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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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blos äußerliche der Centralregiernng zu vindiciren. Die Centralregiernng macht
sich den Provinzen gegenüber nur dadurch geltend, daß sie Steuern einfordert
und Soldaten aushebt.

Sie müssen mir aber erlauben, Ihr System in Ihrem Geiste noch etwas zu
amendireu. Sie siud nicht ganz consequent gewesen. Die Reichsministerien des
Innern, der Justiz und des Unterrichts heben Sie auf und übertragen deren
Thätigkeit an die Provinzen. Thicnfeld lassen Sie dem Staat, vermuthlich weil
er ohnehin nichts thut. Aber Sie lassen dem Staat auch die commerzielle Ge¬
setzgebung. Nun fällt der Staat nach Ihrem Systeme mit dem kaiserlichen Hanse
zusammen; es ist ihm zwar ein Reichsrath zur Seite gestellt, aber Sie sprechen
der Regierung ausdrücklich das Recht zu, diesen Rath nach Belieben zu hören
oder uicht zu hören. Soll nnn eine derartige Regierung das Recht haben, nach
Gutdünken Einfuhrzölle u. s. w. einzuführen und aufzuheben? Z. B. die Tabaks¬
steuer in Ungarn in Kraft zu setze"? Wird nicht in diesem Fall in der Provinz
eine Opposition entstehen, für welche Sie in Ihrem System keine gesetzliche Aus¬
gleichung in Bereitschaft haben? Sie wolle" ferner der Regierung die indirecten
Steuern ganz überlassen, die Erhebung der directen zwar an die Provinzen ab¬
geben, aber die Bestimmung der an den Staat abzuliefernden Quote wieder von
der Regierung abhängig machen.

, Durch dieses System würden Sie die Negierung in die Lage versetzen, Waffen
und Geldmittel mit vollkommener Willkür zur Verfügung zu haben, dagegen von
allem Einfluß auf deu wirklichen Fortschritt des Landes, also von dem, was allein
dem Staat Segen bringt, entblößt zu sein; mit andern Worten, Sie würden als
Unterbau des Staats die unbedingteste Freiheit der einzelnen Theile aufrichten --
eine Freiheit, die in zwei Dritteln des Reichs zu einer Wirthschaft führen würde,
gegen welche der alte polnische Reichstag ein Bild himmlischen Friedens abgeben
sollte -- und als Dach würden Sieden abstractesten Militärdespotismus setzen. --
Ein Staatswesen, welches ich mit dem Altpersischc" vergleichen würde, wenn nicht
ein anderes Beispiel näher läge.

Ihr System ist nämlich, abgesehen von dem romantischen, unpraktischen Bei¬
werk, nichts als die Erneuerung des Metternichscheu Systems. So
wie Sie ihn neu construiren wollen, ist der östreichische Staat von jeher gewesen,
und daran ist die Kraft eines edlen Volkes zu Grnnde gegangen. Täuschen Sie
sich nämlich nicht über die Wirksamkeit Ihrer neuen Landtage im Vergleich mit
den alten. Die Ceutralregierung, wie Sie sie construiren, wird sich freilich in
die Justiz, den Cultus, den Unterricht, den Handel u. s. w. der Provinzen so
lange nicht einmischen, als diese ihr das nöthige Geld und die nöthigen Soldaten
zur Verfügung stellen. Aber die Landtage werden nicht innerhalb ihrer Schranken
bleibe" können, sie werden nachrechnen, und räsonniren, wenn die Rechnung nicht
stimmt, und der Regierung wird dieses Räsonniren beschwerlich fallen, sie wird,


blos äußerliche der Centralregiernng zu vindiciren. Die Centralregiernng macht
sich den Provinzen gegenüber nur dadurch geltend, daß sie Steuern einfordert
und Soldaten aushebt.

Sie müssen mir aber erlauben, Ihr System in Ihrem Geiste noch etwas zu
amendireu. Sie siud nicht ganz consequent gewesen. Die Reichsministerien des
Innern, der Justiz und des Unterrichts heben Sie auf und übertragen deren
Thätigkeit an die Provinzen. Thicnfeld lassen Sie dem Staat, vermuthlich weil
er ohnehin nichts thut. Aber Sie lassen dem Staat auch die commerzielle Ge¬
setzgebung. Nun fällt der Staat nach Ihrem Systeme mit dem kaiserlichen Hanse
zusammen; es ist ihm zwar ein Reichsrath zur Seite gestellt, aber Sie sprechen
der Regierung ausdrücklich das Recht zu, diesen Rath nach Belieben zu hören
oder uicht zu hören. Soll nnn eine derartige Regierung das Recht haben, nach
Gutdünken Einfuhrzölle u. s. w. einzuführen und aufzuheben? Z. B. die Tabaks¬
steuer in Ungarn in Kraft zu setze»? Wird nicht in diesem Fall in der Provinz
eine Opposition entstehen, für welche Sie in Ihrem System keine gesetzliche Aus¬
gleichung in Bereitschaft haben? Sie wolle» ferner der Regierung die indirecten
Steuern ganz überlassen, die Erhebung der directen zwar an die Provinzen ab¬
geben, aber die Bestimmung der an den Staat abzuliefernden Quote wieder von
der Regierung abhängig machen.

, Durch dieses System würden Sie die Negierung in die Lage versetzen, Waffen
und Geldmittel mit vollkommener Willkür zur Verfügung zu haben, dagegen von
allem Einfluß auf deu wirklichen Fortschritt des Landes, also von dem, was allein
dem Staat Segen bringt, entblößt zu sein; mit andern Worten, Sie würden als
Unterbau des Staats die unbedingteste Freiheit der einzelnen Theile aufrichten —
eine Freiheit, die in zwei Dritteln des Reichs zu einer Wirthschaft führen würde,
gegen welche der alte polnische Reichstag ein Bild himmlischen Friedens abgeben
sollte — und als Dach würden Sieden abstractesten Militärdespotismus setzen. —
Ein Staatswesen, welches ich mit dem Altpersischc» vergleichen würde, wenn nicht
ein anderes Beispiel näher läge.

Ihr System ist nämlich, abgesehen von dem romantischen, unpraktischen Bei¬
werk, nichts als die Erneuerung des Metternichscheu Systems. So
wie Sie ihn neu construiren wollen, ist der östreichische Staat von jeher gewesen,
und daran ist die Kraft eines edlen Volkes zu Grnnde gegangen. Täuschen Sie
sich nämlich nicht über die Wirksamkeit Ihrer neuen Landtage im Vergleich mit
den alten. Die Ceutralregierung, wie Sie sie construiren, wird sich freilich in
die Justiz, den Cultus, den Unterricht, den Handel u. s. w. der Provinzen so
lange nicht einmischen, als diese ihr das nöthige Geld und die nöthigen Soldaten
zur Verfügung stellen. Aber die Landtage werden nicht innerhalb ihrer Schranken
bleibe» können, sie werden nachrechnen, und räsonniren, wenn die Rechnung nicht
stimmt, und der Regierung wird dieses Räsonniren beschwerlich fallen, sie wird,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/92>, abgerufen am 04.07.2024.