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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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diese vor seinen Augen verbrannt, der Körper sodann geviertheilt und der Kopf
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lich im Urtheil, und so wurde es buchstäblich vollzogen.

Solche haarsträubende Gräuelthaten sah England nach seiner großen Revo¬
lution, nachdem sich Tausende im Dienste der Freiheit ans den Schlachtfeldern
zerfleischt, nachdem Köpfe gefallen waren zu Hunderten, nachdem die Schrecken
des Henkers dnrch'ö Land gezogen, nachdem alte Adelshäupter gerichtet worden,
nachdem ein Kronenträger den Weg aus seinem Paläste aufs Schaffot gemacht
hatte. Solche Gräuelthaten geschahen, nachdem das Volk durch jahrelangen mör¬
derischen Kampf sich die Zukunft seiner Freiheit erobert zu haben glaubte. Und
im Angesicht seiner eigenen Geschichte wagt es der Engländer, zu behaupten, --
wir lesen dergleichen nur zu oft in Englischen Blättern -- die Deutschen hätten
es Einmal verstanden, eine Revolution zu macheu, sie seien aber zu gelehrt, zu
Prosessvrlich, zu unpraktisch, die Revolution zu benutzen? Blnheten etwa den Eng¬
ländern die Früchte ihrer großen Revolution frischweg aus den Gräbern der
Gefallenen auf? Ist aus dem abgeschlagenen Haupte ihres Karl die Freiheit
gleich gewappnet heraufgesprungen, nachdem der vermummte Henker den Streich
geführt? Waren die Ströme Bluts ans den Schlachtfeldern von Naseby und
Worcester, und wieder das königliche Blut von Whitehall gleich vermögend, die
Freiheit der Presse und der Gemeinden, die Unabhängigkeit der Jury, die Un¬
verletzlichkeit des Hausrechts, die Gleichstellung aller Religionen und die Erwei¬
terung des Wahlrechts zur Wahrheit zu machen? Die Engländer freilich hören
es gern, wenn man sie praktische Leute nennt, und bilden sich am Ende selber
ein, sie hätten die Revolution fabricirt, wie eine Baumwvllspinmnaschine, und als
sie einmal fertig construirt gewesen, da sei auch das ganze Freiheirsgespinuft regel¬
recht abgehaspelt worden; es habe sich blos um die Erstuduug und den Bau der
Maschine gehandelt, dann habe das Räderwerk gleich daraus losgeklappert, wie's
der Erfinder gedacht und gebaut. Aber wenn die Engländer sich in diesem Punkte
gern selbst täuschen, so dürfe" wir Deutsche", um der eigenen so nöthigen Ausdauer
willen, uns unser Bischen Englische Geschichtskenntniß nicht so leicht wegschwatzen
lassen. Nicht etwa, daß ich meine, den Deutschen thäten absolut noch ein Dutzend
Brudcrschlachten Noth, oder daß es ohne langjährige Kopsabschneidereien zwischen
unsren modernen Kavalieren und Rundköpfen zu Nichts kommen könne, oder daß
wir uach Englischem Muster wenigstens Einen König köpfen müßten, oder daß
wir nach der Revolution gerade so häufige Rückfälle, so langwierige Nachwehen-
kämpfe durchmachen mußten, wie unsre aller Orts gepriesenen Britischen Vorbilder.
Das nicht. Die Treibhausatmosphäre unsres Zeitalters, welche die Enfernun-
9,en des Erdenraumeö allmählich zum Schwinden bringt, dürfte anch die Kraft
^'sitzen, die Früchte unsrer Deutschen Revolution schneller zur Reife zu bringen,
"is dies vor 200 Jahren der Fall in England war. Wir glauben, wir hoffen es


diese vor seinen Augen verbrannt, der Körper sodann geviertheilt und der Kopf
U) do clisposvä of, at ^Ikasm-v us >>u; Kinx« N».i«8^, so heißt es wört¬
lich im Urtheil, und so wurde es buchstäblich vollzogen.

Solche haarsträubende Gräuelthaten sah England nach seiner großen Revo¬
lution, nachdem sich Tausende im Dienste der Freiheit ans den Schlachtfeldern
zerfleischt, nachdem Köpfe gefallen waren zu Hunderten, nachdem die Schrecken
des Henkers dnrch'ö Land gezogen, nachdem alte Adelshäupter gerichtet worden,
nachdem ein Kronenträger den Weg aus seinem Paläste aufs Schaffot gemacht
hatte. Solche Gräuelthaten geschahen, nachdem das Volk durch jahrelangen mör¬
derischen Kampf sich die Zukunft seiner Freiheit erobert zu haben glaubte. Und
im Angesicht seiner eigenen Geschichte wagt es der Engländer, zu behaupten, —
wir lesen dergleichen nur zu oft in Englischen Blättern — die Deutschen hätten
es Einmal verstanden, eine Revolution zu macheu, sie seien aber zu gelehrt, zu
Prosessvrlich, zu unpraktisch, die Revolution zu benutzen? Blnheten etwa den Eng¬
ländern die Früchte ihrer großen Revolution frischweg aus den Gräbern der
Gefallenen auf? Ist aus dem abgeschlagenen Haupte ihres Karl die Freiheit
gleich gewappnet heraufgesprungen, nachdem der vermummte Henker den Streich
geführt? Waren die Ströme Bluts ans den Schlachtfeldern von Naseby und
Worcester, und wieder das königliche Blut von Whitehall gleich vermögend, die
Freiheit der Presse und der Gemeinden, die Unabhängigkeit der Jury, die Un¬
verletzlichkeit des Hausrechts, die Gleichstellung aller Religionen und die Erwei¬
terung des Wahlrechts zur Wahrheit zu machen? Die Engländer freilich hören
es gern, wenn man sie praktische Leute nennt, und bilden sich am Ende selber
ein, sie hätten die Revolution fabricirt, wie eine Baumwvllspinmnaschine, und als
sie einmal fertig construirt gewesen, da sei auch das ganze Freiheirsgespinuft regel¬
recht abgehaspelt worden; es habe sich blos um die Erstuduug und den Bau der
Maschine gehandelt, dann habe das Räderwerk gleich daraus losgeklappert, wie's
der Erfinder gedacht und gebaut. Aber wenn die Engländer sich in diesem Punkte
gern selbst täuschen, so dürfe» wir Deutsche», um der eigenen so nöthigen Ausdauer
willen, uns unser Bischen Englische Geschichtskenntniß nicht so leicht wegschwatzen
lassen. Nicht etwa, daß ich meine, den Deutschen thäten absolut noch ein Dutzend
Brudcrschlachten Noth, oder daß es ohne langjährige Kopsabschneidereien zwischen
unsren modernen Kavalieren und Rundköpfen zu Nichts kommen könne, oder daß
wir uach Englischem Muster wenigstens Einen König köpfen müßten, oder daß
wir nach der Revolution gerade so häufige Rückfälle, so langwierige Nachwehen-
kämpfe durchmachen mußten, wie unsre aller Orts gepriesenen Britischen Vorbilder.
Das nicht. Die Treibhausatmosphäre unsres Zeitalters, welche die Enfernun-
9,en des Erdenraumeö allmählich zum Schwinden bringt, dürfte anch die Kraft
^'sitzen, die Früchte unsrer Deutschen Revolution schneller zur Reife zu bringen,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/351>, abgerufen am 04.07.2024.