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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Blicke als ein geschmackvoll errichtetes Amphitheater von 28,000 Quadratfuß dar,
das, groß genng, um 8000 Zuschauer zu fassen, mit dein Rücken gegen den
See zugekehrt, vor sich den zur Aufführung der Fcstsceneu bestimmten Kreisplatz
von ungefähr 2-10 Fuß Länge und -us Fuß Tiefe hatte. Beides, .Estrade und
Kreisplatz, sind durch eine einfache Balustrade verbunden, über die hinweg dem
nicht ans die Estrade eintretenden Publicum genügende Aussicht auf deu Platz der
Scenen vergönnt ist. Gegenüber der Estrade in gehöriger Entfernung von ein¬
ander sind die drei großen Eingänge für die verschiedenen Abtheilungen des Fest¬
zuges, und zwar der Bazar des Frühjahrs oder der Pales, des Sommers oder
der Ceres und des Herbstes oder des Bacchus, alle drei in gleicher Große, und
eben nur verschieden durch die Ausschmückung mit deu verschiedenen, den bezeich¬
neten Gottheiten zugehörige" Attribute". Am Fuße der Estrade, in ziemlicher
Erhöhung, erhebt sich eine Art Tribüne, bestimmt zur "Krönung" der Winzer.

Alle diese Einzelnheiten, Guirlanden, Blumen und sonstige Verzierungen
uns ganz genan zu besehen, hatten wir natürlich vollständige Zeit, da wir ziemlich
i volle Stunden bis zur Ankunft des Festzuges an Ort und Stelle zu warten
hatten. Ich will diesen Nnhepuul't benutzen, um dem freundlichen Leser einige
kurze Mittheilungen über die Entstehung und Bedeutung dieses Festes zu geben,
das jedenfalls das einzige seiner Art ist. Viele behaupten, dieses Vignerons-
Fest in Vevay, über das man noch heutigen Tags die gewissesten Nachrichten bis
zum Jahre 1t>18 zurück hat, gehe weit zurück bis in die alten heidnischen Zeiten,
und sei ursprünglich namentlich eine Nachahmung der im alten Griechenland ge¬
feierten diesfällsiger Feste gewesen. Wie dem auch sein mag, so viel ist gewiß,
daß im Mittelalter die Brüder des Klosters Hautcret im Bezirke Oron (im jetzi¬
gen Canton Waadt), welche gleich andern großen Grnndeigenthümern bedeutende
Weinberge in der Umgebung von Vevay besaßen, ihren Winzern nach gethaner
Arbeit alljährlich aus Erkenntlichkeit oder der einmal üblichen Sitte gemäß ein
kleines Fest gaben, welches in einer Procession Dieser mit ihrem Arbeitsgerät!)
und einem sich daran knüpfenden einfachen Mahle bestand, bei welchem natürlich
der Wein, wie noch heutigen Tags bei allen Festlichkeiten der Waadtländer, eine
Hauptrolle spielte. Nach und nach schlössen sich die Weinbauern diesem Feste an,
und endlich bildete sich die noch heute fortbestehende Gesellschaft zur Feier dieses
Festes, die sich zu. gleicher Zeit den Zweck setzte, auf die möglichste Vervollkomm¬
nung der Neben- und Weincultur selbst einzuwirken. Seit dieser Zeit fügte man
der ursprünglichen einfachen Procession der Winzer mit ihren Werkzeugen alle¬
gorische Darstellungen aus der Mythenzeit hinzu, und namentlich Bacchus, Pales
"ut Ceres nebst ihrem Gefolge füllten den größten Theil des großen Festzuges
"us. In dieser Weise wurde dieses Winzerfest in den Jahren 1797, 18-19 und
gefeiert, und hat ebeu seit jener Zeit eine solche Berühmtheit hinterlassen,
daß es vorauszusehen war, daß der Zudrang anch dieses Jahr (wie es wirklich


