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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Revolution den Kampf gegen die Revolution, so wie gegen den Absolutismus
von Neuem beginnen müßten, so scheint es mir einfacher, das jetzt zu thun, was
wir dann doch wieder zu thun hätten. Der Gegensatz, den mein Gegner aus¬
stellt, kosackisch oder republikanisch, ist eine von jenen Abstraktionen, die eigentlich
Nichts sagen. Wenn es heißen soll: kosackisch oder Französisch, so würde ich nach
der bekannten Anekdote mich für Amerika entscheiden; soll aber nur der Gegen¬
satz von Despotismus und Republik damit ausgedrückt werden, so ist die erstere
Regierungsform nur in einem auch in der Privatstttlichkeit depravirten Volke
möglich, "ud der Name Republik besagt vorläufig auch nichts Anderes, als das
NichtVorhandensein eines erblichen Königthums. Wir haben in Deutschland noch
nach zwei Seiten hin Fortschritte zu macheu. Unsre Staaten müssen noch etwas
absolutistischer werden, und unsre Gemeinden etwas republikanischer, als sie es
jetzt sind.

Um nun aber zu der Frage zurückzukehren, von der ich ausging: wäre die
Restauration der Provinzialstände ein einzelner oder ein erster Act, so würde ich
den passiven Widerstand nicht nur für nothwendig halten, sondern ich würde ihm
auch die Möglichkeit eines Erfolgs zuschreiben. Nach dem aber, was in den letzten
Monaten durch ganz Deutschland, z. B. in Sachsen, geschehen ist, glaube ich
nicht, daß man an einem beliebigen Punkt Halt machen kann. Wie weit der
Einzelne in diesem Punkt Widerstand leistet, hat er mit seinem Gewissen aus-
zumachen, aber man möge nicht den Widerstand als einen Act der Partei dar¬
stellen. Unsre Partei bericht auf der Idee der Möglichkeit einer organischen
Entwickelung. Wenn wir diese aufgeben, so geben wir die Partei selbst auf.
Ich läugne uicht, daß das einmal geschehen kann, es darf aber nach meiner Ueber¬
zeugung erst dann geschehen, wenn das letzte Wort gesprochen ist. Vorläufig
würden wir durch das Aufgehen in die Demokratie eine Reihe politischer Do-
ctrinen adoptiren, die wir, soviel ich weiß, nicht theilen, und wir würden einen
neuen Weg einschlagen müssen, den wir nicht übersehen, und auf dem wir nicht
weit kommen würden.

Jedenfalls ist der Conflict zwischen zwei Rücksichten vorhanden, und es ist
nöthig, daß wir unsre neue Lage mit Ruhe überlegen. Durch ein überlautes
Wesen, wie es in dem Artikel der Breslauer Zeitung gemacht wird, werden
wir uicht gefördert, und es wäre schlimm, wenn wir in unsrer Partei bei dem
Eintreten vou Meinungsverschiedenheiten das erste Beispiel von gegenseitiger Bru¬
talität geben sollte", welches die Demokraten in ähnlichen Fällen so glücklich ver¬
mieden haben. Und doch würde man sich nicht erwehren können , auf ähnliche
1' 1- vorlaute Redensarten einmal energisch zu antworten.




Revolution den Kampf gegen die Revolution, so wie gegen den Absolutismus
von Neuem beginnen müßten, so scheint es mir einfacher, das jetzt zu thun, was
wir dann doch wieder zu thun hätten. Der Gegensatz, den mein Gegner aus¬
stellt, kosackisch oder republikanisch, ist eine von jenen Abstraktionen, die eigentlich
Nichts sagen. Wenn es heißen soll: kosackisch oder Französisch, so würde ich nach
der bekannten Anekdote mich für Amerika entscheiden; soll aber nur der Gegen¬
satz von Despotismus und Republik damit ausgedrückt werden, so ist die erstere
Regierungsform nur in einem auch in der Privatstttlichkeit depravirten Volke
möglich, »ud der Name Republik besagt vorläufig auch nichts Anderes, als das
NichtVorhandensein eines erblichen Königthums. Wir haben in Deutschland noch
nach zwei Seiten hin Fortschritte zu macheu. Unsre Staaten müssen noch etwas
absolutistischer werden, und unsre Gemeinden etwas republikanischer, als sie es
jetzt sind.

