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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Politische Weihnachtsbilder aus Sachsen.



i.
(Beschluß.)

Welche Politik hat nun die andere Seite der Kammern, die Rechte, bisher
eingeschlagen? Man kann wohl behaupten, daß von dieser der größte Theil mit
der festen Absicht und in der bestimmten Erwartung nach Dresden kam: die Aus¬
gabe der conservativen Partei werde darin bestehen, die Principien staatlicher Ord¬
nung und einer starken Regierung gegen die muthwilligen Angriffe der Linken zu
vertheidigen und Hand in Hand mit dem Ministerium! durch große organisatorische
Maßregeln in der Gesetzgebung und Verwaltung die Gemüther des Volkes zu be¬
ruhigen, den anarchischen Wühlereien ihren Hauptstvff zu entziehen und die wah¬
ren Grundsätze einer zugleich erhaltenden und fortschreitenden Politik in's Leben
zu führen. Zu ihrer großen Ueberraschung, ja man kann sagen Bestürzung, fand
nun aber diese Partei die parlamentarische Position, in die sie eintreten sollte,
ganz anders gewendet, als sie erwartet hatte. Statt an dem Ministerium eine
starke Bundesgenossenschaft und kräftige Unterstützung bei der Durchführung ihrer
conservativ-liberalen Grundsätze zu haben, sah sie dasselbe fast nach allen Seiten
hin eine Bahn einschlagen, ans welcher sie ihm nicht folgen konnte, ohne mit ihren
tiefsten Ueberzeugungen und was die schon länger in der Oeffentlichkeit sich bewe¬
genden Mitglieder der Partei betraf, mit ihrer politischen Vergangenheit zu bre¬
chen, ohne ihre" ganzen Halt in der öffentlichen Meinung einzubüßen und damit
nicht blos sich selbst, sondern auch das Princip, als dessen Ausdruck sie galt, völlig
zu ruiniren. Schon die Thronrede rief in dieser, der Ordnung und einer starken
Negieruugsgclvalt aufrichtig ergebene" Partei lebhafte Besorgnisse und schmerzliche
Empfindungen hervor. Da waren viele Worte der Strenge und der gerechten
Entrüstung (welche von dieser Seite vollkommen getheilt ward) gegen die hochver-
rätherischen, anarchischen Pläne der Umsturzpartei, -- aber daneben kein Wort der
Milde und Versöhnlichkeit (wie man doch gehofft hatte) sür Die, welche nur ver¬
führt oder aus einer leicht erklärbare" Verwirrung der Begriffe als Werkzeuge zur
Durchführung jener Pläne gedient hatten. Von einer Wiederaufhebung der mili¬
tärischen Ausuahmsmaßregcln, von einer Rückkehr zur Handhabung der Gesetze
mit den gewöhnlichen Mitteln war eben so wenig die Rede. Der Erwähnung der
deutschen Frage war der am Wenigsten auf Nachgiebigkeit hindeutende Ausdruck
gegeben. Kurz, die königliche Rede machte den Eindruck, als ob die Regierung
ihre Stärke mehr in sich selbst und nöthigenfalls in der Kampsbereitheit eines auf


Grenzboten. >- 1850. 12
Politische Weihnachtsbilder aus Sachsen.



i.
(Beschluß.)

