Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.eS soll mit ihm theile" die Arbeit, oder ihn unbeschwert erhalten zur Arbeit; es soll Jeremias Gotthelf hat so eben bei Springer in Berlin eine neue Ausgabe seines eS soll mit ihm theile» die Arbeit, oder ihn unbeschwert erhalten zur Arbeit; es soll Jeremias Gotthelf hat so eben bei Springer in Berlin eine neue Ausgabe seines <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0154" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280241"/> <p xml:id="ID_377" prev="#ID_376"> eS soll mit ihm theile» die Arbeit, oder ihn unbeschwert erhalten zur Arbeit; es soll<lb/> die Mutter der Kinder sein, und nicht tanzen, während der Mann und die Kindcrmagd<lb/> sie zur Ruhe legen und wiegen; es soll sorgen und walten im Hause, während der<lb/> Mann seiner Arbeit nachgeht; es soll nicht Hemden und Strümpfe, Kinder und Küche<lb/> über Novellen oder Visiten vergessen; es soll nickt die Nase rümpfen, wenn von zer¬<lb/> rissenen Strümpfen die Rede ist, und sich kreuzigen, wenn die Wäsche naht. Wie da<lb/> doch bei nahender Wäsche, als ob sie die Hundstage wäre, Donnerwetter streichen über<lb/> viele Wcibergesichtcr; wie der Manu kusch machen mochte, und sich doch nicht klein ge¬<lb/> nug machen kann; wie da die Gesichter wachsen bis in den Boden hinab, und die<lb/> Seufzer steigen bis zum Himmel aus, nud nicht einmal mehr die Katze laut miauen<lb/> darf, geschweige denn die Kinder Etwas fragen — es ist wirklich gräßlich, es ist grä߬<lb/> lich, wenn eine immer wiederkehrende Hausarbeit so zum Berge wird, eine solche<lb/> Stimmung in die Hänser bringt, den Kindern auf ihr Lebenlang einprägt, wie grä߬<lb/> lich es sei, wenn man einige Tage sich etwas mehr anstrengen, zu Hause bleiben muß;<lb/> wenn man ihre Phantasie von Jugend auf so vergiftet, d ß sie sich bei vieler Arbeit<lb/> unglücklich denken müssen. Das Weib ist so wenig zum Reden allein geschaffen, als<lb/> der Mann. Frage man, was gebildete Weiber vorstellen in ihren Häusern, deren Bil¬<lb/> dung man nur beim Schwatzen merkt; frage man nach den gebildeten Männern in den<lb/> Rathsstubcn, was ihre langen Reden nützen, wenn sie nur der Deckmantel der Faul¬<lb/> heit sind. Frage man doch, was einst Kinder für Weiber werden, die man von Ju¬<lb/> gend ans dem Hause entfremdet, aller Theilnahme an den häuslichen Freuden und Lei¬<lb/> den entzieht, und deren Körper man in Anstrengungen zerrüttet, daß er zu jeder An¬<lb/> strengung untüchtig wird, in Anstrengungen, die oft eben so nnstnnig als nutzlos sind<lb/> sür den eigentlichen Ernst des Lebens und des Weibes Beruf, der in höher» und nie¬<lb/> dern Ständen nicht so verschieden ist, als man meint." — Wir fügen noch eine Probe<lb/> von der plastischen Kunst hinzu, mit welcher Gotthelf bekannte Geschichten, die eine<lb/> allgemeine Regel enthalten, durch die Lvcalfärbung zu popnlasiren versteht, nämlich<lb/> jene bekannte Anekdote von der Unfähigkeit der höhern Stände, die Noth der ärmer»<lb/> Klassen auch mir zu verstehen. — „In den theuern Jahren kam eine arme Frau zu einer<lb/> Fran Landvögeln, klagte ihr gar röthlich ihre Noth: „und nicht einmal mehr Erdäpfel<lb/> haben wir, denket doch, Frau Junker Landvögeln!" sagte sie. „Aber, meine gute Frau,"<lb/> sagte die Frau Junker Landvögeln mit weisem Gesicht: „Eh, eh, ich wollte doch nicht<lb/> so jammern! Wir sind auch schon manchmal ausgekommen mit den Erdäpfeln, aber<lb/> man muß sich immer zu helfen wissen, meine gute Frau. Wenn ihr keine Erdäpfel<lb/> habt, so macht öpvc ein Avfelmüßli, oder einen Eiertätsch, oder esset es Bitzli kalts<lb/> Bratis aus dem Kuchischäftli. Mi muß nit so nieisterlosig so und meine, mi muß<lb/> gang Erdäpfel ha; mi muß si öppc lere i d'Sach z'schicke und z'esse, was da ist!" —</p><lb/> <p xml:id="ID_378" next="#ID_379"> Jeremias Gotthelf hat so eben bei Springer in Berlin eine neue Ausgabe seines<lb/> Buchs veranstaltet und ein Nachwort hinzugefügt, in dem er seine Ansichten über die<lb/> neuen Bestrebungen zur Abhilfe der Noth und zu gleicher Zeit zur Bekehrung der<lb/> Ungläubigen ausspricht. Wir theilen einige Stellen daraus —-„In der neuern Zeit<lb/> hat man sich auch mehr und mehr der verwahrlosten Familien im Proletariat ange¬<lb/> nommen, geistlich und leiblich, hat dieses Werk innere Mission benamset, d. h. Sorge<lb/> für die Heiden im Lande. Je lebendiger man von dem Schaffen in diesem Felde<lb/> ergriffen wird, desto mehr muß gewarnt werden vor unzeitigen Eifer, ungeschicktem</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0154]