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Blicke als ein geschmackvoll errichtetes Amphitheater von 28,000 Quadratfuß dar,
das, groß genng, um 8000 Zuschauer zu fassen, mit dein Rücken gegen den
See zugekehrt, vor sich den zur Aufführung der Fcstsceneu bestimmten Kreisplatz
von ungefähr 2-10 Fuß Länge und -us Fuß Tiefe hatte. Beides, .Estrade und
Kreisplatz, sind durch eine einfache Balustrade verbunden, über die hinweg dem
nicht ans die Estrade eintretenden Publicum genügende Aussicht auf deu Platz der
Scenen vergönnt ist. Gegenüber der Estrade in gehöriger Entfernung von ein¬
ander sind die drei großen Eingänge für die verschiedenen Abtheilungen des Fest¬
zuges, und zwar der Bazar des Frühjahrs oder der Pales, des Sommers oder
der Ceres und des Herbstes oder des Bacchus, alle drei in gleicher Große, und
eben nur verschieden durch die Ausschmückung mit deu verschiedenen, den bezeich¬
neten Gottheiten zugehörige» Attribute». Am Fuße der Estrade, in ziemlicher
Erhöhung, erhebt sich eine Art Tribüne, bestimmt zur „Krönung" der Winzer.

Alle diese Einzelnheiten, Guirlanden, Blumen und sonstige Verzierungen
uns ganz genan zu besehen, hatten wir natürlich vollständige Zeit, da wir ziemlich
i volle Stunden bis zur Ankunft des Festzuges an Ort und Stelle zu warten
hatten. Ich will diesen Nnhepuul't benutzen, um dem freundlichen Leser einige
kurze Mittheilungen über die Entstehung und Bedeutung dieses Festes zu geben,
das jedenfalls das einzige seiner Art ist. Viele behaupten, dieses Vignerons-
Fest in Vevay, über das man noch heutigen Tags die gewissesten Nachrichten bis
zum Jahre 1t>18 zurück hat, gehe weit zurück bis in die alten heidnischen Zeiten,
und sei ursprünglich namentlich eine Nachahmung der im alten Griechenland ge¬
feierten diesfällsiger Feste gewesen. Wie dem auch sein mag, so viel ist gewiß,
daß im Mittelalter die Brüder des Klosters Hautcret im Bezirke Oron (im jetzi¬
gen Canton Waadt), welche gleich andern großen Grnndeigenthümern bedeutende
Weinberge in der Umgebung von Vevay besaßen, ihren Winzern nach gethaner
Arbeit alljährlich aus Erkenntlichkeit oder der einmal üblichen Sitte gemäß ein
kleines Fest gaben, welches in einer Procession Dieser mit ihrem Arbeitsgerät!)
und einem sich daran knüpfenden einfachen Mahle bestand, bei welchem natürlich
der Wein, wie noch heutigen Tags bei allen Festlichkeiten der Waadtländer, eine
Hauptrolle spielte. Nach und nach schlössen sich die Weinbauern diesem Feste an,
und endlich bildete sich die noch heute fortbestehende Gesellschaft zur Feier dieses
Festes, die sich zu. gleicher Zeit den Zweck setzte, auf die möglichste Vervollkomm¬
nung der Neben- und Weincultur selbst einzuwirken. Seit dieser Zeit fügte man
der ursprünglichen einfachen Procession der Winzer mit ihren Werkzeugen alle¬
gorische Darstellungen aus der Mythenzeit hinzu, und namentlich Bacchus, Pales
»ut Ceres nebst ihrem Gefolge füllten den größten Theil des großen Festzuges
"us. In dieser Weise wurde dieses Winzerfest in den Jahren 1797, 18-19 und
gefeiert, und hat ebeu seit jener Zeit eine solche Berühmtheit hinterlassen,
daß es vorauszusehen war, daß der Zudrang anch dieses Jahr (wie es wirklich


