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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Klage wirklich begründet, oft war sie nicht begründet und eine Bauernphantasie,
wie sie überall vorkommt; so viel aber war immer gewiß, daß die armen
Bauern von Advocaten und sogenannten hohen Beamten Jahrelang ausgebeutet
wurden, und endlich genöthigt waren, entweder die ganze Sache fahren, oder sich
mit einem Stückchen Wald oder Wiese abfertigen zu lassen, die nicht die Inter¬
essen von dem Kapitale aufwogen, welches die Gemeinde zur Bestreitung der Pro¬
zeßkosten aufnehmen mußte. --

Nach der Sanction der ungarischen Märzgesetze, die das Recht des Schwa¬
chen gegen den Stärkern schützen sollten, erhoben sich von allen Seiten Klagen der
Gemeinden gegen die Grundherren, und während in den magyarischen und deut¬
schen Ortschaften die Patrioten bemüht waren, jede Demonstration gegen das
Eigenthum zu verhindern, und die Gemeinden ans den Weg der Gesetze hinzu¬
weisen, die jetzt dem Bettler wie dem Fürsten gleichen Schutz gewähren sollten,
gelang es Einflüssen, welche nicht magyarisch waren, im Banat und in der Bacska,
in Siebenbürgen und einigen Gegenden der Slowakei, den Haß der Bauern ge¬
gen den vorigen Herrn zu Schure", und dadurch die ungarische Regierung, die
auf ihrem rechtlichen Standpunkt gegen diese Feinde der öffentlichen Ruhe und
des Eigenthums mit aller Strenge des Gesetzes verfahren mußte, verhaßt zu
machen. -- In den sogenannten freien Märkten, die durch Privilegium oder Los¬
kauf der herrschaftlichen Botmäßigkeit entzogen waren, aber dennoch nicht zu den
königlichen Freistädter zählten, wurde der Samen der bürgerlichen Zwietracht
ausgestreut, indem man dem Pöbel das Gelüst eingab, die Gemeinde¬
wiesen unter den Einwohnern zu vertheilen. So war es auch in Groß-Kikinda,
dem Hauptort des Kreises mit gleichem Namen in der Torantaler Gespannschaft.
Hier hatte sich schon im Juni 1848 unten der raitzischen Bevölkerung das Ver¬
langen nach Theilung der städtischen Wiesen kundgegeben; der Magistrat mit dem
ungarischen und deutschen Theile der Bevölkerung widersetzten sich diesem Vorhaben,
der Haß entbrannte zwischen den Nationen und die Ranzen faßten den patrioti¬
schen Entschluß, alle Magyaren und Deutsche auszurotten und sich zu alleinigen
Herrn der Stadt zu machen. Leider gelang ihnen zum Theil ihr frevelhaftes Be¬
ginnen; an einem Sonntage zerrte der Aufruhr an den Strängen der Glocke, raitzische
Haufen stürzten gegen die Häuser ihrer Feinde, viele ehrliche Deutsche und Ma¬
gyaren fielen den Wüthenden als Opfer; der'wackre Stadtrichter mit mehreren
Magistraten wurden unter unsäglichen Qualen gemordet, und des erster" kopfloser
Rumpf als Siegestrophäe vor seinem eigenen Kaufladen auf einen Sessel gebun¬
den und dem Hohne des mordberauschten Pöbels Preis gegeben. -- Ein großer
Theil der magyarisch-dentschen Bevölkerung suchte und fand Rettung in der Flucht.

Dies war, mit Wrbna zu sprechen, "der Anfang jener Operationen, welche
mit der Vernichtung der magyarischen Rebellion enden sollten;" dies die erste
Waffenthat der damals so loyalen Südslaven.


Klage wirklich begründet, oft war sie nicht begründet und eine Bauernphantasie,
wie sie überall vorkommt; so viel aber war immer gewiß, daß die armen
Bauern von Advocaten und sogenannten hohen Beamten Jahrelang ausgebeutet
wurden, und endlich genöthigt waren, entweder die ganze Sache fahren, oder sich
mit einem Stückchen Wald oder Wiese abfertigen zu lassen, die nicht die Inter¬
essen von dem Kapitale aufwogen, welches die Gemeinde zur Bestreitung der Pro¬
zeßkosten aufnehmen mußte. —

