Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.Es wird kaum glaublich erscheinen, wenn ich sage, daß in den meisten Pol¬ Darm besteht denn auch die Buchführung ans den gnmdherrschaftlichcn Bei¬ Seit die Regierung deu Bauernstand etwas näher an sich zu ziehen suchte, Es wird kaum glaublich erscheinen, wenn ich sage, daß in den meisten Pol¬ Darm besteht denn auch die Buchführung ans den gnmdherrschaftlichcn Bei¬ Seit die Regierung deu Bauernstand etwas näher an sich zu ziehen suchte, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0197" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280284"/> <p xml:id="ID_524"> Es wird kaum glaublich erscheinen, wenn ich sage, daß in den meisten Pol¬<lb/> nischen Dörfern kein gedrucktes Buch , nicht einmal ein beschriebenes Blatt zu<lb/> finden ist. Mau fragt, wie steht es dann um die landwirtschaftliche Buchhaltung<lb/> auf den Edelhöfen? In denjenigen Dörfern, die von Grundherren bewohnt sind,<lb/> findet man allerdings einen Schreiber. Er ist in der Regel aber auch außer dem<lb/> Edelmann die einzige lese- und schreibkundige Person auf der Grundherrschast.<lb/> In den Ncbeudörferu führen sogenannte Karbowy die Wirthschaft. Sie sind in<lb/> der Regel dem Bauernstand entnommen, und ihre Bildung ist die der Bauern.<lb/> Ihr Titel schou rückdeutet ans ihre Schulbildung, und bezeichnet die patriarcha¬<lb/> lische Weise, welche in den Polnischen Dörfern waltet. Karb nämlich heißt die<lb/> Kerbe, der Einschnitt. Das Wort Karbowy aber bezeichnet Denjenigen, welcher<lb/> durch Kerben, die er in ein Stück Holz schneidet, die Frohndienste aufzeichnet,<lb/> welche die Bauern geleistet haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_525"> Darm besteht denn auch die Buchführung ans den gnmdherrschaftlichcn Bei¬<lb/> gütern. Alles, was dem Gedächtniß nicht anvertrauet werden kann, wird mittelst<lb/> des Messers einem Scheite eingeprägt. Jeder Bauer hat auf dem Scheite sein<lb/> Conto und sein Zeichen. Ein besonderer Schnitt ist für deu Speicher vorhanden,<lb/> und jede Getreideart hat ihren Platz und ihre Berechnung durch Einschneiden<lb/> von Kerben nud Wiederwegschueiden derselben. In der Stube des Karbowy<lb/> befindet sich in der Regel eine Nische, in welcher die Kerbscheite in bestimmter<lb/> Ordnung aufgestellt werden. Diese Nische führt den stolzen Namen Buchhalteria.<lb/> Ein eigenthümliches Schauspiel ist es, wenn am Sonnabend Abend die Karboweu<lb/> der verschiedenen Dörfer auf dem Hof des Grundherrn, auf kleinen Kleppern<lb/> sitzend, Bündel von Kerbscheiten uuter dem Arme, einziehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_526" next="#ID_527"> Seit die Regierung deu Bauernstand etwas näher an sich zu ziehen suchte,<lb/> verkehren die Aemter öfter direct, d. h. ohne Vermittelung der Grundherren,<lb/> mit ihm. Man wendet sich jeder Zeit an den Woyt, den Dorfschulzen. Aber<lb/> anch Dieser, ein gemeiner Bauer, kann weder lesen noch schreiben. In der<lb/> ersten Zeit dieses directen Verkehrs ließen die Aemter ihre Befragungen, Anzeigen,<lb/> Verordnungen ze. schriftlich an die Wvyts ergehen, und unterrichteten die Boten,<lb/> welche die Schriften überbrachten, nicht weiter. Das setzte die armen Teufel<lb/> von Woyts natürlich in bittere Verlegenheit, aus der sie sich nur durch Hilfe des<lb/> Edelmanns retten zu können meinten. Da nun aber der Edelmann in der amtlichen<lb/> Angelegenheit häufig das Object war, so kamen Anekdoten zu Tage, die den<lb/> Aemtern sehr ärgerlich waren. Man ließ daher den Befehl mündlich an die<lb/> Woyts ergehen, zum Verständniß amtlicher Erlasse weder die Hilfe des Edel¬<lb/> manns, noch des Pfarrers in Anspruch zu nehmen, sondern sich an den Bürger¬<lb/> oder Postmeister der nächsten Stadt, oder auch deu Befehlshaber einer Mili-<lb/> tairwache zu wenden, wenn sich eine solche in der Nähe befände. Da diese Ver¬<lb/> ordnung aber nur zu ost verkehrt ausgeführt wurde, und wunderliche Cor-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0197]
Es wird kaum glaublich erscheinen, wenn ich sage, daß in den meisten Pol¬
nischen Dörfern kein gedrucktes Buch , nicht einmal ein beschriebenes Blatt zu
finden ist. Mau fragt, wie steht es dann um die landwirtschaftliche Buchhaltung
auf den Edelhöfen? In denjenigen Dörfern, die von Grundherren bewohnt sind,
findet man allerdings einen Schreiber. Er ist in der Regel aber auch außer dem
Edelmann die einzige lese- und schreibkundige Person auf der Grundherrschast.