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[0305] Blicke als ein geschmackvoll errichtetes Amphitheater von 28,000 Quadratfuß dar, das, groß genng, um 8000 Zuschauer zu fassen, mit dein Rücken gegen den See zugekehrt, vor sich den zur Aufführung der Fcstsceneu bestimmten Kreisplatz von ungefähr 2-10 Fuß Länge und -us Fuß Tiefe hatte. Beides, .Estrade und Kreisplatz, sind durch eine einfache Balustrade verbunden, über die hinweg dem nicht ans die Estrade eintretenden Publicum genügende Aussicht auf deu Platz der Scenen vergönnt ist. Gegenüber der Estrade in gehöriger Entfernung von ein¬ ander sind die drei großen Eingänge für die verschiedenen Abtheilungen des Fest¬ zuges, und zwar der Bazar des Frühjahrs oder der Pales, des Sommers oder der Ceres und des Herbstes oder des Bacchus, alle drei in gleicher Große, und eben nur verschieden durch die Ausschmückung mit deu verschiedenen, den bezeich¬ neten Gottheiten zugehörige» Attribute». Am Fuße der Estrade, in ziemlicher Erhöhung, erhebt sich eine Art Tribüne, bestimmt zur „Krönung" der Winzer. Alle diese Einzelnheiten, Guirlanden, Blumen und sonstige Verzierungen uns ganz genan zu besehen, hatten wir natürlich vollständige Zeit, da wir ziemlich i volle Stunden bis zur Ankunft des Festzuges an Ort und Stelle zu warten hatten. Ich will diesen Nnhepuul't benutzen, um dem freundlichen Leser einige kurze Mittheilungen über die Entstehung und Bedeutung dieses Festes zu geben, das jedenfalls das einzige seiner Art ist. Viele behaupten, dieses Vignerons- Fest in Vevay, über das man noch heutigen Tags die gewissesten Nachrichten bis zum Jahre 1t>18 zurück hat, gehe weit zurück bis in die alten heidnischen Zeiten, und sei ursprünglich namentlich eine Nachahmung der im alten Griechenland ge¬ feierten diesfällsiger Feste gewesen. Wie dem auch sein mag, so viel ist gewiß, daß im Mittelalter die Brüder des Klosters Hautcret im Bezirke Oron (im jetzi¬ gen Canton Waadt), welche gleich andern großen Grnndeigenthümern bedeutende Weinberge in der Umgebung von Vevay besaßen, ihren Winzern nach gethaner Arbeit alljährlich aus Erkenntlichkeit oder der einmal üblichen Sitte gemäß ein kleines Fest gaben, welches in einer Procession Dieser mit ihrem Arbeitsgerät!) und einem sich daran knüpfenden einfachen Mahle bestand, bei welchem natürlich der Wein, wie noch heutigen Tags bei allen Festlichkeiten der Waadtländer, eine Hauptrolle spielte. Nach und nach schlössen sich die Weinbauern diesem Feste an, und endlich bildete sich die noch heute fortbestehende Gesellschaft zur Feier dieses Festes, die sich zu. gleicher Zeit den Zweck setzte, auf die möglichste Vervollkomm¬ nung der Neben- und Weincultur selbst einzuwirken. Seit dieser Zeit fügte man der ursprünglichen einfachen Procession der Winzer mit ihren Werkzeugen alle¬ gorische Darstellungen aus der Mythenzeit hinzu, und namentlich Bacchus, Pales »ut Ceres nebst ihrem Gefolge füllten den größten Theil des großen Festzuges "us. In dieser Weise wurde dieses Winzerfest in den Jahren 1797, 18-19 und gefeiert, und hat ebeu seit jener Zeit eine solche Berühmtheit hinterlassen, daß es vorauszusehen war, daß der Zudrang anch dieses Jahr (wie es wirklich Grenzboten. M. 18!.i-!. 5!8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/305>, abgerufen am 02.07.2024.