Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

für uns gerade die kleinen Abhandlungen, in denen er sich über das Dänenthum
"ut den Dänischen Charakter ausspricht. Er erkennt den großen Einfluß, den
die Deutsche Literatur darauf ausgeübt, vollkommen an, behauptet aber eben so
fest, daß dieser Einfluß sich nur so weit erstreckt -habe und erstrecken dürfe, als
die Natur des Dänischen Volkes ohne Verfälschung es ertragen könne. Mit
mildem Spott gegen die Extravaganzen des enthusiastischen Danismns zeigt er,
wie der Letztere gerade aus solche Eigenschaften ein besonderes Gewicht gelegt
hat, die entweder überhaupt gar keine Vorzüge, oder die allen Völkern gemein
seien, und daß daher mit Unrecht ans die Sagenzeit als auf die eigentliche Blüthe
Dänemarks zurückgeblickt werde. Er stellt im Gegentheil Mäßigung und Be¬
scheidenheit als das eigentliche Wesen (wir würde" sagen, als das Ideal) des
Dänischen Charakters dar; und was mehr als diese Versicherung sagen will, er
selber entspricht diesem Ideal vollkommen, und vereinigt noch damit einen sel¬
tenen Scharfsinn und ein um so intensiveres edles Wohlwollen, als es sich nicht
in Deklamationen ausgiebt.

Die einzelnen seiner Reden sind musterhaft durch die Vereinigung von Milde
und Bestimmtheit, von Kürze und Vollständigkeit in der Hauptsache. So hat
z. B. uoch Niemand in Deutschland ein so unbefangenes Bild von Steffens gegeben.
Vortrefflich ist auch die Denkrede auf König Christian Viti., aus der wir lernen
können, wie man von einem König Gutes sagen kann, ohne gemein zu werdeu,
was bei uns sehr selten der Fall ist. '

Die Abhandlungen, welche die Ergänzungen zum "Geist in der Natur"
bilden, haben, abgesehen von dem Positiven, was wir daraus lernen, für uns
namentlich den Vortheil, daß wir uns die Stellung, welche die Aufklärung zur
öffentlichen Meinung in Dänemark einnimmt, daraus versinnlichen können. Die
Bigotterie und der Aberglaube scheinen es dort doch noch ärger zu treiben, als bei
uns. Was den Inhalt betrifft, so mache ich hier nur aus die eine Abhandlung
aufmerksam: "Ueber das Unschöne in der Natur", worin vollkommen richtig nach¬
gewiesen wird, daß von einem absolut Unschönen nicht die Rede sein kann, daß
nur in der Beziehung auf eine falsche Stelle der Gedanke des Unschönen in der
Natur eintritt. Es ist diese Ansicht ein wesentliches und nothwendiges Glied in
dem Jdentitätssystem, welches der "Geist in der Natur" vertritt.

Man möge diese zerstreuten Bemerkungen, die natürlich nicht erschöpfend sein
können, weil die vollständige Würdigung Oersted's eine streng wissenschaftliche
sein müßte und diese nicht in den Kreis unsers Blattes gehört, als eine Ein¬
leitung zu den folgenden ausführlicheren Charakteristiken hinnehmen, die ich vor¬
ausgeschickt habe, um zu zeigen, daß wir einer wirklich bedeutenden und achtung¬
gebietenden Erscheinung gegenüber auch unbedingte Anerkennung aussprechen ton¬
nen. Bei den Dichtern, zu denen ich dann übergehe -- zunächst Oehlenschläger
I. S. -- wird das nicht mehr so unbedingt der Fall sein.




für uns gerade die kleinen Abhandlungen, in denen er sich über das Dänenthum
»ut den Dänischen Charakter ausspricht. Er erkennt den großen Einfluß, den
die Deutsche Literatur darauf ausgeübt, vollkommen an, behauptet aber eben so
fest, daß dieser Einfluß sich nur so weit erstreckt -habe und erstrecken dürfe, als
die Natur des Dänischen Volkes ohne Verfälschung es ertragen könne. Mit
mildem Spott gegen die Extravaganzen des enthusiastischen Danismns zeigt er,
wie der Letztere gerade aus solche Eigenschaften ein besonderes Gewicht gelegt
hat, die entweder überhaupt gar keine Vorzüge, oder die allen Völkern gemein
seien, und daß daher mit Unrecht ans die Sagenzeit als auf die eigentliche Blüthe
Dänemarks zurückgeblickt werde. Er stellt im Gegentheil Mäßigung und Be¬
scheidenheit als das eigentliche Wesen (wir würde» sagen, als das Ideal) des
Dänischen Charakters dar; und was mehr als diese Versicherung sagen will, er
selber entspricht diesem Ideal vollkommen, und vereinigt noch damit einen sel¬
tenen Scharfsinn und ein um so intensiveres edles Wohlwollen, als es sich nicht
in Deklamationen ausgiebt.