In den Ncbeudörferu führen sogenannte Karbowy die Wirthschaft. Sie sind in
der Regel dem Bauernstand entnommen, und ihre Bildung ist die der Bauern.
Ihr Titel schou rückdeutet ans ihre Schulbildung, und bezeichnet die patriarcha¬
lische Weise, welche in den Polnischen Dörfern waltet. Karb nämlich heißt die
Kerbe, der Einschnitt. Das Wort Karbowy aber bezeichnet Denjenigen, welcher
durch Kerben, die er in ein Stück Holz schneidet, die Frohndienste aufzeichnet,
welche die Bauern geleistet haben.
Darm besteht denn auch die Buchführung ans den gnmdherrschaftlichcn Bei¬
gütern. Alles, was dem Gedächtniß nicht anvertrauet werden kann, wird mittelst
des Messers einem Scheite eingeprägt. Jeder Bauer hat auf dem Scheite sein
Conto und sein Zeichen. Ein besonderer Schnitt ist für deu Speicher vorhanden,
und jede Getreideart hat ihren Platz und ihre Berechnung durch Einschneiden
von Kerben nud Wiederwegschueiden derselben. In der Stube des Karbowy
befindet sich in der Regel eine Nische, in welcher die Kerbscheite in bestimmter
Ordnung aufgestellt werden. Diese Nische führt den stolzen Namen Buchhalteria.
Ein eigenthümliches Schauspiel ist es, wenn am Sonnabend Abend die Karboweu
der verschiedenen Dörfer auf dem Hof des Grundherrn, auf kleinen Kleppern
sitzend, Bündel von Kerbscheiten uuter dem Arme, einziehen.
Seit die Regierung deu Bauernstand etwas näher an sich zu ziehen suchte,
verkehren die Aemter öfter direct, d. h. ohne Vermittelung der Grundherren,
mit ihm. Man wendet sich jeder Zeit an den Woyt, den Dorfschulzen. Aber
anch Dieser, ein gemeiner Bauer, kann weder lesen noch schreiben. In der
ersten Zeit dieses directen Verkehrs ließen die Aemter ihre Befragungen, Anzeigen,
Verordnungen ze. schriftlich an die Wvyts ergehen, und unterrichteten die Boten,
welche die Schriften überbrachten, nicht weiter. Das setzte die armen Teufel
von Woyts natürlich in bittere Verlegenheit, aus der sie sich nur durch Hilfe des
Edelmanns retten zu können meinten. Da nun aber der Edelmann in der amtlichen
Angelegenheit häufig das Object war, so kamen Anekdoten zu Tage, die den
Aemtern sehr ärgerlich waren. Man ließ daher den Befehl mündlich an die
Woyts ergehen, zum Verständniß amtlicher Erlasse weder die Hilfe des Edel¬
manns, noch des Pfarrers in Anspruch zu nehmen, sondern sich an den Bürger¬
oder Postmeister der nächsten Stadt, oder auch deu Befehlshaber einer Mili-
tairwache zu wenden, wenn sich eine solche in der Nähe befände. Da diese Ver¬
ordnung aber nur zu ost verkehrt ausgeführt wurde, und wunderliche Cor-
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