Nach der Sanction der ungarischen Märzgesetze, die das Recht des Schwa¬
chen gegen den Stärkern schützen sollten, erhoben sich von allen Seiten Klagen der
Gemeinden gegen die Grundherren, und während in den magyarischen und deut¬
schen Ortschaften die Patrioten bemüht waren, jede Demonstration gegen das
Eigenthum zu verhindern, und die Gemeinden ans den Weg der Gesetze hinzu¬
weisen, die jetzt dem Bettler wie dem Fürsten gleichen Schutz gewähren sollten,
gelang es Einflüssen, welche nicht magyarisch waren, im Banat und in der Bacska,
in Siebenbürgen und einigen Gegenden der Slowakei, den Haß der Bauern ge¬
gen den vorigen Herrn zu Schure», und dadurch die ungarische Regierung, die
auf ihrem rechtlichen Standpunkt gegen diese Feinde der öffentlichen Ruhe und
des Eigenthums mit aller Strenge des Gesetzes verfahren mußte, verhaßt zu
machen. — In den sogenannten freien Märkten, die durch Privilegium oder Los¬
kauf der herrschaftlichen Botmäßigkeit entzogen waren, aber dennoch nicht zu den
königlichen Freistädter zählten, wurde der Samen der bürgerlichen Zwietracht
ausgestreut, indem man dem Pöbel das Gelüst eingab, die Gemeinde¬
wiesen unter den Einwohnern zu vertheilen. So war es auch in Groß-Kikinda,
dem Hauptort des Kreises mit gleichem Namen in der Torantaler Gespannschaft.
Hier hatte sich schon im Juni 1848 unten der raitzischen Bevölkerung das Ver¬
langen nach Theilung der städtischen Wiesen kundgegeben; der Magistrat mit dem
ungarischen und deutschen Theile der Bevölkerung widersetzten sich diesem Vorhaben,
der Haß entbrannte zwischen den Nationen und die Ranzen faßten den patrioti¬
schen Entschluß, alle Magyaren und Deutsche auszurotten und sich zu alleinigen
Herrn der Stadt zu machen. Leider gelang ihnen zum Theil ihr frevelhaftes Be¬
ginnen; an einem Sonntage zerrte der Aufruhr an den Strängen der Glocke, raitzische
Haufen stürzten gegen die Häuser ihrer Feinde, viele ehrliche Deutsche und Ma¬
gyaren fielen den Wüthenden als Opfer; der'wackre Stadtrichter mit mehreren
Magistraten wurden unter unsäglichen Qualen gemordet, und des erster» kopfloser
Rumpf als Siegestrophäe vor seinem eigenen Kaufladen auf einen Sessel gebun¬
den und dem Hohne des mordberauschten Pöbels Preis gegeben. — Ein großer
Theil der magyarisch-dentschen Bevölkerung suchte und fand Rettung in der Flucht.

Dies war, mit Wrbna zu sprechen, „der Anfang jener Operationen, welche
mit der Vernichtung der magyarischen Rebellion enden sollten;" dies die erste
Waffenthat der damals so loyalen Südslaven.


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[0518] Klage wirklich begründet, oft war sie nicht begründet und eine Bauernphantasie, wie sie überall vorkommt; so viel aber war immer gewiß, daß die armen Bauern von Advocaten und sogenannten hohen Beamten Jahrelang ausgebeutet wurden, und endlich genöthigt waren, entweder die ganze Sache fahren, oder sich mit einem Stückchen Wald oder Wiese abfertigen zu lassen, die nicht die Inter¬ essen von dem Kapitale aufwogen, welches die Gemeinde zur Bestreitung der Pro¬ zeßkosten aufnehmen mußte. — Nach der Sanction der ungarischen Märzgesetze, die das Recht des Schwa¬ chen gegen den Stärkern schützen sollten, erhoben sich von allen Seiten Klagen der Gemeinden gegen die Grundherren, und während in den magyarischen und deut¬ schen Ortschaften die Patrioten bemüht waren, jede Demonstration gegen das Eigenthum zu verhindern, und die Gemeinden ans den Weg der Gesetze hinzu¬ weisen, die jetzt dem Bettler wie dem Fürsten gleichen Schutz gewähren sollten, gelang es Einflüssen, welche nicht magyarisch waren, im Banat und in der Bacska, in Siebenbürgen und einigen Gegenden der Slowakei, den Haß der Bauern ge¬ gen den vorigen Herrn zu Schure», und dadurch die ungarische Regierung, die auf ihrem rechtlichen Standpunkt gegen diese Feinde der öffentlichen Ruhe und des Eigenthums mit aller Strenge des Gesetzes verfahren mußte, verhaßt zu machen. — In den sogenannten freien Märkten, die durch Privilegium oder Los¬ kauf der herrschaftlichen Botmäßigkeit entzogen waren, aber dennoch nicht zu den königlichen Freistädter zählten, wurde der Samen der bürgerlichen Zwietracht ausgestreut, indem man dem Pöbel das Gelüst eingab, die Gemeinde¬ wiesen unter den Einwohnern zu vertheilen. So war es auch in Groß-Kikinda, dem Hauptort des Kreises mit gleichem Namen in der Torantaler Gespannschaft. Hier hatte sich schon im Juni 1848 unten der raitzischen Bevölkerung das Ver¬ langen nach Theilung der städtischen Wiesen kundgegeben; der Magistrat mit dem ungarischen und deutschen Theile der Bevölkerung widersetzten sich diesem Vorhaben, der Haß entbrannte zwischen den Nationen und die Ranzen faßten den patrioti¬ schen Entschluß, alle Magyaren und Deutsche auszurotten und sich zu alleinigen Herrn der Stadt zu machen. Leider gelang ihnen zum Theil ihr frevelhaftes Be¬ ginnen; an einem Sonntage zerrte der Aufruhr an den Strängen der Glocke, raitzische Haufen stürzten gegen die Häuser ihrer Feinde, viele ehrliche Deutsche und Ma¬ gyaren fielen den Wüthenden als Opfer; der'wackre Stadtrichter mit mehreren Magistraten wurden unter unsäglichen Qualen gemordet, und des erster» kopfloser Rumpf als Siegestrophäe vor seinem eigenen Kaufladen auf einen Sessel gebun¬ den und dem Hohne des mordberauschten Pöbels Preis gegeben. — Ein großer Theil der magyarisch-dentschen Bevölkerung suchte und fand Rettung in der Flucht. Dies war, mit Wrbna zu sprechen, „der Anfang jener Operationen, welche mit der Vernichtung der magyarischen Rebellion enden sollten;" dies die erste Waffenthat der damals so loyalen Südslaven.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/518>, abgerufen am 20.06.2024.