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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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dem Protestantismus die größten Vorwürfe, daß er Gott allein Ehre erweise, da doch
das Kind des Staubes die Majestät des Wesens aller Wesen weder empfinden,
noch anschauen könne, und daß er die gebührende Huldigung und Anbetung den
heiligen Frauen, namentlich der allerheiligsten Jungfran versage, "während doch
Gott selbst aus seinem Himmel heraus dieser Jungfrau gehuldigt, und sie auf
Erden verehrt hat." Sogar von Gott lassen sich die verstockten Protestanten in
der Galanterie übertreffen! Und daran halten sie auch die Bibel so in Ehren,
die höchst wahrscheinlich schon von Anbeginn durch verkappte Protestanten ver¬
fälscht worden ist, da sie offenbar Adam begünstigt und der unstreitig viel reinern
und ätherischem Eva alle Schuld des Sündenfalls beimißt. Später haben die
Protestanten jene Asyle für auserwählte "ut verkannte schöne Seelen, die Non¬
nenklöster, und namentlich die adeligen Stifter, aufgehoben, und das Weib in die
Knechtschaft einer plebejischen Ehe herabgedrückt, wo sie sich um die Kinder,
um den Herd und um die Wäsche bekümmern muß, austatt dem allein schick¬
lichen Geschäft obzuliegen, anzubeten und sich anbeten zu lassen. Ja, sie sind
noch weiter gegangen, und haben diesem an sich schon gemeinen Institut durch die
Entziehung des sacramcntalen Charakters den letzten romantischen Reiz geranb.',
und dadurch die höher gestimmten Naturen, wie die Gräfin Hahn und Georgs
Sand, gleichsam verführt, sich von ihren Männern scheiden zu lassen. Ale"
edlern Frauen bleibt daher Nichts übrig, als in den Schooß der alleinseligmac)e"-
den Kirche zurückzukehren, wo der hochmüthige Herr der Schöpfung sich vor dem
Bilde einer Jungfrau in den Staub werfen muß, und wo man Mägdelein als
eine Heilige verehrt, weil sie eine schöne Seele war.

Diese denkwürdigen Angriffe aus das Princip des Protestantismus haben
denu auch von Seiten gläubiger Protestanten Erwiderungen hervorgerufen Der
eine derselben, ein protestantischer Geistlicher aus der Schleiermacher'schen Schule,
der sich Irenäus Monasticus nennt, empfiehlt der Dichterin, ans die er zwar
wegen ihrer groben Ausfälle gegen seine Kirche ziemlich erbittert ist, deren Be¬
gabung er aber hoch verehrt, einen weitem Weg; er räth ihr, von Jerusalem
nach Bethlehem zu pilgern, wie die Magier des Morgenlandes, die dem Stern
folgten, obgleich sie nicht wußten, wohin er sie führte. Dieses Bethlehem, die un¬
sichtbare Kirche, sei der Leitstern aller sehnsüchtigen Gemüther, bei del Katholiken
wie bei den Protestanten, und auch die Gräfin, die ja so lange vagebens den
Rechten gesucht, könne sich dieser allgemeinen Pilgerschaft nicht entziehen. Er
redet zu ihr in ihrer eigenen Sprache, in ihren Bildern, Einfällen -und Gleich¬
nissen, und wir zweifeln nicht daran, daß die Dichterin, die in d-chem Feld sich'
einer, weit größern. Uebung erfreut, an der unbewußter Huldigung, die ihr der
fromme Geistliche darbringt, so wie an den wunderlichen Manieren, zu denen er
sich wider seine Natur zwingt, um ihr gefällig zu sein, ein hcrsiiches, mit einer
gewissen Schadenfreude gemischtes Wohlgefallen finden wird.


dem Protestantismus die größten Vorwürfe, daß er Gott allein Ehre erweise, da doch
das Kind des Staubes die Majestät des Wesens aller Wesen weder empfinden,
noch anschauen könne, und daß er die gebührende Huldigung und Anbetung den
heiligen Frauen, namentlich der allerheiligsten Jungfran versage, „während doch
Gott selbst aus seinem Himmel heraus dieser Jungfrau gehuldigt, und sie auf
Erden verehrt hat." Sogar von Gott lassen sich die verstockten Protestanten in
der Galanterie übertreffen! Und daran halten sie auch die Bibel so in Ehren,
die höchst wahrscheinlich schon von Anbeginn durch verkappte Protestanten ver¬
fälscht worden ist, da sie offenbar Adam begünstigt und der unstreitig viel reinern
und ätherischem Eva alle Schuld des Sündenfalls beimißt. Später haben die
Protestanten jene Asyle für auserwählte »ut verkannte schöne Seelen, die Non¬
nenklöster, und namentlich die adeligen Stifter, aufgehoben, und das Weib in die
Knechtschaft einer plebejischen Ehe herabgedrückt, wo sie sich um die Kinder,
um den Herd und um die Wäsche bekümmern muß, austatt dem allein schick¬
lichen Geschäft obzuliegen, anzubeten und sich anbeten zu lassen. Ja, sie sind
noch weiter gegangen, und haben diesem an sich schon gemeinen Institut durch die
Entziehung des sacramcntalen Charakters den letzten romantischen Reiz geranb.',
und dadurch die höher gestimmten Naturen, wie die Gräfin Hahn und Georgs
Sand, gleichsam verführt, sich von ihren Männern scheiden zu lassen. Ale»
edlern Frauen bleibt daher Nichts übrig, als in den Schooß der alleinseligmac)e»-
den Kirche zurückzukehren, wo der hochmüthige Herr der Schöpfung sich vor dem
Bilde einer Jungfrau in den Staub werfen muß, und wo man Mägdelein als
eine Heilige verehrt, weil sie eine schöne Seele war.

