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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Prager Blatte ausgesprochene Prophezeihung erinnert, daß die Revolution in Oestreich
erst mit dem feierlichen Bombardement von Agram zum Abschluß gelangen werde.
Der Zorn der "Jllyrrier." die sich betrogen glauben, und die Wölkchen, die man ans
der Stirn des Baums seit Kurzem bemerken will, haben indeß keine große Bedeutung,
so lange unser Hausfreund Nicolaj I. es nicht in seinem Interesse findet, als offener
Fürsprecher der Südslaven aufzutreten. Er wird es früher oder später, aber die Zeit
ist noch nicht reif. , Vor der Hand wäre ein Serben- oder Kroatenaufstand bald un¬
terdrückt und würde bei den andern Nationalitäten, von denen diese Naturrinder als
Reichsschergen angesehen werden, schwerlich übertriebene Sympathien erwecken. Die
Drau- und Sangegend ist also jetzt, mit Ausnahme Italiens, der einzige und letzte
Schmollwinkel der Monarchie. In Ober- und Unteröstreich, in Tyrol und Salzburg,
in Steiermark, Kärnthen und Jstcien, in Böhmen, Mähren und Schlesien, in Ruthe-
nieu und selbst in der Slowakei, welche trotz Seur und Hurban kein Krvnland ge¬
worden ist, -- überall die tiefste Ruhe, die artigste Folgsamkeit und die christlichste
Ergebung in den Willen des "allerunterthänigster und treugehorsamsten" Ministeriums.
Regierung, was willst dn mehr? Die Wiener Zeitungen finden an der Weisheit der
zahlreichen Cabinctsordonnanzen so gar Nichts auszusetzen, daß sie aus Mangel an
Stoff sich sämmtlich aus die höhere, auf die sogenannte Conjecturalpolitik geworfen
haben. England, Frankreich und der Orient erfreuen sich ihrer publizistischen Inter¬
vention: vor Allem jedoch haben sie es ans das arme Deutschland abgesehen, dem sie
täglich einen andern Schreckschuß aus den Pelz brennen. -- Sie werden hoffent¬
lich erfahren haben, daß nächstens 100,000 Oestreicher das kleine Würtemberg besetzen
sollen. Die Nachricht ist authentisch, denn schon vor sechs Wochen gab ein hiesiges
Opposttiousblatt dem marschbereiten Occnpationscorps gute Lehren mit auf den Weg:
Führt euch in Schwaben hübsch liberal aus, ihr tapfern Herren; sucht Oestreich Ehre
zu machen und vergeßt nicht, daß die "Heimath Schiller's und Uhland's kein Tum¬
melplatz für Finsterlinge ist." Köstlich ist der angebliche Grund dieser bevorstehenden
Execution. Oestreich fürchte den Ausfall der würtembergischen -- Wahlen. Der
Commandant des Corps in Vorarlberg wird sich die Wahllisten kommen lassen, und
sobald er sieht, daß mehr als drei Demvcraten in die würtenbergische Kammer ge¬
wählt sind, heißt es: Marsch, vorwärts! -- Ein anderer Schreckschuß klingt gewaltiger.
Haynau übernimmt den Befehl über die 80,000 Mann, die sich um der sächsischen
Grenze langweilen. Haynau! Der Name sagt geung, der heißt so viel wie Krieg,
Standrecht und Confiscation über alle die verstockten Klcindeutscheu. Das Ministerium
ist empört über die Unverschämtheit, mit welcher die Presse Norddeutschlands die öst¬
reichische Handclsdenkschrift zu ignoriren oder zu belächeln wagt; denn durch sie würde
das große Werk des Heils vollendet, wie die Augsburger Zeitung sagt, und über
Mitteleuropa würde sich eine geheimnißvolle undefinirbare Glückseligkeit durch eine jener
spontanen Triebkräfte ergießen, wie sie in Wiener Zaubcrposscn vorkommen: goldenes
Vließ des astatischen Verkehrs, Füllhorn der Levante, Donauschifffahrt, Cultnruach-
Ostentragung, Einführung des Piasters als Weltmünze, dadurch Welthandel, ungeheuere
Beziehungen, fabelhafte Verhältnisse, schwindelerregende Aussichten! Aber der klcingei-
stige, schwuuglose Liberalismus, welcher Alles von parliamentarischcn Formen und po¬
litischen Rechten erwartet, hat kein Ohr für das wachsende Gras der großdeutschen
Schöpfung. Folglich gilt das alte Sprichwort: wer nicht hören will, muß fühlen.
