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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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er die Arm' etwan nach der Censur ausg'streckt? Gott behüt! Der Jörgel is kein
Obscurant uit, und weiß ganz gut, daß die Censur eine falsche Hausmeisterin
gewesen is, die's größte Lnmpeng'findet eing'lassen hat, wann'S nur feine Glacehand¬
schuh getragen und manierliche Redensarten von Loyalität und Legalität im Maul
g'führt hat; eine tölpische Gcmüsgärtnerci, die blos die Blattlaus' von die Blätter
wegg'sagt hat, das dös giftige Unkraut um so höher und frecher aufg'schossen is.
Lassens mich aus mit der Censur! Ein ehrliches, offenes Verbot is mir tausend¬
mal lieber. Der Haken ist nur, wo fangt man an, und wo hört man ans? Nit
die Bücher sollt mau verbieten, deun dös is zu spat, weil die Polizei immer hin-
drein humpelt, wann's Uaglück geschehn is, nud die Schandschreibcrei in der Lent
ihre Taschen steckt, -- dös Drucken ganz und gar that ich einstellen, und Kinder,
that ich sagen, Ihr habt's Bücher und Blätter genung auf a hundert Jahr, und
jetzt gebt's a Ruh! G'sprungen wär ich bald vor Freud, wie ich so weit g'wesen
bin, und hab g'meint, nnn hab ich meine heilige Pflicht erfüllt, und mein Volk
wenigstens auf einhundert oder zweihundert Jahr vom FreiheitS-Schwindel kurirt!
Jörgel, hab ich in mein' Herzen g'jvdelt, du sollest Münster sein und kein An¬
derer, -- o weh! Da ist mir auf einmal eing'fallen, was ich vor ein kindischer
alter Bamschabel bin! Hast'S ja selber gesagt, talketer Jörgel, die Lent haben aus a
hundert Jahr Bücher und Blätter genug! Und wenn man jetzt alle Pressen zwi¬
schen Belgrad und Hamburg in die Donau werfen that, wos am Tiefsten ist, so
kann man die Menschheit nit abhalten, daß sie sich mit Makulatur vergift't!
Ist doch seit dem Luther nnr zu viel Fliegenpapier fabricirt worden, an dem
die armen Seelen wie an Leiuuuthen kleben. Und wann Einer dös ganze
bedrückte und beschriebene Papier, was in der Welt hat, verbrennen könnt, urbs
reine Papier mit sammt die Papiermüller obendrein, -- nutzt auch nix. Die
Lent wissen All's auswendig, was drauf g'standen hat. Wie bringt Einer dös aus
die Millionen Kopp' wieder 'raus, wann er nit hexen kann? Schaum's, lieber
Kappelbaumer, da bin i wieder am Berg' g'standen, und wußt nit ein noch
aus! Dös Blut ist mir zu Kopf g'stiegen, und 's war mir, als wann mir der
Satan, als Schmeißfliegen verkleibt, im Ohr g'fesselt und in Einem fort g'summt
hätt: 'S gibt ka Und! 'S gibt ka Ruh! S gibt ka Ruh! Ich sag
Ihnen, ich bin wie ein Armsünder, der durch den Strick g'fallen ist, ausg'rissen,
hab einpackt und bin durch dös ganze Dentschland, wos die Druckerei überhaupt
erfunden haben, in einer Tour sortg'fahren, und hab mich nit einmal umguckt. Unter
uns g'fegt, die fatale Idee will mir uoch jetzt manchmal nit aus'in Hirnkasten, ich seh
nit ein, wies a Ruh geben soll, so lang die Leut mit Gewalt auswendig lernen
und nix vergessen wollen. -- Jetzt bin ich in Ostend und stellenweis noch ganz
aus der Contenance. Sagen Sie's nit weiter, aber mir scheint, wann ich mir
die Sachen recht überleg', 's ist den Jörgel seine feste Ueberzeugung, daß die
Welt auf die Länge doch verloren ist. 's is mir auch vor Desperation ganz


er die Arm' etwan nach der Censur ausg'streckt? Gott behüt! Der Jörgel is kein
Obscurant uit, und weiß ganz gut, daß die Censur eine falsche Hausmeisterin
gewesen is, die's größte Lnmpeng'findet eing'lassen hat, wann'S nur feine Glacehand¬
schuh getragen und manierliche Redensarten von Loyalität und Legalität im Maul
g'führt hat; eine tölpische Gcmüsgärtnerci, die blos die Blattlaus' von die Blätter
wegg'sagt hat, das dös giftige Unkraut um so höher und frecher aufg'schossen is.
