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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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tionalrechte. -- Ferdinand III. setzte die religiösen Verfolgungen fort, bis Franz
Rakvczy (1644) den Linzer Frieden erzwang. Später kamen die schrecklichen Blut-
gerichte, von denen alle Protestanten als Rebellen erklärt wurden. -- Unter
Leopold erhob sich Tököly, und das Land wurde von Caraffa mit Leichenhaufen
angefüllt (1686). Dieser König ließ die Klausel des berechtigten Widerstandes,
welche zum Schutz der Konstitution gegen eidbrüchige Könige im Decrete Andreas
II. steht, streichen! Der Thron wurde für erblich erklärt 1687. -- Ein Enkel Ra-
koczys erhob sich, bis der Szathmarer Friede 1711 von Josef I. geschlossen wurde.
Die Heldengeschlechter Rcckoczy, Bathory, Tököli, Bocskai, Kemvny, Gawa,
Zrinyi, Frangepany, Zapolya u. A. starben meist auf dem Blutgerüst. -- Karl
VI. beschwor wieder die Constitution, die Untheilbarkeit des Reiches, Religions¬
freiheit. Aber wie wurde dies gehalten? Erst um die pragmatische Sanction, ein
einfacher Hausvertrag, bewilligt zu erhalten, wurde die Konstitution neuerdings
bestätigt und darin heißt es ausdrücklich: es soll nie über die Krone Ungarns
ohne die Reichsstände verfügt werden, sie ist ein Eigenthum der Nation, Ungarn
soll immer eine eigene Verwaltung haben, keine fremden Truppen :c. -- Maria
Theresia beschwor die Verfassung. "Das kaum von den Mißhandlungen aufath¬
mende Ungarn rettete edelmüthig die Tochter dieses verhäugnißvollen Geschlechtes."
Auch Theresia sann auf Ketten, wußte sie aber mit Rosen zu umwinden. -- Jo¬
sef II. beschwor die Verfassung nicht; aber seinen Reformen standen keine Mord-
knechte zur Seite. Er widerrief endlich alle Ungesetzlichkeiten. -- Leopold II. unter¬
schrieb das Königsdiplvm und schwor, unter Anderem: daß der König 6 Monate
nach dem Tode des Vorfahren, bei Verlust der Krone diese auf die herkömmliche
Weise zu empfangen habe. -- Franz beschwor ebenfalls die Constitution, wie sein
Sohn Ferdinand; jeuer war aber der bitterste Feind Ungarns.

Diese kurze Skizze mag den Standpunkt des magyarische" Diplomaten an¬
geben, welcher schreibt: "Die Verfassung Ungarns in ihrer Reinheit, wie sie wirk¬
lich war, nicht wie 300jährige Miß Verwaltung der Habsburger sie corrumpirt hat,
ist die einzige für Menschen mögliche, wenn sie Menschen bleiben und
nicht zu Rädern und Stiften einer sinnlosen bureaukratischen Staatsmaschine
entwürdigt werden sollen." -- Das ist patriotische Exaltation; aber vergeben
wird man es dem Ungar, der nach so vielfachen überwundenen Drangsalen seiner
Nation auch jetzt wieder an ihre Erhebung und ihren endlichen Sieg glaubt.
"Die Vorsehung bedient sich ja immer der Bösen zum Schergendienste. Wir wer¬
den desto muthiger, desto besonnener unsere Maßregel nehmen. Wir sind nur
stärker geworden." -- "Wir vertheidigen ein heiliges, gutes, theures Recht! Wir
sind im vollen Bewußtsein desselben. Wir sind unglücklich, aber wir verzagen nicht.
Harte Zeiten gebären edle, gestählte Herzen. Im Sturme bewurzelt sich die Eiche,
ihr in die Wolken strebender Stamm trägt die Kränze der Freiheit und des Sieges!
Gott und unser Recht! Freiheit und Vaterland für immer!"