Haynau wartet mit dem rechten Fuß in der Luft die Eröffnung des Erfurter Tages
ab, um die Grenze zu überschreiten und die deutsche Handelswelt zur Annahme der
östreichischen Schutzzölle zu zwingen. Während Paskiewttsch aus Polen gegen Berlin mar-
schirt, rückt Haynau durch das Beifall jauchzende Sachsen ohne Schwertstreich gegen Erfurt.
Der Ausgang läßt sich denken. Grade ist man in der Augustinerkirche beschäftigt, die Revi¬
sion der Maiverfassung zu beginnen, als Herr v. Gerlach triumphirend auf das Portal deutet.


Prager Blatte ausgesprochene Prophezeihung erinnert, daß die Revolution in Oestreich
erst mit dem feierlichen Bombardement von Agram zum Abschluß gelangen werde.
Der Zorn der „Jllyrrier." die sich betrogen glauben, und die Wölkchen, die man ans
der Stirn des Baums seit Kurzem bemerken will, haben indeß keine große Bedeutung,
so lange unser Hausfreund Nicolaj I. es nicht in seinem Interesse findet, als offener
Fürsprecher der Südslaven aufzutreten. Er wird es früher oder später, aber die Zeit
ist noch nicht reif. , Vor der Hand wäre ein Serben- oder Kroatenaufstand bald un¬
terdrückt und würde bei den andern Nationalitäten, von denen diese Naturrinder als
Reichsschergen angesehen werden, schwerlich übertriebene Sympathien erwecken. Die
Drau- und Sangegend ist also jetzt, mit Ausnahme Italiens, der einzige und letzte
Schmollwinkel der Monarchie. In Ober- und Unteröstreich, in Tyrol und Salzburg,
in Steiermark, Kärnthen und Jstcien, in Böhmen, Mähren und Schlesien, in Ruthe-
nieu und selbst in der Slowakei, welche trotz Seur und Hurban kein Krvnland ge¬
worden ist, — überall die tiefste Ruhe, die artigste Folgsamkeit und die christlichste
Ergebung in den Willen des „allerunterthänigster und treugehorsamsten" Ministeriums.
Regierung, was willst dn mehr? Die Wiener Zeitungen finden an der Weisheit der
zahlreichen Cabinctsordonnanzen so gar Nichts auszusetzen, daß sie aus Mangel an
Stoff sich sämmtlich aus die höhere, auf die sogenannte Conjecturalpolitik geworfen
haben. England, Frankreich und der Orient erfreuen sich ihrer publizistischen Inter¬
vention: vor Allem jedoch haben sie es ans das arme Deutschland abgesehen, dem sie
täglich einen andern Schreckschuß aus den Pelz brennen. — Sie werden hoffent¬
lich erfahren haben, daß nächstens 100,000 Oestreicher das kleine Würtemberg besetzen
sollen. Die Nachricht ist authentisch, denn schon vor sechs Wochen gab ein hiesiges
Opposttiousblatt dem marschbereiten Occnpationscorps gute Lehren mit auf den Weg:
Führt euch in Schwaben hübsch liberal aus, ihr tapfern Herren; sucht Oestreich Ehre
zu machen und vergeßt nicht, daß die „Heimath Schiller's und Uhland's kein Tum¬
melplatz für Finsterlinge ist." Köstlich ist der angebliche Grund dieser bevorstehenden
Execution. Oestreich fürchte den Ausfall der würtembergischen — Wahlen. Der
Commandant des Corps in Vorarlberg wird sich die Wahllisten kommen lassen, und
sobald er sieht, daß mehr als drei Demvcraten in die würtenbergische Kammer ge¬
wählt sind, heißt es: Marsch, vorwärts! — Ein anderer Schreckschuß klingt gewaltiger.
