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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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derlage, welche die Partei durch ihre Uebertreibungen beim vorigen Landtag er¬
litten hatte, .und das Bedürfniß durch maßvolleres Benehmen sich in der öffentlichen
Meinung zu rehabilitiren, oder war es nur.das augenblickliche Zurückweiche" vor
den Schwierigkeiten der Lage und das schlaue Abwarten eines gelegenerer Zeit¬
punktes für Durchsetzung ihrer Absichten, was die Führer der Linken von jedem
schroffen, ja beinahe von jedem entschiedenen Auftreten zurückhielt -- genug, die
Linke schien geflissentlich einen Principienkampf mit der Rechten und der Regie¬
rung zu vermeiden, oder wo er sich nicht vermeiden ließ, ihm wenigstens so viel
als möglich von seiner Schärfe und Bitterkeit zu uehuieu. So weit ging man,
eine" öffentlichen Bruch mit der äußersten republikanisch-socialistischen Partei, deren
Organ die "Dresdner Zeitung" ist, .herbeizuführen. Auf die fortgesetzten Provo-
cationen dieses Blattes an >die Linke in den Kammern, worin letzteren Mangel an
Entschiedenheit, Verleugnung der demokratischen Principien vorgeworfen ward, er¬
schien in den "Vaterlandsblättern" ein geharnischtes Manifest (aus der Feder des
or. Joseph), worin die Uebertreibungen dex "Dresdner Zeitung", als dem wah¬
ren Interesse der demokratischen Partei gefährlich, entschieden zurückgewiesen wur¬
den. Die "Dresdner Zeitung" bestand darauf, daß man sofort bei der Adreßde-
batte alle Minen zum Sturz des Ministeriums springen lasse; die Linke in den
Kammern einigte sich mit der Rechten, gar keine Adresse zu erlasse". Die "Dresd¬
ner Zeitung" wollte, daß die Linke entweder nur eine ganz unbeschränkte Amnestie
für alle Maiangeklagte annehme, oder, noch lieber, jede Amnestie zurückweise,
und statt deren die Stellung der Mitangeklagten vor Geschworne verlange; die
Linke in den Kammern zeigte sich mit der von der Rechten beantragten, beschränk¬
ten Amnestie zufrieden, und unterdrückte ihre weitergehenden Wünsche. Bisweilen
trieb man diese Geflissentlichkeit des Maßhaltens und Rückflchtnehmens fast bis
zur Affectation, so wenn die Linke in der ersten Kammer, Joseph voran, die
Erwählung des Prinzen Johann in einen der Ausschüsse betrieb, um dessen Ein¬
tritt in die Kammer zu veranlassen. Wie man sagt, ist es ein Bestandtheil der
neusten Josephinischen Politik, gegen die höchste Stelle die größte Nückstchtsnahme
zu beobachten (früher that er bisweilen das Gegentheil), die ganze Schärfe seiner
Opposition aber das Ministerium: fühlen zu lassen. Nicht minder auffallend war
es, als derselbe Parteiführer hartnäckig auf der Ausschließung eines der bedeutend-
sten radicalen Parteigänger, deö Abgeordneten v, Watzdorf, wegen gewisser, bei
seiner Wahl vorgekommenen Unregelmäßigkeiten bestand, so daß Watzdorf nur durch
Einsprache seiner entschiedenen politischen Gegner, des Prinzen Johann und des
Herrn von Carlowitz, in der Kammer erhalten ward.

Manche wollen wissen, daß die Linke entschlossen sei, ihre ganze Widerstands¬
kraft auf die Finanzfrage zu concentriren und durch eine allgemeine oder par¬
tielle Steuerverweigerung, entweder das Ministerium oder den Landtag in die Lust
zu sprengen. Die Heftigkeit, mit welcher Joseph in der Amuestiedebatte gegen


derlage, welche die Partei durch ihre Uebertreibungen beim vorigen Landtag er¬
litten hatte, .und das Bedürfniß durch maßvolleres Benehmen sich in der öffentlichen
Meinung zu rehabilitiren, oder war es nur.das augenblickliche Zurückweiche» vor
den Schwierigkeiten der Lage und das schlaue Abwarten eines gelegenerer Zeit¬
punktes für Durchsetzung ihrer Absichten, was die Führer der Linken von jedem
schroffen, ja beinahe von jedem entschiedenen Auftreten zurückhielt — genug, die
Linke schien geflissentlich einen Principienkampf mit der Rechten und der Regie¬
rung zu vermeiden, oder wo er sich nicht vermeiden ließ, ihm wenigstens so viel
als möglich von seiner Schärfe und Bitterkeit zu uehuieu. So weit ging man,
eine» öffentlichen Bruch mit der äußersten republikanisch-socialistischen Partei, deren
Organ die „Dresdner Zeitung" ist, .herbeizuführen. Auf die fortgesetzten Provo-
cationen dieses Blattes an >die Linke in den Kammern, worin letzteren Mangel an
Entschiedenheit, Verleugnung der demokratischen Principien vorgeworfen ward, er¬
schien in den „Vaterlandsblättern" ein geharnischtes Manifest (aus der Feder des
or. Joseph), worin die Uebertreibungen dex „Dresdner Zeitung", als dem wah¬
ren Interesse der demokratischen Partei gefährlich, entschieden zurückgewiesen wur¬
den. Die „Dresdner Zeitung" bestand darauf, daß man sofort bei der Adreßde-
batte alle Minen zum Sturz des Ministeriums springen lasse; die Linke in den
Kammern einigte sich mit der Rechten, gar keine Adresse zu erlasse». Die „Dresd¬
ner Zeitung" wollte, daß die Linke entweder nur eine ganz unbeschränkte Amnestie
für alle Maiangeklagte annehme, oder, noch lieber, jede Amnestie zurückweise,
und statt deren die Stellung der Mitangeklagten vor Geschworne verlange; die
Linke in den Kammern zeigte sich mit der von der Rechten beantragten, beschränk¬
ten Amnestie zufrieden, und unterdrückte ihre weitergehenden Wünsche. Bisweilen
trieb man diese Geflissentlichkeit des Maßhaltens und Rückflchtnehmens fast bis
zur Affectation, so wenn die Linke in der ersten Kammer, Joseph voran, die
Erwählung des Prinzen Johann in einen der Ausschüsse betrieb, um dessen Ein¬
tritt in die Kammer zu veranlassen. Wie man sagt, ist es ein Bestandtheil der
neusten Josephinischen Politik, gegen die höchste Stelle die größte Nückstchtsnahme
zu beobachten (früher that er bisweilen das Gegentheil), die ganze Schärfe seiner
Opposition aber das Ministerium: fühlen zu lassen. Nicht minder auffallend war
es, als derselbe Parteiführer hartnäckig auf der Ausschließung eines der bedeutend-
sten radicalen Parteigänger, deö Abgeordneten v, Watzdorf, wegen gewisser, bei
seiner Wahl vorgekommenen Unregelmäßigkeiten bestand, so daß Watzdorf nur durch
Einsprache seiner entschiedenen politischen Gegner, des Prinzen Johann und des
Herrn von Carlowitz, in der Kammer erhalten ward.

Manche wollen wissen, daß die Linke entschlossen sei, ihre ganze Widerstands¬
kraft auf die Finanzfrage zu concentriren und durch eine allgemeine oder par¬
tielle Steuerverweigerung, entweder das Ministerium oder den Landtag in die Lust
zu sprengen. Die Heftigkeit, mit welcher Joseph in der Amuestiedebatte gegen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/74>, abgerufen am 24.07.2024.