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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Als der Officier ihn fragte: "er rauche wol, wie alle seine Landsleute, sehr gern
und viel", antwortete er mit wohlgefälligem Lächeln: "Wackmt "upsl äovlum ^vtn-
mo" mW WM l-uvkan" (eine Pfeife Tabak ist besser, wie hunderttausend Schelme),
was ein Arabisches Sprichwort ist. Wie ich bei dieser Gelegenheit erfuhr, nennt
der Orientale das Rauchen "sokrop äoclma", d. h. Dampf trinken, wie man
auch eine Pfeife mit den Worten "tMvm sodrop" (gieb mir zu trinken) fordert.
Wir forderten aber eine "toiwsedvl Kawa" (eine Tasse Kaffee), die uns ein kleiner,
ziemlich reinlich gekleideter Negersclave brachte. Der Kaffee wird hier ganz dick
und ungeklärt, so daß er fast der Chocolade gleicht, ohne Milch und Zucker ge¬
trunken. Derselbe ist vou eigenthümlichem Aroma und Wohlgeschmack, und man
gewohnt sich leicht daran. Auf Verlangen erhält man übrigens in den Arabischen
Kaffeehäusern auch feiugestoßcuett Kandiszucker zum Kaffee.

Vom Kaffeehaus begaben wir uns in ein anderes Local, wo öffentliche Tän¬
zerinnen eine Art Ball feierten. Der ziemlich große Saal, der schlecht beleuchtet
war, hatte ein schmuziges, dürftiges Aussehen. Ans eben solchen Polstern, wie
im Kaffeehaus, saßen wol einige 40 -- 30 Mauren nud Türken, die aber gerade
nicht deu höchsten Ständen anzugehören schienen, schweigsam an den Wänden,
ebenfalls gravitätisch den Dampf aus ihren langen Pfeifen blasend. Die Mäd¬
chen, ziemlich phantastisch, aber schmuzig und unordentlich angezogen, trugen kurze,
vorn offene bunte Jacken mit allerlei blitzenden Ketten und Schnüren behängen
oder besetzt, und sehr weite Beinkleider vou dünnen Mvnsseliue, welche nur bis
kurz über die Knie reichten. Die Beine und Arme waren nackt, und mit Ketten
und Ringen geschmückt, während ein bunter Turban das schwarze, glänzende
Haar bedeckte. Blitzende dunkle Angen hatten alle, und einige auch schlanke,
graziöse Gestalten und regelmäßige, hübsche Züge, während viele abstoßend frech
und gemein aussahen. Bei manchen bemerkte ich, daß ihre Nägel glänzend
schwarz, die inner" Flächen der Hände und Füße aber hellroth gefärbt waren.
Die Mädchen führten einzeln nach dem Klänge einer schrecklichen, die Ohre"
zerreißenden Musik ihre Tänze ans, die größtentheils in den indecentesten und
unsittlichsten Bewegungen und Gesten bestanden. Bisweilen führten auch zw"
Mädchen paarweise die unanständigsten Pantomimen ans, was aber den Türken
sehr zu gefallen schien, und häusig ihnen den Ausruf "muIveLli, melvoek" (gut,
gut) entlockte. Hatte eine solche Tänzerin ihren Tanz beendet, so rief sie dann
gewöhnlich ein oder der andere Türke zu sich, und steckte ihr zum Zeichen.seines
Wohlgefallens unter verschiedenen Liebkosungen Geldstücke in deu Busen oder w
deu Mund.

Ermüdet von deu viele" neuen Eindrücken des Tages, und uicht allzusehr
vou dem letzten Schauspiel angezogen, verließ ich den Tauzsalon bald, und nut
hochgehobener Laterne, eine Vorsicht, welche bei den furchtbar schmuzigen Gassen, ""
die besonders am Abend die verschiedensten Dinge geworfen werden, sehr noth-


Als der Officier ihn fragte: „er rauche wol, wie alle seine Landsleute, sehr gern
und viel", antwortete er mit wohlgefälligem Lächeln: „Wackmt »upsl äovlum ^vtn-
mo» mW WM l-uvkan" (eine Pfeife Tabak ist besser, wie hunderttausend Schelme),
was ein Arabisches Sprichwort ist. Wie ich bei dieser Gelegenheit erfuhr, nennt
der Orientale das Rauchen „sokrop äoclma", d. h. Dampf trinken, wie man
auch eine Pfeife mit den Worten „tMvm sodrop" (gieb mir zu trinken) fordert.
Wir forderten aber eine „toiwsedvl Kawa" (eine Tasse Kaffee), die uns ein kleiner,
ziemlich reinlich gekleideter Negersclave brachte. Der Kaffee wird hier ganz dick
und ungeklärt, so daß er fast der Chocolade gleicht, ohne Milch und Zucker ge¬
trunken. Derselbe ist vou eigenthümlichem Aroma und Wohlgeschmack, und man
gewohnt sich leicht daran. Auf Verlangen erhält man übrigens in den Arabischen
Kaffeehäusern auch feiugestoßcuett Kandiszucker zum Kaffee.

Vom Kaffeehaus begaben wir uns in ein anderes Local, wo öffentliche Tän¬
zerinnen eine Art Ball feierten. Der ziemlich große Saal, der schlecht beleuchtet
war, hatte ein schmuziges, dürftiges Aussehen. Ans eben solchen Polstern, wie
im Kaffeehaus, saßen wol einige 40 — 30 Mauren nud Türken, die aber gerade
nicht deu höchsten Ständen anzugehören schienen, schweigsam an den Wänden,
ebenfalls gravitätisch den Dampf aus ihren langen Pfeifen blasend. Die Mäd¬
chen, ziemlich phantastisch, aber schmuzig und unordentlich angezogen, trugen kurze,
vorn offene bunte Jacken mit allerlei blitzenden Ketten und Schnüren behängen
oder besetzt, und sehr weite Beinkleider vou dünnen Mvnsseliue, welche nur bis
kurz über die Knie reichten. Die Beine und Arme waren nackt, und mit Ketten
und Ringen geschmückt, während ein bunter Turban das schwarze, glänzende
Haar bedeckte. Blitzende dunkle Angen hatten alle, und einige auch schlanke,
graziöse Gestalten und regelmäßige, hübsche Züge, während viele abstoßend frech
und gemein aussahen. Bei manchen bemerkte ich, daß ihre Nägel glänzend
schwarz, die inner» Flächen der Hände und Füße aber hellroth gefärbt waren.
Die Mädchen führten einzeln nach dem Klänge einer schrecklichen, die Ohre»
zerreißenden Musik ihre Tänze ans, die größtentheils in den indecentesten und
unsittlichsten Bewegungen und Gesten bestanden. Bisweilen führten auch zw"
Mädchen paarweise die unanständigsten Pantomimen ans, was aber den Türken
sehr zu gefallen schien, und häusig ihnen den Ausruf „muIveLli, melvoek" (gut,
gut) entlockte. Hatte eine solche Tänzerin ihren Tanz beendet, so rief sie dann
gewöhnlich ein oder der andere Türke zu sich, und steckte ihr zum Zeichen.seines
Wohlgefallens unter verschiedenen Liebkosungen Geldstücke in deu Busen oder w
deu Mund.

Ermüdet von deu viele» neuen Eindrücken des Tages, und uicht allzusehr
vou dem letzten Schauspiel angezogen, verließ ich den Tauzsalon bald, und nut
hochgehobener Laterne, eine Vorsicht, welche bei den furchtbar schmuzigen Gassen, «"
die besonders am Abend die verschiedensten Dinge geworfen werden, sehr noth-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/378>, abgerufen am 04.07.2024.