Diese denkwürdigen Angriffe aus das Princip des Protestantismus haben
denu auch von Seiten gläubiger Protestanten Erwiderungen hervorgerufen Der
eine derselben, ein protestantischer Geistlicher aus der Schleiermacher'schen Schule,
der sich Irenäus Monasticus nennt, empfiehlt der Dichterin, ans die er zwar
wegen ihrer groben Ausfälle gegen seine Kirche ziemlich erbittert ist, deren Be¬
gabung er aber hoch verehrt, einen weitem Weg; er räth ihr, von Jerusalem
nach Bethlehem zu pilgern, wie die Magier des Morgenlandes, die dem Stern
folgten, obgleich sie nicht wußten, wohin er sie führte. Dieses Bethlehem, die un¬
sichtbare Kirche, sei der Leitstern aller sehnsüchtigen Gemüther, bei del Katholiken
wie bei den Protestanten, und auch die Gräfin, die ja so lange vagebens den
Rechten gesucht, könne sich dieser allgemeinen Pilgerschaft nicht entziehen. Er
redet zu ihr in ihrer eigenen Sprache, in ihren Bildern, Einfällen -und Gleich¬
nissen, und wir zweifeln nicht daran, daß die Dichterin, die in d-chem Feld sich'
einer, weit größern. Uebung erfreut, an der unbewußter Huldigung, die ihr der
fromme Geistliche darbringt, so wie an den wunderlichen Manieren, zu denen er
sich wider seine Natur zwingt, um ihr gefällig zu sein, ein hcrsiiches, mit einer
gewissen Schadenfreude gemischtes Wohlgefallen finden wird.


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[0396] dem Protestantismus die größten Vorwürfe, daß er Gott allein Ehre erweise, da doch das Kind des Staubes die Majestät des Wesens aller Wesen weder empfinden, noch anschauen könne, und daß er die gebührende Huldigung und Anbetung den heiligen Frauen, namentlich der allerheiligsten Jungfran versage, „während doch Gott selbst aus seinem Himmel heraus dieser Jungfrau gehuldigt, und sie auf Erden verehrt hat." Sogar von Gott lassen sich die verstockten Protestanten in der Galanterie übertreffen! Und daran halten sie auch die Bibel so in Ehren, die höchst wahrscheinlich schon von Anbeginn durch verkappte Protestanten ver¬ fälscht worden ist, da sie offenbar Adam begünstigt und der unstreitig viel reinern und ätherischem Eva alle Schuld des Sündenfalls beimißt. Später haben die Protestanten jene Asyle für auserwählte »ut verkannte schöne Seelen, die Non¬ nenklöster, und namentlich die adeligen Stifter, aufgehoben, und das Weib in die Knechtschaft einer plebejischen Ehe herabgedrückt, wo sie sich um die Kinder, um den Herd und um die Wäsche bekümmern muß, austatt dem allein schick¬ lichen Geschäft obzuliegen, anzubeten und sich anbeten zu lassen. Ja, sie sind noch weiter gegangen, und haben diesem an sich schon gemeinen Institut durch die Entziehung des sacramcntalen Charakters den letzten romantischen Reiz geranb.', und dadurch die höher gestimmten Naturen, wie die Gräfin Hahn und Georgs Sand, gleichsam verführt, sich von ihren Männern scheiden zu lassen. Ale» edlern Frauen bleibt daher Nichts übrig, als in den Schooß der alleinseligmac)e»- den Kirche zurückzukehren, wo der hochmüthige Herr der Schöpfung sich vor dem Bilde einer Jungfrau in den Staub werfen muß, und wo man Mägdelein als eine Heilige verehrt, weil sie eine schöne Seele war. Diese denkwürdigen Angriffe aus das Princip des Protestantismus haben denu auch von Seiten gläubiger Protestanten Erwiderungen hervorgerufen Der eine derselben, ein protestantischer Geistlicher aus der Schleiermacher'schen Schule, der sich Irenäus Monasticus nennt, empfiehlt der Dichterin, ans die er zwar wegen ihrer groben Ausfälle gegen seine Kirche ziemlich erbittert ist, deren Be¬ gabung er aber hoch verehrt, einen weitem Weg; er räth ihr, von Jerusalem nach Bethlehem zu pilgern, wie die Magier des Morgenlandes, die dem Stern folgten, obgleich sie nicht wußten, wohin er sie führte. Dieses Bethlehem, die un¬ sichtbare Kirche, sei der Leitstern aller sehnsüchtigen Gemüther, bei del Katholiken wie bei den Protestanten, und auch die Gräfin, die ja so lange vagebens den Rechten gesucht, könne sich dieser allgemeinen Pilgerschaft nicht entziehen. Er redet zu ihr in ihrer eigenen Sprache, in ihren Bildern, Einfällen -und Gleich¬ nissen, und wir zweifeln nicht daran, daß die Dichterin, die in d-chem Feld sich' einer, weit größern. Uebung erfreut, an der unbewußter Huldigung, die ihr der fromme Geistliche darbringt, so wie an den wunderlichen Manieren, zu denen er sich wider seine Natur zwingt, um ihr gefällig zu sein, ein hcrsiiches, mit einer gewissen Schadenfreude gemischtes Wohlgefallen finden wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/396>, abgerufen am 04.07.2024.