Die einzelnen seiner Reden sind musterhaft durch die Vereinigung von Milde
und Bestimmtheit, von Kürze und Vollständigkeit in der Hauptsache. So hat
z. B. uoch Niemand in Deutschland ein so unbefangenes Bild von Steffens gegeben.
Vortrefflich ist auch die Denkrede auf König Christian Viti., aus der wir lernen
können, wie man von einem König Gutes sagen kann, ohne gemein zu werdeu,
was bei uns sehr selten der Fall ist. '

Die Abhandlungen, welche die Ergänzungen zum „Geist in der Natur"
bilden, haben, abgesehen von dem Positiven, was wir daraus lernen, für uns
namentlich den Vortheil, daß wir uns die Stellung, welche die Aufklärung zur
öffentlichen Meinung in Dänemark einnimmt, daraus versinnlichen können. Die
Bigotterie und der Aberglaube scheinen es dort doch noch ärger zu treiben, als bei
uns. Was den Inhalt betrifft, so mache ich hier nur aus die eine Abhandlung
aufmerksam: „Ueber das Unschöne in der Natur", worin vollkommen richtig nach¬
gewiesen wird, daß von einem absolut Unschönen nicht die Rede sein kann, daß
nur in der Beziehung auf eine falsche Stelle der Gedanke des Unschönen in der
Natur eintritt. Es ist diese Ansicht ein wesentliches und nothwendiges Glied in
dem Jdentitätssystem, welches der „Geist in der Natur" vertritt.

