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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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und die Longobarden, 1826; der falsche König Olaf, 1832; Knut
der Große, 1838; das Land gefunden und verschwunden, 18i6; Ain-
leth, 1846.

Was die epischen Gedichte betrifft, so ist die Einwirkung derselben auf
Scandinavien beschränkt geblieben; in Deutschland haben sie keinen Anklang ge¬
funden, während Tegnür's Frithiofsage, so wie W. Scott's Jungfrau am See
sich ein sehr bedeutendes Publicum erwarben. Oehlenschlägcr sucht den Grund
darin, daß in Frithiof die moderne Sentimentalität ihre Nahrung gefunden hätte,
während er selber sich streng in den altnordischen Vorstellungen bewegte. Einer¬
seits ist das Letztere nicht ganz richtig, denn er symbolisirt auch ziemlich stark,
andererseits würde es auch kein genügender Grund sein. Solche Art Dichtungen
sind aber immer ein Luxusartikel, der bei einer fremden Nation nur durch einen
günstigen Zufall Theilnahme findet. Bei fremden Dichtern sucht man zunächst uach
dem Hauptwerk. ' Bei Tegncw war dies unstreitig die Frithiofsage, während man
bei Oehlenschlägcr immer zunächst an den Aladdin und Correggio dachte. Selbst
von W. Scott's epischen Gedichten haben sich nur zwei bei uns Bahn gebrochen,
und doch stand uns W. Scott schon darum näher, weil er in seinen Figuren
zwar möglichst den Inhalt und die Form der alten Zeit wiederzugeben suchte,
sich selber aber ans den Standpunkt der neuen Zeit stellte; er vermittelte durch
seine keineswegs sentimentale Empfindung dem Publicum den Contrast der alten
Ritterzeit; er zeichnete mit moderner Bestimmtheit die Landschaften, und was
sonst zur Farbe gehörte, ganz gegen den Geist der alten Ritlerzeiten, und es fiel
ihm nicht ein, symbolisch zu werden, anch wo er die übersinnliche Welt in das
wirkliche Leben hineinragen ließ, wie im "Lied des letzten Minstrcl." Nach mei¬
ner Meinung ist daS' anch das Richtige. Den Geist der alten Zeiten zu schildern,
wenn dieser es verdient, ist eine würdige Aufgabe; aber im Geist der alten Zeiten
zu dichten, ist unnatürlich und romantisch, und thut seine Wirkung nur bei einer
leidenschaftlich aufgeregte" Nationalität. Die Zeichnung bekommt dadurch etwas
Steifes und Altfränkisches, sie sieht ans, wie die Versuche des rafstnirteu moder¬
nen Griechischen Kunstgeschmacks, die Aeginetische" Formen nachzuahmen. -- Die
Form der Gedichte ist mit der Frithiofsage verwandt. Es ist mit Ausnahme des
Hrolf Mate, der wenigstens annäherungsweise einheitlich durchgeführt ist, überall
ein Nomanzeucyclus. Um die einheitliche Form auch äußerlich darzustellen, hatte
sich Oehleuschläger für das letztere Gedicht ein eigenes episches Versmaß gebildet,
indem er die Nibelnngenverse bald in großem, bald in kleinern Perioden ver¬
band, mit größerer Freiheit der Cäsur und des Reimes. Ju diesem Gedicht ist
auch auf das Psychologische ein größeres Gewicht gelegt, und der Kampf der
Barbarei eiues absterbenden Zeitalters mit den mildern Sitten einer neuern Zeit
nähert sich der Tragödie. Bon den übrigen Gedichten besteht Helge aus kecken,
leicht hingeworfenen Skizzen, die uns ganz äußerlich die Natur des nordischen


und die Longobarden, 1826; der falsche König Olaf, 1832; Knut
der Große, 1838; das Land gefunden und verschwunden, 18i6; Ain-
leth, 1846.

Was die epischen Gedichte betrifft, so ist die Einwirkung derselben auf
Scandinavien beschränkt geblieben; in Deutschland haben sie keinen Anklang ge¬
funden, während Tegnür's Frithiofsage, so wie W. Scott's Jungfrau am See
sich ein sehr bedeutendes Publicum erwarben. Oehlenschlägcr sucht den Grund
darin, daß in Frithiof die moderne Sentimentalität ihre Nahrung gefunden hätte,
während er selber sich streng in den altnordischen Vorstellungen bewegte. Einer¬
seits ist das Letztere nicht ganz richtig, denn er symbolisirt auch ziemlich stark,
andererseits würde es auch kein genügender Grund sein. Solche Art Dichtungen
sind aber immer ein Luxusartikel, der bei einer fremden Nation nur durch einen
günstigen Zufall Theilnahme findet. Bei fremden Dichtern sucht man zunächst uach
dem Hauptwerk. ' Bei Tegncw war dies unstreitig die Frithiofsage, während man
bei Oehlenschlägcr immer zunächst an den Aladdin und Correggio dachte. Selbst
von W. Scott's epischen Gedichten haben sich nur zwei bei uns Bahn gebrochen,
und doch stand uns W. Scott schon darum näher, weil er in seinen Figuren
zwar möglichst den Inhalt und die Form der alten Zeit wiederzugeben suchte,
sich selber aber ans den Standpunkt der neuen Zeit stellte; er vermittelte durch
seine keineswegs sentimentale Empfindung dem Publicum den Contrast der alten
Ritterzeit; er zeichnete mit moderner Bestimmtheit die Landschaften, und was
sonst zur Farbe gehörte, ganz gegen den Geist der alten Ritlerzeiten, und es fiel
ihm nicht ein, symbolisch zu werden, anch wo er die übersinnliche Welt in das
wirkliche Leben hineinragen ließ, wie im „Lied des letzten Minstrcl." Nach mei¬
ner Meinung ist daS' anch das Richtige. Den Geist der alten Zeiten zu schildern,
wenn dieser es verdient, ist eine würdige Aufgabe; aber im Geist der alten Zeiten
zu dichten, ist unnatürlich und romantisch, und thut seine Wirkung nur bei einer
leidenschaftlich aufgeregte» Nationalität. Die Zeichnung bekommt dadurch etwas
Steifes und Altfränkisches, sie sieht ans, wie die Versuche des rafstnirteu moder¬
nen Griechischen Kunstgeschmacks, die Aeginetische» Formen nachzuahmen. — Die
Form der Gedichte ist mit der Frithiofsage verwandt. Es ist mit Ausnahme des
Hrolf Mate, der wenigstens annäherungsweise einheitlich durchgeführt ist, überall
ein Nomanzeucyclus. Um die einheitliche Form auch äußerlich darzustellen, hatte
sich Oehleuschläger für das letztere Gedicht ein eigenes episches Versmaß gebildet,
indem er die Nibelnngenverse bald in großem, bald in kleinern Perioden ver¬
band, mit größerer Freiheit der Cäsur und des Reimes. Ju diesem Gedicht ist
auch auf das Psychologische ein größeres Gewicht gelegt, und der Kampf der
Barbarei eiues absterbenden Zeitalters mit den mildern Sitten einer neuern Zeit
nähert sich der Tragödie. Bon den übrigen Gedichten besteht Helge aus kecken,
leicht hingeworfenen Skizzen, die uns ganz äußerlich die Natur des nordischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/341>, abgerufen am 03.07.2024.