Lehm bestrichene Staaten befestigt sind, gebildet, und einmal weiß angestrichen gewesen. Da in dem ganzen Gek'ante nur zwei ordentliche Fenster sind, die Wände aber einzelne Löcher enthalten, um Luft und Lichtschimmer durch zu lassen, die zuweilen mit Strohbündeln verstopft werden, so sieht das Ganze von Außen eher einer Scheune als einem Wohnhause ähnlich. Die Banart hat hinsichtlich der Wärme, der Füt¬ terung und Beaufsichtigung des Viehes viele Vorzüge, ist sonst aber schlecht, und besonders feuergefährlich. Mit dem Wohnhause in gleicher Linie und eben l» gebaut, nur etwas kleiner, liegt ein Gebäude, welches den Stall für Schafe, Ställe für Gänse, Hühner und die Kober sür 6—10 große und kleine Schweine, und die sogenannte „Hanskammer" enthält, in der sich der Bauer, mit Ausnahme der eigentlichen Räder, alle seine ländlichen Werkzeuge, als Pflüge, Wagen n. s. w. selbst verfertigt. Mit diesem Stall bildet die „Kurnschünn" einen rechten Winkel. Nicht weit von der Scheune ragt der große Hebebalken des „Tod" (Brunnen), an dem einen Ende der Eimer an langer Stange zum Hinab-, senken, an der andern der schwere Stein zur Erleichterung des Heraufziehens. Das Brunnenloch, mit einer niedern Verzäunung umgeben, ist unbedeckt, daher Regen und sonstige Unreinlichkeiten leicht hineinkommen können. Um diesen Sod stehen einige lange Holztrögc zum Tränken des Viehes. Der Hofplch, auf zw« Seiten von diesen Gebäuden, aus der andern Seite von Straßen und Garten-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/412>, abgerufen am 04.07.2024.