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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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sei. Es war daher eine Concession, die sie uns, den (Preußischen, progressistischen)
Royalisten machten, wenn sie in den Tagen der Krisis die Aufpflanzung des
republikanischen Banners hintertrieben, und wenn sie sich später mit uns zur Her¬
stellung der Preußischen Hegemonie in der Form eines Deutschen Kaiserthums
verbanden. Es ist natürlich, daß mit dem Scheitern dieses Plans die alten
Sympathien wieder hervortraten.

Aber viel ernsthafter ist die Stimmung Derjenigen unter uus, die entweder
gegen diese Doctrin gleichgültig sind, oder die sogar an der Idee einer Monarchie
für Deutschland festhalten, und die dennoch an der friedlichen Entwickelung der
Deutschen Verhältnisse so vollkommen verzweifeln, daß sie die Republik als einen
nothwendigen Durchgangspunkt betrachten, und zwar nicht die honnette Republik
der sogenannten gemäßigten Demokraten, sondern die rothe Republik mit allen
ihren Schrecken, um mit dem Bestehenden reinen Tisch zu machen.

So sehr ich es für Pflicht halte, diese Gesinnung, die um so schlimmer ist,
wenn sie nicht von dem unbedingten Glauben an den glücklichen Ausgang getragen
wird, in allen ihren Metamorphosen entschieden zu bekämpfen, so kann ich meine
Augen doch nicht vor der vollendeten Thatsache verschließen. Diese Gesinnung
ist in Kreisen, die selbst im Jahre 1847 noch leidenschaftlich conservativ, die nicht
blos mit dem Verstände, sondern auch mit dem Herzen Royalisten waren, jetzt in
einer Energie vorhanden, welche die Machthaber in Schrecken setzen würde, wenn
sie je an etwas Anderes dächten, als an die polizeiliche Ueberwachung von Ver¬
schwörungen. Verschwörungen können sie mit leichter Mühe unterdrücken, aber
gegen die Gesinnung nutzt ihnen kein Polizeispion.

Was mich betrifft, so halte ich die Republik sür Deutschland sowol als
Durchgang wie als Zielpunkt sür verkehrt. Wir brauchen eine energische Staats¬
gewalt, die uns im Innern zu einer einigen Nation macht, die uns nach Außen
hin wenigstens vor brutalen Eroberungen bewahrt. Ich gebe zu, daß Beides
unter der Fortdauer der gegenwärtige" Verfassung sehr schwer ist, aber es ist uicht
unmöglich, deun man vergesse nicht, daß trotz der Verfolgungen von oben her der
Deutsche nationale Geist in den Jahren von -181 i --1848 Progresse gemacht hat,
was wir von den drei letzten Jahren nicht sagen können. Deutschland in repu¬
blikanischer Form zu einer einigen Nation zu machen, wäre mir durch den Terro-
rismus möglich, und abgesehen davon, daß man den Terrorismus, auch wenn man
ihn vom historischen Standpunkt aus erklärt und entschuldigt, doch niemals als
reales, sittliches Individuum befördern kann, so ist mir wenigstens absolut unbe¬
greiflich, aus welche Weise er bei uns in Deutschland anders möglich sein sollte,
Ah durch Militairgewalt, und ebeu so unbegreiflich, wie sich die Demokratie bei
uns der Militairgewalt bemächtigen wollte. Bei eiuer fertigen Nation, wie es
die Französische im Jahre 1793 war, ist der Terrorismus nicht allein möglich,
sondern er ist anch zu ertragen, ohne daß die Lebenskraft des Volkes untergeht,


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sei. Es war daher eine Concession, die sie uns, den (Preußischen, progressistischen)
Royalisten machten, wenn sie in den Tagen der Krisis die Aufpflanzung des
republikanischen Banners hintertrieben, und wenn sie sich später mit uns zur Her¬
stellung der Preußischen Hegemonie in der Form eines Deutschen Kaiserthums
verbanden. Es ist natürlich, daß mit dem Scheitern dieses Plans die alten
Sympathien wieder hervortraten.

Aber viel ernsthafter ist die Stimmung Derjenigen unter uus, die entweder
gegen diese Doctrin gleichgültig sind, oder die sogar an der Idee einer Monarchie
für Deutschland festhalten, und die dennoch an der friedlichen Entwickelung der
Deutschen Verhältnisse so vollkommen verzweifeln, daß sie die Republik als einen
nothwendigen Durchgangspunkt betrachten, und zwar nicht die honnette Republik
der sogenannten gemäßigten Demokraten, sondern die rothe Republik mit allen
ihren Schrecken, um mit dem Bestehenden reinen Tisch zu machen.

So sehr ich es für Pflicht halte, diese Gesinnung, die um so schlimmer ist,
wenn sie nicht von dem unbedingten Glauben an den glücklichen Ausgang getragen
wird, in allen ihren Metamorphosen entschieden zu bekämpfen, so kann ich meine
Augen doch nicht vor der vollendeten Thatsache verschließen. Diese Gesinnung
ist in Kreisen, die selbst im Jahre 1847 noch leidenschaftlich conservativ, die nicht
blos mit dem Verstände, sondern auch mit dem Herzen Royalisten waren, jetzt in
einer Energie vorhanden, welche die Machthaber in Schrecken setzen würde, wenn
sie je an etwas Anderes dächten, als an die polizeiliche Ueberwachung von Ver¬
schwörungen. Verschwörungen können sie mit leichter Mühe unterdrücken, aber
gegen die Gesinnung nutzt ihnen kein Polizeispion.

Was mich betrifft, so halte ich die Republik sür Deutschland sowol als
Durchgang wie als Zielpunkt sür verkehrt. Wir brauchen eine energische Staats¬
gewalt, die uns im Innern zu einer einigen Nation macht, die uns nach Außen
hin wenigstens vor brutalen Eroberungen bewahrt. Ich gebe zu, daß Beides
unter der Fortdauer der gegenwärtige» Verfassung sehr schwer ist, aber es ist uicht
unmöglich, deun man vergesse nicht, daß trotz der Verfolgungen von oben her der
Deutsche nationale Geist in den Jahren von -181 i —1848 Progresse gemacht hat,
was wir von den drei letzten Jahren nicht sagen können. Deutschland in repu¬
blikanischer Form zu einer einigen Nation zu machen, wäre mir durch den Terro-
rismus möglich, und abgesehen davon, daß man den Terrorismus, auch wenn man
ihn vom historischen Standpunkt aus erklärt und entschuldigt, doch niemals als
reales, sittliches Individuum befördern kann, so ist mir wenigstens absolut unbe¬
greiflich, aus welche Weise er bei uns in Deutschland anders möglich sein sollte,
Ah durch Militairgewalt, und ebeu so unbegreiflich, wie sich die Demokratie bei
uns der Militairgewalt bemächtigen wollte. Bei eiuer fertigen Nation, wie es
die Französische im Jahre 1793 war, ist der Terrorismus nicht allein möglich,
sondern er ist anch zu ertragen, ohne daß die Lebenskraft des Volkes untergeht,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/195>, abgerufen am 30.06.2024.