Haynau übernimmt den Befehl über die 80,000 Mann, die sich um der sächsischen
Grenze langweilen. Haynau! Der Name sagt geung, der heißt so viel wie Krieg,
Standrecht und Confiscation über alle die verstockten Klcindeutscheu. Das Ministerium
ist empört über die Unverschämtheit, mit welcher die Presse Norddeutschlands die öst¬
reichische Handclsdenkschrift zu ignoriren oder zu belächeln wagt; denn durch sie würde
das große Werk des Heils vollendet, wie die Augsburger Zeitung sagt, und über
Mitteleuropa würde sich eine geheimnißvolle undefinirbare Glückseligkeit durch eine jener
spontanen Triebkräfte ergießen, wie sie in Wiener Zaubcrposscn vorkommen: goldenes
Vließ des astatischen Verkehrs, Füllhorn der Levante, Donauschifffahrt, Cultnruach-
Ostentragung, Einführung des Piasters als Weltmünze, dadurch Welthandel, ungeheuere
Beziehungen, fabelhafte Verhältnisse, schwindelerregende Aussichten! Aber der klcingei-
stige, schwuuglose Liberalismus, welcher Alles von parliamentarischcn Formen und po¬
litischen Rechten erwartet, hat kein Ohr für das wachsende Gras der großdeutschen
Schöpfung. Folglich gilt das alte Sprichwort: wer nicht hören will, muß fühlen.
Haynau wartet mit dem rechten Fuß in der Luft die Eröffnung des Erfurter Tages
ab, um die Grenze zu überschreiten und die deutsche Handelswelt zur Annahme der
östreichischen Schutzzölle zu zwingen. Während Paskiewttsch aus Polen gegen Berlin mar-
schirt, rückt Haynau durch das Beifall jauchzende Sachsen ohne Schwertstreich gegen Erfurt.
Der Ausgang läßt sich denken. Grade ist man in der Augustinerkirche beschäftigt, die Revi¬
sion der Maiverfassung zu beginnen, als Herr v. Gerlach triumphirend auf das Portal deutet.


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[0405] Prager Blatte ausgesprochene Prophezeihung erinnert, daß die Revolution in Oestreich erst mit dem feierlichen Bombardement von Agram zum Abschluß gelangen werde. Der Zorn der „Jllyrrier." die sich betrogen glauben, und die Wölkchen, die man ans der Stirn des Baums seit Kurzem bemerken will, haben indeß keine große Bedeutung, so lange unser Hausfreund Nicolaj I. es nicht in seinem Interesse findet, als offener Fürsprecher der Südslaven aufzutreten. Er wird es früher oder später, aber die Zeit ist noch nicht reif. , Vor der Hand wäre ein Serben- oder Kroatenaufstand bald un¬ terdrückt und würde bei den andern Nationalitäten, von denen diese Naturrinder als Reichsschergen angesehen werden, schwerlich übertriebene Sympathien erwecken. Die Drau- und Sangegend ist also jetzt, mit Ausnahme Italiens, der einzige und letzte Schmollwinkel der Monarchie. In Ober- und Unteröstreich, in Tyrol und Salzburg, in Steiermark, Kärnthen und Jstcien, in Böhmen, Mähren und Schlesien, in Ruthe- nieu und selbst in der Slowakei, welche trotz Seur und Hurban kein Krvnland ge¬ worden ist, — überall die tiefste Ruhe, die artigste Folgsamkeit und die christlichste Ergebung in den Willen des „allerunterthänigster und treugehorsamsten" Ministeriums. Regierung, was willst dn mehr? Die Wiener Zeitungen