tionalrechte. — Ferdinand III. setzte die religiösen Verfolgungen fort, bis Franz
Rakvczy (1644) den Linzer Frieden erzwang. Später kamen die schrecklichen Blut-
gerichte, von denen alle Protestanten als Rebellen erklärt wurden. — Unter
Leopold erhob sich Tököly, und das Land wurde von Caraffa mit Leichenhaufen
angefüllt (1686). Dieser König ließ die Klausel des berechtigten Widerstandes,
welche zum Schutz der Konstitution gegen eidbrüchige Könige im Decrete Andreas
II. steht, streichen! Der Thron wurde für erblich erklärt 1687. — Ein Enkel Ra-
koczys erhob sich, bis der Szathmarer Friede 1711 von Josef I. geschlossen wurde.
Die Heldengeschlechter Rcckoczy, Bathory, Tököli, Bocskai, Kemvny, Gawa,
Zrinyi, Frangepany, Zapolya u. A. starben meist auf dem Blutgerüst. — Karl
VI. beschwor wieder die Constitution, die Untheilbarkeit des Reiches, Religions¬
freiheit. Aber wie wurde dies gehalten? Erst um die pragmatische Sanction, ein
einfacher Hausvertrag, bewilligt zu erhalten, wurde die Konstitution neuerdings
bestätigt und darin heißt es ausdrücklich: es soll nie über die Krone Ungarns
ohne die Reichsstände verfügt werden, sie ist ein Eigenthum der Nation, Ungarn
soll immer eine eigene Verwaltung haben, keine fremden Truppen :c. — Maria
Theresia beschwor die Verfassung. „Das kaum von den Mißhandlungen aufath¬
mende Ungarn rettete edelmüthig die Tochter dieses verhäugnißvollen Geschlechtes."
Auch Theresia sann auf Ketten, wußte sie aber mit Rosen zu umwinden. — Jo¬
sef II. beschwor die Verfassung nicht; aber seinen Reformen standen keine Mord-
knechte zur Seite. Er widerrief endlich alle Ungesetzlichkeiten. — Leopold II. unter¬
schrieb das Königsdiplvm und schwor, unter Anderem: daß der König 6 Monate
nach dem Tode des Vorfahren, bei Verlust der Krone diese auf die herkömmliche
Weise zu empfangen habe. — Franz beschwor ebenfalls die Constitution, wie sein
Sohn Ferdinand; jeuer war aber der bitterste Feind Ungarns.

Diese kurze Skizze mag den Standpunkt des magyarische» Diplomaten an¬
geben, welcher schreibt: „Die Verfassung Ungarns in ihrer Reinheit, wie sie wirk¬
lich war, nicht wie 300jährige Miß Verwaltung der Habsburger sie corrumpirt hat,
ist die einzige für Menschen mögliche, wenn sie Menschen bleiben und
nicht zu Rädern und Stiften einer sinnlosen bureaukratischen Staatsmaschine
entwürdigt werden sollen." — Das ist patriotische Exaltation; aber vergeben
wird man es dem Ungar, der nach so vielfachen überwundenen Drangsalen seiner
Nation auch jetzt wieder an ihre Erhebung und ihren endlichen Sieg glaubt.
„Die Vorsehung bedient sich ja immer der Bösen zum Schergendienste. Wir wer¬
den desto muthiger, desto besonnener unsere Maßregel nehmen. Wir sind nur
stärker geworden." — „Wir vertheidigen ein heiliges, gutes, theures Recht! Wir
sind im vollen Bewußtsein desselben. Wir sind unglücklich, aber wir verzagen nicht.
Harte Zeiten gebären edle, gestählte Herzen. Im Sturme bewurzelt sich die Eiche,
ihr in die Wolken strebender Stamm trägt die Kränze der Freiheit und des Sieges!
Gott und unser Recht! Freiheit und Vaterland für immer!"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/44>, abgerufen am 20.06.2024.