Welche Politik hat nun die andere Seite der Kammern, die Rechte, bisher
eingeschlagen? Man kann wohl behaupten, daß von dieser der größte Theil mit
der festen Absicht und in der bestimmten Erwartung nach Dresden kam: die Aus¬
gabe der conservativen Partei werde darin bestehen, die Principien staatlicher Ord¬
nung und einer starken Regierung gegen die muthwilligen Angriffe der Linken zu
vertheidigen und Hand in Hand mit dem Ministerium! durch große organisatorische
Maßregeln in der Gesetzgebung und Verwaltung die Gemüther des Volkes zu be¬
ruhigen, den anarchischen Wühlereien ihren Hauptstvff zu entziehen und die wah¬
ren Grundsätze einer zugleich erhaltenden und fortschreitenden Politik in's Leben
zu führen. Zu ihrer großen Ueberraschung, ja man kann sagen Bestürzung, fand
nun aber diese Partei die parlamentarische Position, in die sie eintreten sollte,
ganz anders gewendet, als sie erwartet hatte. Statt an dem Ministerium eine
starke Bundesgenossenschaft und kräftige Unterstützung bei der Durchführung ihrer
conservativ-liberalen Grundsätze zu haben, sah sie dasselbe fast nach allen Seiten
hin eine Bahn einschlagen, ans welcher sie ihm nicht folgen konnte, ohne mit ihren
tiefsten Ueberzeugungen und was die schon länger in der Oeffentlichkeit sich bewe¬
genden Mitglieder der Partei betraf, mit ihrer politischen Vergangenheit zu bre¬
chen, ohne ihre» ganzen Halt in der öffentlichen Meinung einzubüßen und damit
nicht blos sich selbst, sondern auch das Princip, als dessen Ausdruck sie galt, völlig
zu ruiniren. Schon die Thronrede rief in dieser, der Ordnung und einer starken
Negieruugsgclvalt aufrichtig ergebene» Partei lebhafte Besorgnisse und schmerzliche
Empfindungen hervor. Da waren viele Worte der Strenge und der gerechten
Entrüstung (welche von dieser Seite vollkommen getheilt ward) gegen die hochver-
rätherischen, anarchischen Pläne der Umsturzpartei, — aber daneben kein Wort der
Milde und Versöhnlichkeit (wie man doch gehofft hatte) sür Die, welche nur ver¬
führt oder aus einer leicht erklärbare» Verwirrung der Begriffe als Werkzeuge zur
Durchführung jener Pläne gedient hatten. Von einer Wiederaufhebung der mili¬
tärischen Ausuahmsmaßregcln, von einer Rückkehr zur Handhabung der Gesetze
mit den gewöhnlichen Mitteln war eben so wenig die Rede. Der Erwähnung der
deutschen Frage war der am Wenigsten auf Nachgiebigkeit hindeutende Ausdruck
gegeben. Kurz, die königliche Rede machte den Eindruck, als ob die Regierung
ihre Stärke mehr in sich selbst und nöthigenfalls in der Kampsbereitheit eines auf


Grenzboten. >- 1850. 12
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[0097] Politische Weihnachtsbilder aus Sachsen. i. (Beschluß.) Welche Politik hat nun die andere Seite der Kammern, die Rechte, bisher eingeschlagen? Man kann wohl behaupten, daß von dieser der größte Theil mit der festen Absicht und in der bestimmten Erwartung nach Dresden kam: die Aus¬ gabe der conservativen Partei werde darin bestehen, die Principien staatlicher Ord¬ nung und einer starken Regierung gegen die muthwilligen Angriffe der Linken zu vertheidigen und Hand in Hand mit dem Ministerium! durch große organisatorische Maßregeln in der Gesetzgebung und Verwaltung die Gemüther des Volkes zu be¬ ruhigen, den anarchischen Wühlereien ihren Hauptstvff zu entziehen und die wah¬ ren Grundsätze einer zugleich erhaltenden und fortschreitenden Politik in's Leben zu führen. Zu ihrer großen Ueberraschung, ja man kann sagen Bestürzung, fand nun aber diese Partei die parlamentarische Position, in die sie eintreten sollte, ganz anders gewendet, als sie erwartet hatte. Statt an dem Ministerium eine starke Bundesgenossenschaft und kräftige Unterstützung bei der Durchführung ihrer conservativ-liberalen Grundsätze zu haben, sah sie dasselbe fast nach allen Seiten hin eine Bahn einschlagen, ans welcher sie ihm nicht folgen konnte, ohne mit ihren tiefsten Ueberzeugungen und was die schon länger in der Oeffentlichkeit sich bewe¬ genden Mitglieder der Partei betraf, mit ihrer politischen Vergangenheit zu bre¬ chen, ohne ihre» ganzen Halt in der öffentlichen Meinung einzubüßen und damit nicht blos sich selbst, sondern auch das Princip, als dessen Ausdruck sie galt, völlig zu ruiniren. Schon die Thronrede rief in dieser, der Ordnung und einer starken Negieruugsgclvalt aufrichtig ergebene» Partei lebhafte Besorgnisse und schmerzliche Empfindungen hervor. Da waren viele Worte der Strenge und der gerechten Entrüstung (welche von dieser Seite vollkommen getheilt ward) gegen die hochver- rätherischen, anarchischen Pläne der Umsturzpartei, — aber daneben kein Wort der Milde und Versöhnlichkeit (wie man doch gehofft hatte) sür Die, welche nur ver¬ führt oder aus einer leicht erklärbare» Verwirrung der Begriffe als Werkzeuge zur Durchführung jener Pläne gedient hatten. Von einer Wiederaufhebung der mili¬ tärischen Ausuahmsmaßregcln, von einer Rückkehr zur Handhabung der Gesetze mit den gewöhnlichen Mitteln war eben so wenig die Rede. Der Erwähnung der deutschen Frage war der am Wenigsten auf Nachgiebigkeit hindeutende Ausdruck gegeben. Kurz, die königliche Rede machte den Eindruck, als ob die Regierung ihre Stärke mehr in sich selbst und nöthigenfalls in der Kampsbereitheit eines auf Grenzboten. >- 1850. 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/97>, abgerufen am 24.07.2024.