eS soll mit ihm theile» die Arbeit, oder ihn unbeschwert erhalten zur Arbeit; es soll
die Mutter der Kinder sein, und nicht tanzen, während der Mann und die Kindcrmagd
sie zur Ruhe legen und wiegen; es soll sorgen und walten im Hause, während der
Mann seiner Arbeit nachgeht; es soll nicht Hemden und Strümpfe, Kinder und Küche
über Novellen oder Visiten vergessen; es soll nickt die Nase rümpfen, wenn von zer¬
rissenen Strümpfen die Rede ist, und sich kreuzigen, wenn die Wäsche naht. Wie da
doch bei nahender Wäsche, als ob sie die Hundstage wäre, Donnerwetter streichen über
viele Wcibergesichtcr; wie der Manu kusch machen mochte, und sich doch nicht klein ge¬
nug machen kann; wie da die Gesichter wachsen bis in den Boden hinab, und die
Seufzer steigen bis zum Himmel aus, nud nicht einmal mehr die Katze laut miauen
darf, geschweige denn die Kinder Etwas fragen — es ist wirklich gräßlich, es ist grä߬
lich, wenn eine immer wiederkehrende Hausarbeit so zum Berge wird, eine solche
Stimmung in die Hänser bringt, den Kindern auf ihr Lebenlang einprägt, wie grä߬
lich es sei, wenn man einige Tage sich etwas mehr anstrengen, zu Hause bleiben muß;
wenn man ihre Phantasie von Jugend auf so vergiftet, d ß sie sich bei vieler Arbeit
unglücklich denken müssen. Das Weib ist so wenig zum Reden allein geschaffen, als
der Mann. Frage man, was gebildete Weiber vorstellen in ihren Häusern, deren Bil¬
dung man nur beim Schwatzen merkt; frage man nach den gebildeten Männern in den
Rathsstubcn, was ihre langen Reden nützen, wenn sie nur der Deckmantel der Faul¬
heit sind. Frage man doch, was einst Kinder für Weiber werden, die man von Ju¬
gend ans dem Hause entfremdet, aller Theilnahme an den häuslichen Freuden und Lei¬
den entzieht, und deren Körper man in Anstrengungen zerrüttet, daß er zu jeder An¬
strengung untüchtig wird, in Anstrengungen, die oft eben so nnstnnig als nutzlos sind
sür den eigentlichen Ernst des Lebens und des Weibes Beruf, der in höher» und nie¬
dern Ständen nicht so verschieden ist, als man meint." — Wir fügen noch eine Probe
von der plastischen Kunst hinzu, mit welcher Gotthelf bekannte Geschichten, die eine
allgemeine Regel enthalten, durch die Lvcalfärbung zu popnlasiren versteht, nämlich
jene bekannte Anekdote von der Unfähigkeit der höhern Stände, die Noth der ärmer»
Klassen auch mir zu verstehen. — „In den theuern Jahren kam eine arme Frau zu einer
Fran Landvögeln, klagte ihr gar röthlich ihre Noth: „und nicht einmal mehr Erdäpfel
haben wir, denket doch, Frau Junker Landvögeln!" sagte sie. „Aber, meine gute Frau,"
sagte die Frau Junker Landvögeln mit weisem Gesicht: „Eh, eh, ich wollte doch nicht
so jammern! Wir sind auch schon manchmal ausgekommen mit den Erdäpfeln, aber
man muß sich immer zu helfen wissen, meine gute Frau. Wenn ihr keine Erdäpfel
habt, so macht öpvc ein Avfelmüßli, oder einen Eiertätsch, oder esset es Bitzli kalts
Bratis aus dem Kuchischäftli. Mi muß nit so nieisterlosig so und meine, mi muß
gang Erdäpfel ha; mi muß si öppc lere i d'Sach z'schicke und z'esse, was da ist!" —
Jeremias Gotthelf hat so eben bei Springer in Berlin eine neue Ausgabe seines
Buchs veranstaltet und ein Nachwort hinzugefügt, in dem er seine Ansichten über die
neuen Bestrebungen zur Abhilfe der Noth und zu gleicher Zeit zur Bekehrung der
Ungläubigen ausspricht. Wir theilen einige Stellen daraus —-„In der neuern Zeit
hat man sich auch mehr und mehr der verwahrlosten Familien im Proletariat ange¬
nommen, geistlich und leiblich, hat dieses Werk innere Mission benamset, d. h. Sorge
für die Heiden im Lande. Je lebendiger man von dem Schaffen in diesem Felde
ergriffen wird, desto mehr muß gewarnt werden vor unzeitigen Eifer, ungeschicktem
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