finden an der Weisheit der zahlreichen Cabinctsordonnanzen so gar Nichts auszusetzen, daß sie aus Mangel an Stoff sich sämmtlich aus die höhere, auf die sogenannte Conjecturalpolitik geworfen haben. England, Frankreich und der Orient erfreuen sich ihrer publizistischen Inter¬ vention: vor Allem jedoch haben sie es ans das arme Deutschland abgesehen, dem sie täglich einen andern Schreckschuß aus den Pelz brennen. — Sie werden hoffent¬ lich erfahren haben, daß nächstens 100,000 Oestreicher das kleine Würtemberg besetzen sollen. Die Nachricht ist authentisch, denn schon vor sechs Wochen gab ein hiesiges Opposttiousblatt dem marschbereiten Occnpationscorps gute Lehren mit auf den Weg: Führt euch in Schwaben hübsch liberal aus, ihr tapfern Herren; sucht Oestreich Ehre zu machen und vergeßt nicht, daß die „Heimath Schiller's und Uhland's kein Tum¬ melplatz für Finsterlinge ist." Köstlich ist der angebliche Grund dieser bevorstehenden Execution. Oestreich fürchte den Ausfall der würtembergischen — Wahlen. Der Commandant des Corps in Vorarlberg wird sich die Wahllisten kommen lassen, und sobald er sieht, daß mehr als drei Demvcraten in die würtenbergische Kammer ge¬ wählt sind, heißt es: Marsch, vorwärts! — Ein anderer Schreckschuß klingt gewaltiger. Haynau übernimmt den Befehl über die 80,000 Mann, die sich um der sächsischen Grenze langweilen. Haynau! Der Name sagt geung, der heißt so viel wie Krieg, Standrecht und Confiscation über alle die verstockten Klcindeutscheu. Das Ministerium ist empört über die Unverschämtheit, mit welcher die Presse Norddeutschlands die öst¬ reichische Handclsdenkschrift zu ignoriren oder zu belächeln wagt; denn durch sie würde das große Werk des Heils vollendet, wie die Augsburger Zeitung sagt, und über Mitteleuropa würde sich eine geheimnißvolle undefinirbare Glückseligkeit durch eine jener spontanen Triebkräfte ergießen, wie sie in Wiener Zaubcrposscn vorkommen: goldenes Vließ des astatischen Verkehrs, Füllhorn der Levante, Donauschifffahrt, Cultnruach- Ostentragung, Einführung des Piasters als Weltmünze, dadurch Welthandel, ungeheuere Beziehungen, fabelhafte Verhältnisse, schwindelerregende Aussichten! Aber der klcingei- stige, schwuuglose Liberalismus, welcher Alles von parliamentarischcn Formen und po¬ litischen Rechten erwartet, hat kein Ohr für das wachsende Gras der großdeutschen Schöpfung. Folglich gilt das alte Sprichwort: wer nicht hören will, muß fühlen. Haynau wartet mit dem rechten Fuß in der Luft die Eröffnung des Erfurter Tages ab, um die Grenze zu überschreiten und die deutsche Handelswelt zur Annahme der östreichischen Schutzzölle zu zwingen. Während Paskiewttsch aus Polen gegen Berlin mar- schirt, rückt Haynau durch das Beifall jauchzende Sachsen ohne Schwertstreich gegen Erfurt. Der Ausgang läßt sich denken. Grade ist man in der Augustinerkirche beschäftigt, die Revi¬ sion der Maiverfassung zu beginnen, als Herr v. Gerlach triumphirend auf das Portal deutet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/405>, abgerufen am 21.06.2024.