Um nun aber zu der Frage zurückzukehren, von der ich ausging: wäre die
Restauration der Provinzialstände ein einzelner oder ein erster Act, so würde ich
den passiven Widerstand nicht nur für nothwendig halten, sondern ich würde ihm
auch die Möglichkeit eines Erfolgs zuschreiben. Nach dem aber, was in den letzten
Monaten durch ganz Deutschland, z. B. in Sachsen, geschehen ist, glaube ich
nicht, daß man an einem beliebigen Punkt Halt machen kann. Wie weit der
Einzelne in diesem Punkt Widerstand leistet, hat er mit seinem Gewissen aus-
zumachen, aber man möge nicht den Widerstand als einen Act der Partei dar¬
stellen. Unsre Partei bericht auf der Idee der Möglichkeit einer organischen
Entwickelung. Wenn wir diese aufgeben, so geben wir die Partei selbst auf.
Ich läugne uicht, daß das einmal geschehen kann, es darf aber nach meiner Ueber¬
zeugung erst dann geschehen, wenn das letzte Wort gesprochen ist. Vorläufig
würden wir durch das Aufgehen in die Demokratie eine Reihe politischer Do-
ctrinen adoptiren, die wir, soviel ich weiß, nicht theilen, und wir würden einen
neuen Weg einschlagen müssen, den wir nicht übersehen, und auf dem wir nicht
weit kommen würden.

Jedenfalls ist der Conflict zwischen zwei Rücksichten vorhanden, und es ist
nöthig, daß wir unsre neue Lage mit Ruhe überlegen. Durch ein überlautes
Wesen, wie es in dem Artikel der Breslauer Zeitung gemacht wird, werden
wir uicht gefördert, und es wäre schlimm, wenn wir in unsrer Partei bei dem
Eintreten vou Meinungsverschiedenheiten das erste Beispiel von gegenseitiger Bru¬
talität geben sollte», welches die Demokraten in ähnlichen Fällen so glücklich ver¬
mieden haben. Und doch würde man sich nicht erwehren können , auf ähnliche
1' 1- vorlaute Redensarten einmal energisch zu antworten.




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[0037] Revolution den Kampf gegen die Revolution, so wie gegen den Absolutismus von Neuem beginnen müßten, so scheint es mir einfacher, das jetzt zu thun, was wir dann doch wieder zu thun hätten. Der Gegensatz, den mein Gegner aus¬ stellt, kosackisch oder republikanisch, ist eine von jenen Abstraktionen, die eigentlich Nichts sagen. Wenn es heißen soll: kosackisch oder Französisch, so würde ich nach der bekannten Anekdote mich für Amerika entscheiden; soll aber nur der Gegen¬ satz von Despotismus und Republik damit ausgedrückt werden, so ist die erstere Regierungsform nur in einem auch in der Privatstttlichkeit depravirten Volke möglich, »ud der Name Republik besagt vorläufig auch nichts Anderes, als das NichtVorhandensein eines erblichen Königthums. Wir haben in Deutschland noch nach zwei Seiten hin Fortschritte zu macheu. Unsre Staaten müssen noch etwas absolutistischer werden, und unsre Gemeinden etwas republikanischer, als sie es jetzt sind. Um nun aber zu der Frage zurückzukehren, von der ich ausging: wäre die Restauration der Provinzialstände ein einzelner oder ein erster Act, so würde ich den passiven Widerstand nicht nur für nothwendig halten, sondern ich würde ihm auch die Möglichkeit eines Erfolgs zuschreiben. Nach dem aber, was in den letzten Monaten durch ganz Deutschland, z. B. in Sachsen, geschehen ist, glaube ich nicht, daß man an einem beliebigen Punkt Halt machen kann. Wie weit der Einzelne in diesem Punkt Widerstand leistet, hat er mit seinem Gewissen aus- zumachen, aber man möge nicht den Widerstand als einen Act der Partei dar¬ stellen. Unsre Partei bericht auf der Idee der Möglichkeit einer organischen Entwickelung. Wenn wir diese aufgeben, so geben wir die Partei selbst auf. Ich läugne uicht, daß das einmal geschehen kann, es darf aber nach meiner Ueber¬ zeugung erst dann geschehen, wenn das letzte Wort gesprochen ist. Vorläufig würden wir durch das Aufgehen in die Demokratie eine Reihe politischer Do- ctrinen adoptiren, die wir, soviel ich weiß, nicht theilen, und wir würden einen neuen Weg einschlagen müssen, den wir nicht übersehen, und auf dem wir nicht weit kommen würden. Jedenfalls ist der Conflict zwischen zwei Rücksichten vorhanden, und es ist nöthig, daß wir unsre neue Lage mit Ruhe überlegen. Durch ein überlautes Wesen, wie es in dem Artikel der Breslauer Zeitung gemacht wird, werden wir uicht gefördert, und es wäre schlimm, wenn wir in unsrer Partei bei dem Eintreten vou Meinungsverschiedenheiten das erste Beispiel von gegenseitiger Bru¬ talität geben sollte», welches die Demokraten in ähnlichen Fällen so glücklich ver¬ mieden haben. Und doch würde man sich nicht erwehren können , auf ähnliche 1' 1- vorlaute Redensarten einmal energisch zu antworten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/37>, abgerufen am 30.06.2024.