Man möge diese zerstreuten Bemerkungen, die natürlich nicht erschöpfend sein
können, weil die vollständige Würdigung Oersted's eine streng wissenschaftliche
sein müßte und diese nicht in den Kreis unsers Blattes gehört, als eine Ein¬
leitung zu den folgenden ausführlicheren Charakteristiken hinnehmen, die ich vor¬
ausgeschickt habe, um zu zeigen, daß wir einer wirklich bedeutenden und achtung¬
gebietenden Erscheinung gegenüber auch unbedingte Anerkennung aussprechen ton¬
nen. Bei den Dichtern, zu denen ich dann übergehe — zunächst Oehlenschläger
I. S. — wird das nicht mehr so unbedingt der Fall sein.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0316" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280403"/>
          <p xml:id="ID_854" prev="#ID_853"> für uns gerade die kleinen Abhandlungen, in denen er sich über das Dänenthum<lb/>
»ut den Dänischen Charakter ausspricht. Er erkennt den großen Einfluß, den<lb/>
die Deutsche Literatur darauf ausgeübt, vollkommen an, behauptet aber eben so<lb/>
fest, daß dieser Einfluß sich nur so weit erstreckt -habe und erstrecken dürfe, als<lb/>
die Natur des Dänischen Volkes ohne Verfälschung es ertragen könne. Mit<lb/>
mildem Spott gegen die Extravaganzen des enthusiastischen Danismns zeigt er,<lb/>
wie der Letztere gerade aus solche Eigenschaften ein besonderes Gewicht gelegt<lb/>
hat, die entweder überhaupt gar keine Vorzüge, oder die allen Völkern gemein<lb/>
seien, und daß daher mit Unrecht ans die Sagenzeit als auf die eigentliche Blüthe<lb/>
Dänemarks zurückgeblickt werde. Er stellt im Gegentheil Mäßigung und Be¬<lb/>
scheidenheit als das eigentliche Wesen (wir würde» sagen, als das Ideal) des<lb/>
Dänischen Charakters dar; und was mehr als diese Versicherung sagen will, er<lb/>
selber entspricht diesem Ideal vollkommen, und vereinigt noch damit einen sel¬<lb/>
tenen Scharfsinn und ein um so intensiveres edles Wohlwollen, als es sich nicht<lb/>
in Deklamationen ausgiebt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_855"> Die einzelnen seiner Reden sind musterhaft durch die Vereinigung von Milde<lb/>
und Bestimmtheit, von Kürze und Vollständigkeit in der Hauptsache. So hat<lb/>
z. B. uoch Niemand in Deutschland ein so unbefangenes Bild von Steffens gegeben.<lb/>
Vortrefflich ist auch die Denkrede auf König Christian Viti., aus der wir lernen<lb/>
können, wie man von einem König Gutes sagen kann, ohne gemein zu werdeu,<lb/>
was bei uns sehr selten der Fall ist. '</p><lb/>
          <p xml:id="ID_856"> Die Abhandlungen, welche die Ergänzungen zum &#x201E;Geist in der Natur"<lb/>
bilden, haben, abgesehen von dem Positiven, was wir daraus lernen, für uns<lb/>
namentlich den Vortheil, daß wir uns die Stellung, welche die Aufklärung zur<lb/>
öffentlichen Meinung in Dänemark einnimmt, daraus versinnlichen können. Die<lb/>
Bigotterie und der Aberglaube scheinen es dort doch noch ärger zu treiben, als bei<lb/>
uns. Was den Inhalt betrifft, so mache ich hier nur aus die eine Abhandlung<lb/>
aufmerksam: &#x201E;Ueber das Unschöne in der Natur", worin vollkommen richtig nach¬<lb/>
gewiesen wird, daß von einem absolut Unschönen nicht die Rede sein kann, daß<lb/>
nur in der Beziehung auf eine falsche Stelle der Gedanke des Unschönen in der<lb/>
Natur eintritt. Es ist diese Ansicht ein wesentliches und nothwendiges Glied in<lb/>
dem Jdentitätssystem, welches der &#x201E;Geist in der Natur" vertritt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_857"> Man möge diese zerstreuten Bemerkungen, die natürlich nicht erschöpfend sein<lb/>
können, weil die vollständige Würdigung Oersted's eine streng wissenschaftliche<lb/>
sein müßte und diese nicht in den Kreis unsers Blattes gehört, als eine Ein¬<lb/>
leitung zu den folgenden ausführlicheren Charakteristiken hinnehmen, die ich vor¬<lb/>
ausgeschickt habe, um zu zeigen, daß wir einer wirklich bedeutenden und achtung¬<lb/>
gebietenden Erscheinung gegenüber auch unbedingte Anerkennung aussprechen ton¬<lb/>
nen. Bei den Dichtern, zu denen ich dann übergehe &#x2014; zunächst Oehlenschläger<lb/><note type="byline"> I. S.</note> &#x2014; wird das nicht mehr so unbedingt der Fall sein. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0316] für uns gerade die kleinen Abhandlungen, in denen er sich über das Dänenthum »ut den Dänischen Charakter ausspricht. Er erkennt den großen Einfluß, den die Deutsche Literatur darauf ausgeübt, vollkommen an, behauptet aber eben so fest, daß dieser Einfluß sich nur so weit erstreckt -habe und erstrecken dürfe, als die Natur des Dänischen Volkes ohne Verfälschung es ertragen könne. Mit mildem Spott gegen die Extravaganzen des enthusiastischen Danismns zeigt er, wie der Letztere gerade aus solche Eigenschaften ein besonderes Gewicht gelegt hat, die entweder überhaupt gar keine Vorzüge, oder die allen Völkern gemein seien, und daß daher mit Unrecht ans die Sagenzeit als auf die eigentliche Blüthe Dänemarks zurückgeblickt werde. Er stellt im Gegentheil Mäßigung und Be¬ scheidenheit als das eigentliche Wesen (wir würde» sagen, als das Ideal) des Dänischen Charakters dar; und was mehr als diese Versicherung sagen will, er selber entspricht diesem Ideal vollkommen, und vereinigt noch damit einen sel¬ tenen Scharfsinn und ein um so intensiveres edles Wohlwollen, als es sich nicht in Deklamationen ausgiebt. Die einzelnen seiner Reden sind musterhaft durch die Vereinigung von Milde und Bestimmtheit, von Kürze und Vollständigkeit in der Hauptsache. So hat z. B. uoch Niemand in Deutschland ein so unbefangenes Bild von Steffens gegeben. Vortrefflich ist auch die Denkrede auf König Christian Viti., aus der wir lernen können, wie man von einem König Gutes sagen kann, ohne gemein zu werdeu, was bei uns sehr selten der Fall ist. ' Die Abhandlungen, welche die Ergänzungen zum „Geist in der Natur" bilden, haben, abgesehen von dem Positiven, was wir daraus lernen, für uns namentlich den Vortheil, daß wir uns die Stellung, welche die Aufklärung zur öffentlichen Meinung in Dänemark einnimmt, daraus versinnlichen können. Die Bigotterie und der Aberglaube scheinen es dort doch noch ärger zu treiben, als bei uns. Was den Inhalt betrifft, so mache ich hier nur aus die eine Abhandlung aufmerksam: „Ueber das Unschöne in der Natur", worin vollkommen richtig nach¬ gewiesen wird, daß von einem absolut Unschönen nicht die Rede sein kann, daß nur in der Beziehung auf eine falsche Stelle der Gedanke des Unschönen in der Natur eintritt. Es ist diese Ansicht ein wesentliches und nothwendiges Glied in dem Jdentitätssystem, welches der „Geist in der Natur" vertritt. Man möge diese zerstreuten Bemerkungen, die natürlich nicht erschöpfend sein können, weil die vollständige Würdigung Oersted's eine streng wissenschaftliche sein müßte und diese nicht in den Kreis unsers Blattes gehört, als eine Ein¬ leitung zu den folgenden ausführlicheren Charakteristiken hinnehmen, die ich vor¬ ausgeschickt habe, um zu zeigen, daß wir einer wirklich bedeutenden und achtung¬ gebietenden Erscheinung gegenüber auch unbedingte Anerkennung aussprechen ton¬ nen. Bei den Dichtern, zu denen ich dann übergehe — zunächst Oehlenschläger I. S. — wird das nicht mehr so unbedingt der Fall sein.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/316
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/316>, abgerufen am 04.07.2024.