Lassens mich aus mit der Censur! Ein ehrliches, offenes Verbot is mir tausend¬
mal lieber. Der Haken ist nur, wo fangt man an, und wo hört man ans? Nit
die Bücher sollt mau verbieten, deun dös is zu spat, weil die Polizei immer hin-
drein humpelt, wann's Uaglück geschehn is, nud die Schandschreibcrei in der Lent
ihre Taschen steckt, — dös Drucken ganz und gar that ich einstellen, und Kinder,
that ich sagen, Ihr habt's Bücher und Blätter genung auf a hundert Jahr, und
jetzt gebt's a Ruh! G'sprungen wär ich bald vor Freud, wie ich so weit g'wesen
bin, und hab g'meint, nnn hab ich meine heilige Pflicht erfüllt, und mein Volk
wenigstens auf einhundert oder zweihundert Jahr vom FreiheitS-Schwindel kurirt!
Jörgel, hab ich in mein' Herzen g'jvdelt, du sollest Münster sein und kein An¬
derer, — o weh! Da ist mir auf einmal eing'fallen, was ich vor ein kindischer
alter Bamschabel bin! Hast'S ja selber gesagt, talketer Jörgel, die Lent haben aus a
hundert Jahr Bücher und Blätter genug! Und wenn man jetzt alle Pressen zwi¬
schen Belgrad und Hamburg in die Donau werfen that, wos am Tiefsten ist, so
kann man die Menschheit nit abhalten, daß sie sich mit Makulatur vergift't!
Ist doch seit dem Luther nnr zu viel Fliegenpapier fabricirt worden, an dem
die armen Seelen wie an Leiuuuthen kleben. Und wann Einer dös ganze
bedrückte und beschriebene Papier, was in der Welt hat, verbrennen könnt, urbs
reine Papier mit sammt die Papiermüller obendrein, — nutzt auch nix. Die
Lent wissen All's auswendig, was drauf g'standen hat. Wie bringt Einer dös aus
die Millionen Kopp' wieder 'raus, wann er nit hexen kann? Schaum's, lieber
Kappelbaumer, da bin i wieder am Berg' g'standen, und wußt nit ein noch
aus! Dös Blut ist mir zu Kopf g'stiegen, und 's war mir, als wann mir der
Satan, als Schmeißfliegen verkleibt, im Ohr g'fesselt und in Einem fort g'summt
hätt: 'S gibt ka Und! 'S gibt ka Ruh! S gibt ka Ruh! Ich sag
Ihnen, ich bin wie ein Armsünder, der durch den Strick g'fallen ist, ausg'rissen,
hab einpackt und bin durch dös ganze Dentschland, wos die Druckerei überhaupt
erfunden haben, in einer Tour sortg'fahren, und hab mich nit einmal umguckt. Unter
uns g'fegt, die fatale Idee will mir uoch jetzt manchmal nit aus'in Hirnkasten, ich seh
nit ein, wies a Ruh geben soll, so lang die Leut mit Gewalt auswendig lernen
und nix vergessen wollen. — Jetzt bin ich in Ostend und stellenweis noch ganz
aus der Contenance. Sagen Sie's nit weiter, aber mir scheint, wann ich mir
die Sachen recht überleg', 's ist den Jörgel seine feste Ueberzeugung, daß die
Welt auf die Länge doch verloren ist. 's is mir auch vor Desperation ganz


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/269>, abgerufen am 02.07.2024.