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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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desselben. Sie bildet einen kleinen Tempel, wie man ihn als Pavillon wol mit
ähnlichen Formen in Gärten sieht, und eben anch nnr zur landschaftlichen Deco-
ration einer Parkanlage oder einer Anhöhe geeignet finden kann, wo es sich nicht
um den ernsten Eindruck einer großen Architektur, sondern um einen spielenden
Wechsel, einen zierlichen Ruhepunkt für das Auge handelt. Ueberdies finde ich
die Compositiv" dieses Pavillons, acht Engelgcstalten, welche als Karyatiden mit
symmetrisch geordneten Flügeln den Baldachin, in Form einer vergoldeten Königs¬
krone, tragen, an sich selber häßlich. Sollte die Krone dem Bau Majestät ver¬
leihen, so ist die Absicht in ihr Gegentheil umgeschlagen. Die mächtige Kuppel
gewinnt durch die Spielerei der Laterne einen winzigen, jn kindischen Abschluß.
Leider ist es das Schicksal der meiste" Berliner Neubauten, daß ihre Schönheiten
durch irgend eine Tändelei, ein willkürlich aufgedrängtes Element oder barocke Zu¬
sammenfügung entstellt werden.

Darf im Uebrigen der Kuppelbau an sich als ein schönes Werk der neuern,
Architektur bezeichnet werden, so bleibt es eine andere Frage, ob er mit dem
ältern Gebäude harmonire. Unten haben wir die mit Rococo verbundene An¬
tike, oben eine Composition von Byzanttnisch-Romanischen Formen. Der Misch¬
styl, in welchem das ganze Schloß erbaut ist, und der in Eosander's Nachahmung
des Alterthums schon viel weniger Einheit gewann, als in der reinern Renaissance
Schlüter's, möge dies entschuldigen. Ein Umstand jedoch, der sich meinem Auge
als eine architektonische Sünde aufdrängt, vermag durch jene Reflexion nicht aus¬
geglichen W werden. Es ist das sür mich störende Verhältniß des untern schlan¬
ke" Säulen- und BogenbaneS zu dem tinglcich schwerern geschlossene" Pfeilerbau
des aufgesetzten Cylinders, der scheinbar zu massenhaft ans das ältere Gebände
drückt. Bei den unter Friedrich dem Großen erbauten Thürmen ans dein Gen-
darmenmarkt ist die Einheit des leichten Sänlenbaneö gewahrt, und so steigt das
Ganze frei und luftig zum Himmel. Auch der Plan Eosander's ging ans eine,
dem Unterbau harmonisch sich anschließende Doppelgrnppirnng freistehender Säu¬
len hinaus, und mau hätte das Nichtige dieses Planes wol annehmen können,
"b"e deshalb an die Geschmacklosigkeiten deö Rococo gebunden zu sein.

Begehen wir uus uun in den Schloßhof, "ut betreten das Innere des Por¬
tals von der Rückseite, so nimmt uns in dessen Mitte eine mehr als hundert
Fuß hohe, schön construirte Wölbung ans, deren Ausführung Eosauders Haupt¬
verdienst. Der von Friedrich Wilhelm dem Ersten im Jahre zur Verbin¬
dung des zweite" Geschosses angeordnete hölzerne Quergang, welcher das präch¬
tige Gewölbe länger als ein Jahrhundert widerwärtig verunzierte,, fiel endlich
dem besser" Geschmack zum Opfer. Die Decke des Portals wird vou zwölf
Ionischen Säulen, deren Basis auf hohen Stühlen oder Postamenten ruht, getra¬
gn. Rechts führt eine schöne steinerne Dopveltreppc bis in das dritte Stock-
^t' hinauf zu einer innern Verbiudnngs-Galerie zwischen dem restaurirten


desselben. Sie bildet einen kleinen Tempel, wie man ihn als Pavillon wol mit
ähnlichen Formen in Gärten sieht, und eben anch nnr zur landschaftlichen Deco-
ration einer Parkanlage oder einer Anhöhe geeignet finden kann, wo es sich nicht
um den ernsten Eindruck einer großen Architektur, sondern um einen spielenden
Wechsel, einen zierlichen Ruhepunkt für das Auge handelt. Ueberdies finde ich
die Compositiv» dieses Pavillons, acht Engelgcstalten, welche als Karyatiden mit
symmetrisch geordneten Flügeln den Baldachin, in Form einer vergoldeten Königs¬
krone, tragen, an sich selber häßlich. Sollte die Krone dem Bau Majestät ver¬
leihen, so ist die Absicht in ihr Gegentheil umgeschlagen. Die mächtige Kuppel
gewinnt durch die Spielerei der Laterne einen winzigen, jn kindischen Abschluß.
Leider ist es das Schicksal der meiste» Berliner Neubauten, daß ihre Schönheiten
durch irgend eine Tändelei, ein willkürlich aufgedrängtes Element oder barocke Zu¬
sammenfügung entstellt werden.

Darf im Uebrigen der Kuppelbau an sich als ein schönes Werk der neuern,
Architektur bezeichnet werden, so bleibt es eine andere Frage, ob er mit dem
ältern Gebäude harmonire. Unten haben wir die mit Rococo verbundene An¬
tike, oben eine Composition von Byzanttnisch-Romanischen Formen. Der Misch¬
styl, in welchem das ganze Schloß erbaut ist, und der in Eosander's Nachahmung
des Alterthums schon viel weniger Einheit gewann, als in der reinern Renaissance
Schlüter's, möge dies entschuldigen. Ein Umstand jedoch, der sich meinem Auge
als eine architektonische Sünde aufdrängt, vermag durch jene Reflexion nicht aus¬
geglichen W werden. Es ist das sür mich störende Verhältniß des untern schlan¬
ke» Säulen- und BogenbaneS zu dem tinglcich schwerern geschlossene» Pfeilerbau
des aufgesetzten Cylinders, der scheinbar zu massenhaft ans das ältere Gebände
drückt. Bei den unter Friedrich dem Großen erbauten Thürmen ans dein Gen-
darmenmarkt ist die Einheit des leichten Sänlenbaneö gewahrt, und so steigt das
Ganze frei und luftig zum Himmel. Auch der Plan Eosander's ging ans eine,
dem Unterbau harmonisch sich anschließende Doppelgrnppirnng freistehender Säu¬
len hinaus, und mau hätte das Nichtige dieses Planes wol annehmen können,
"b"e deshalb an die Geschmacklosigkeiten deö Rococo gebunden zu sein.

Begehen wir uus uun in den Schloßhof, »ut betreten das Innere des Por¬
tals von der Rückseite, so nimmt uns in dessen Mitte eine mehr als hundert
Fuß hohe, schön construirte Wölbung ans, deren Ausführung Eosauders Haupt¬
verdienst. Der von Friedrich Wilhelm dem Ersten im Jahre zur Verbin¬
dung des zweite» Geschosses angeordnete hölzerne Quergang, welcher das präch¬
tige Gewölbe länger als ein Jahrhundert widerwärtig verunzierte,, fiel endlich
dem besser» Geschmack zum Opfer. Die Decke des Portals wird vou zwölf
Ionischen Säulen, deren Basis auf hohen Stühlen oder Postamenten ruht, getra¬
gn. Rechts führt eine schöne steinerne Dopveltreppc bis in das dritte Stock-
^t' hinauf zu einer innern Verbiudnngs-Galerie zwischen dem restaurirten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/391>, abgerufen am 04.07.2024.