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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Skizzen aus Algerien.
i.
Ein Besuch im Cantonnement der Fremdenlegion.

Viele Tage lang hatte ich keinen Deutschen Laut vernommen, die tiefen Kehl¬
töne der Araber, das gellende Gekreisch der zahlreichen Juden, mit dem sie ihr
schlechtes Französisch, oder mehr noch ihre "Ilug-na, ki-auea" hervorsprudeln, mich
verschiedene Spanische und Italienische Dialekte, hatten vereint mit dem Franzö¬
sischen allein mein Ohr erreicht. In Algier selbst und den größern Garnisons¬
orten kann man zwar ziemlich viel Deutsch hören, wenn man darauf ausgeht,
denn zahlreiche Deutsche sind dort in den verschiedensten Lebensverhältnissen; in
Konstantine verschwindet es gänzlich. Die zahlreichen Elsässer, die man in
allen Graden des Französischen Heeres findet, sprechen auch unter einander fast
immer Französisch. Um mich einmal wieder an den Deutschen Klängen zu er¬
götzen, nahm ich das freundliche Anerbieten eines Französischen DivifionS-Adju-
tanten an, ihn auf einem Ritte nach einem Cantonnemcntslager der Fremden¬
legion, das ü Meilen von Constantine entfernt war, zu begleiten. Der Zufall
hatte gewollt, daß ich von der Fremdenlegion bisher nur einzelne Soldaten ge¬
sehen hatte, und Algerien zu verlassen, ohne dies Corps wenigstens theilweise
besichtigt zu haben, schien mir eine Sünde gegen die Pflicht eines militairischen
Touristen.

Ein röthlicher Schein im Osten des tief dunkeln südlichen Sternenhimmels
brach kaum hervor, da wieherte schon der kleine Fuchshengst echt Maurischer Zucht,
den ich mir in Algier von einem schwer erkrankten Unterofficier der "Spahis"
für die ganze Dauer meines Aufenthaltes in Algerien gemiethet hatte, vor mei¬
ner Thür. Rasch schwang ich mich in den tief ausgehöhlten Sattel desselben,
um den Adjutanten von dessen entferntem Quartier abzuholen. Auch hier war
schon Leben und Thätigkeit. In ihre weißen Bournousse gehüllt, hielten die "
Spahis, die uns zur Escorte dienen sollten, vor dem Hanse, und wiehernd be-


Grenzvotcn. i>i. in-i-i. 26
Skizzen aus Algerien.
i.
Ein Besuch im Cantonnement der Fremdenlegion.

Viele Tage lang hatte ich keinen Deutschen Laut vernommen, die tiefen Kehl¬
töne der Araber, das gellende Gekreisch der zahlreichen Juden, mit dem sie ihr
schlechtes Französisch, oder mehr noch ihre „Ilug-na, ki-auea" hervorsprudeln, mich
verschiedene Spanische und Italienische Dialekte, hatten vereint mit dem Franzö¬
sischen allein mein Ohr erreicht. In Algier selbst und den größern Garnisons¬
orten kann man zwar ziemlich viel Deutsch hören, wenn man darauf ausgeht,
denn zahlreiche Deutsche sind dort in den verschiedensten Lebensverhältnissen; in
Konstantine verschwindet es gänzlich. Die zahlreichen Elsässer, die man in
allen Graden des Französischen Heeres findet, sprechen auch unter einander fast
immer Französisch. Um mich einmal wieder an den Deutschen Klängen zu er¬
götzen, nahm ich das freundliche Anerbieten eines Französischen DivifionS-Adju-
tanten an, ihn auf einem Ritte nach einem Cantonnemcntslager der Fremden¬
legion, das ü Meilen von Constantine entfernt war, zu begleiten. Der Zufall
hatte gewollt, daß ich von der Fremdenlegion bisher nur einzelne Soldaten ge¬
sehen hatte, und Algerien zu verlassen, ohne dies Corps wenigstens theilweise
besichtigt zu haben, schien mir eine Sünde gegen die Pflicht eines militairischen
Touristen.

Ein röthlicher Schein im Osten des tief dunkeln südlichen Sternenhimmels
brach kaum hervor, da wieherte schon der kleine Fuchshengst echt Maurischer Zucht,
den ich mir in Algier von einem schwer erkrankten Unterofficier der „Spahis"
für die ganze Dauer meines Aufenthaltes in Algerien gemiethet hatte, vor mei¬
ner Thür. Rasch schwang ich mich in den tief ausgehöhlten Sattel desselben,
um den Adjutanten von dessen entferntem Quartier abzuholen. Auch hier war
schon Leben und Thätigkeit. In ihre weißen Bournousse gehüllt, hielten die «
Spahis, die uns zur Escorte dienen sollten, vor dem Hanse, und wiehernd be-


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[0209] Skizzen aus Algerien. i. Ein Besuch im Cantonnement der Fremdenlegion. Viele Tage lang hatte ich keinen Deutschen Laut vernommen, die tiefen Kehl¬ töne der Araber, das gellende Gekreisch der zahlreichen Juden, mit dem sie ihr schlechtes Französisch, oder mehr noch ihre „Ilug-na, ki-auea" hervorsprudeln, mich verschiedene Spanische und Italienische Dialekte, hatten vereint mit dem Franzö¬ sischen allein mein Ohr erreicht. In Algier selbst und den größern Garnisons¬ orten kann man zwar ziemlich viel Deutsch hören, wenn man darauf ausgeht, denn zahlreiche Deutsche sind dort in den verschiedensten Lebensverhältnissen; in Konstantine verschwindet es gänzlich. Die zahlreichen Elsässer, die man in allen Graden des Französischen Heeres findet, sprechen auch unter einander fast immer Französisch. Um mich einmal wieder an den Deutschen Klängen zu er¬ götzen, nahm ich das freundliche Anerbieten eines Französischen DivifionS-Adju- tanten an, ihn auf einem Ritte nach einem Cantonnemcntslager der Fremden¬ legion, das ü Meilen von Constantine entfernt war, zu begleiten. Der Zufall hatte gewollt, daß ich von der Fremdenlegion bisher nur einzelne Soldaten ge¬ sehen hatte, und Algerien zu verlassen, ohne dies Corps wenigstens theilweise besichtigt zu haben, schien mir eine Sünde gegen die Pflicht eines militairischen Touristen. Ein röthlicher Schein im Osten des tief dunkeln südlichen Sternenhimmels brach kaum hervor, da wieherte schon der kleine Fuchshengst echt Maurischer Zucht, den ich mir in Algier von einem schwer erkrankten Unterofficier der „Spahis" für die ganze Dauer meines Aufenthaltes in Algerien gemiethet hatte, vor mei¬ ner Thür. Rasch schwang ich mich in den tief ausgehöhlten Sattel desselben, um den Adjutanten von dessen entferntem Quartier abzuholen. Auch hier war schon Leben und Thätigkeit. In ihre weißen Bournousse gehüllt, hielten die « Spahis, die uns zur Escorte dienen sollten, vor dem Hanse, und wiehernd be- Grenzvotcn. i>i. in-i-i. 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/209>, abgerufen am 30.06.2024.