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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Bull schmunzelt und lacht über ihn nur deswegen so gern, weil er sich erinnert,
daß er ihn einst grausam gefürchtet hat. Wir Deutschen dagegen existiren noch
gar nicht für das Londoner Volk. Prinz Albert und die Revolution haben den Na¬
men Germany zwar viel bekannter gemacht als er einst war, -- Manchester, Leeds
und Bradford machen eine Ausnahme, weil sich dort viel deutsche Commauditen
befinden -- aber John Bull in London reißt immer noch die Augen auf, wenn
er steht, daß der fremde Monsieur ein Deutscher ist, und zwar ein Gentleman,
kein bkM-ri-, kein Lump, der bei dem reicheren Vettervolk sich satt essen will. Er
hat etwas läuten gehört von seiner Verwandtschaft mit den Germars, von ihrem
Fleiß und ihrer Ehrlichkeit, und daß es ihnen nur an dem rechten Geschick und
Muth fehle, um aus einen' grünen Zweig zu kommen. John Bull nimmt darum
häufig eine beleidigende Protectormiene an, allein man braucht nur einigen Stolz
in das Wort: Ich bin ein Deutscher, zu legen, und er ändert den Ton. Er hat
einen angebornen Respect vor jedem halbwegs berechtigten Selbstgefühl und wird
gleich irgend ein Compliment, daß er mit gutem Gewissen aussprechen kann , für
die Deutschen heraussuchen. Fürchtet nichts, er wird uns keine Schmeicheleien
über unsere Große und Einheit sagen, denn er glaubt daran so wenig wie an
die französische Freiheit oder die deutsche Flotte, aber -- das werden wir gleich
sehen.

Bei der Bank stieg ich aus, allein ehe ich meinen Besuch in Finsbury Cir-
cus abstattete, sprang ich in einen Barbierladen in Little Moorfields und warf
mich rasch in den Lehnstuhl, um mein Kinn civilisiren zu lassen. Mr. Lather,
der Principal des Ladens, ein kleiner hagerer Mann mit gewaltigem schwarzem
Backenbart und kahlem Scheitel, blieb eine Weile mit sehr nachdenkendem Geficht
vor mir stehen, bevor er mich zu bedienen anfing. Endlich war ich eingeseift,
bemerkte aber, daß er mir keinen Schaum auf die Oberlippe gelegt hatte. Meine
Frage deshalb führte zu einem für mich sehr ergötzlichen Gespräch. -- mon^
stnelrs, im mouse!U)I>e ? rief Mr. Lather. Warum sagten Sie das nicht gleich? 7ni
wüst klint< 5or )'uni-8<zik'. WI>^, ich glaubte, ihr Franzosen konnt ohne Moustache
nicht leben. -- Aber zum Geier, ich bin kein Franzose, ich bin ein Deutscher! --
In<Z"e6! So! kopfschüttelte der gravitätische Kleine und ließ vor Ueberraschung
einen Augenblick das Messer feiern. -- Ich bitte tausendmal um Vergebung, fuhr
er fort. Das Deutsche ist eine sehr, sehr schöne Sprache. -- Sprechen Sie
deutsch? fragte ich. -- Kein Wort, lächelte er; aber unsere Königin spricht sehr
oft deutsch. Unsere Königin ist leider jetzt in Schottland. Gehen Sie nach Schottland?
-- Nein. -- Ach so, Sie warten, bis unsere Königin wieder nach London kommt.--
Nein, sagte ich, denn ich reise in vierzehn Tagen wieder ab. -- Sie werden also
unsere Königin hier nicht sehen? -- Schwerlich. -- Nun, vermuthlich haben Sie
unsere Königin bei einem früheren Besuch in England gesehen? Ich bin hente
das erste Mal in London. -- Hin, Sie haben Msere Königin gewiß vor einigen.


Bull schmunzelt und lacht über ihn nur deswegen so gern, weil er sich erinnert,
daß er ihn einst grausam gefürchtet hat. Wir Deutschen dagegen existiren noch
gar nicht für das Londoner Volk. Prinz Albert und die Revolution haben den Na¬
men Germany zwar viel bekannter gemacht als er einst war, — Manchester, Leeds
und Bradford machen eine Ausnahme, weil sich dort viel deutsche Commauditen
befinden — aber John Bull in London reißt immer noch die Augen auf, wenn
er steht, daß der fremde Monsieur ein Deutscher ist, und zwar ein Gentleman,
kein bkM-ri-, kein Lump, der bei dem reicheren Vettervolk sich satt essen will. Er
hat etwas läuten gehört von seiner Verwandtschaft mit den Germars, von ihrem
Fleiß und ihrer Ehrlichkeit, und daß es ihnen nur an dem rechten Geschick und
Muth fehle, um aus einen' grünen Zweig zu kommen. John Bull nimmt darum
häufig eine beleidigende Protectormiene an, allein man braucht nur einigen Stolz
in das Wort: Ich bin ein Deutscher, zu legen, und er ändert den Ton. Er hat
einen angebornen Respect vor jedem halbwegs berechtigten Selbstgefühl und wird
gleich irgend ein Compliment, daß er mit gutem Gewissen aussprechen kann , für
die Deutschen heraussuchen. Fürchtet nichts, er wird uns keine Schmeicheleien
über unsere Große und Einheit sagen, denn er glaubt daran so wenig wie an
die französische Freiheit oder die deutsche Flotte, aber — das werden wir gleich
sehen.

Bei der Bank stieg ich aus, allein ehe ich meinen Besuch in Finsbury Cir-
cus abstattete, sprang ich in einen Barbierladen in Little Moorfields und warf
mich rasch in den Lehnstuhl, um mein Kinn civilisiren zu lassen. Mr. Lather,
der Principal des Ladens, ein kleiner hagerer Mann mit gewaltigem schwarzem
Backenbart und kahlem Scheitel, blieb eine Weile mit sehr nachdenkendem Geficht
vor mir stehen, bevor er mich zu bedienen anfing. Endlich war ich eingeseift,
bemerkte aber, daß er mir keinen Schaum auf die Oberlippe gelegt hatte. Meine
Frage deshalb führte zu einem für mich sehr ergötzlichen Gespräch. — mon^
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wüst klint< 5or )'uni-8<zik'. WI>^, ich glaubte, ihr Franzosen konnt ohne Moustache
nicht leben. — Aber zum Geier, ich bin kein Franzose, ich bin ein Deutscher! —
In<Z«e6! So! kopfschüttelte der gravitätische Kleine und ließ vor Ueberraschung
einen Augenblick das Messer feiern. — Ich bitte tausendmal um Vergebung, fuhr
er fort. Das Deutsche ist eine sehr, sehr schöne Sprache. — Sprechen Sie
deutsch? fragte ich. — Kein Wort, lächelte er; aber unsere Königin spricht sehr
oft deutsch. Unsere Königin ist leider jetzt in Schottland. Gehen Sie nach Schottland?
— Nein. — Ach so, Sie warten, bis unsere Königin wieder nach London kommt.—
Nein, sagte ich, denn ich reise in vierzehn Tagen wieder ab. — Sie werden also
unsere Königin hier nicht sehen? — Schwerlich. — Nun, vermuthlich haben Sie
unsere Königin bei einem früheren Besuch in England gesehen? Ich bin hente
das erste Mal in London. — Hin, Sie haben Msere Königin gewiß vor einigen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/423>, abgerufen am 21.06.2024.