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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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schäften betraut zu sein, deren Ausführung nur mit dem Namen Spionerie be¬
zeichnet werden kann. Eine Menge Stabsoffiziere, und außer dem Polizeimeister
zwei Generale wirken fast ausschließlich in dem geheimen Institute, welches von
der Regierung in der That für den wichtigsten Theil ihres Verwaltungsweseus
gehalten zu werden scheint. Diese untergeordneten Chefs der geheimen Anstalt
haben besondere Abtheilungen zu verwalten, der eine hat das Publikum der größe¬
ren Städte zu beobachten und unterhält zu diesem Zwecke eine Menge Helfer,
welche mit ihm allein verkehren, einem Anderen ist die Beobachtung der kleinen
Städte und des Adels, einem Dritten die des Handelsverkehrs, einem Vierten
der Verkehr auf der Post, einem Fünften das spioniren in den Schulanstalten ?c.
anvertraut. So haben aber auch verschiedene Aemter ihre Spione. Die Ceusur-
commission des Königreichs darf sich rühmen allein nicht weniger als einige zwan¬
zig geheime Diener in Bewegung zu setzen. Diese Leute spüren den verbotenen
Schriften mit bewunderungswürdigem Scharfsinn nach. Ihre Klugheit verliert
allerdings dadurch an Merkwürdigkeit, daß sie meist Personen sind, welche Schu¬
len, auch wohl Universitäten besuchten und höhere Kenntnisse besitzen, als die
Spione von gewöhnlichem Schlage, sie sind entsetzte Lehrer und Beamte, Studen¬
ten, welche die Examina nicht wagten, sich auf Lohuschriftstellerei legte", und end¬
lich zu einem Amte emporschwangen, welches zwar ziemlich unsichtbar ist, ihnen
aber doch das Recht verleiht, sich kaiserliche Diener zu nennen. Sie sind die
Wächter der Buchhandlungen, vou denen sie zum Glück ziemlich gut gekannt sind.
Alle Augenblicke erscheinen sie darin, interessiren sich für Alles, was geschrieben
oder gedruckt ist, controliren die Regale, stören zwischen allen Ballen und Päck¬
chen herum und kaufen drei Mal nichts, und das vierte Mal , zwar auf Kosten
der Behörde, der sie dienen, eine Flugschrift oder Jourualnummer für wenige
Pfennige. Finden sie eine verbotene Schrift, so stehlen sie dieselbe wo möglich nud
übergeben sie der Censurcommission, diese sendet sie mit den nöthigen Angaben
dem Bureau des Generalpvlizcimeistcrs, und der Buchhändler erhält zu seiner
Verwunderung eine Aufforderung, sich vor die Behörde zu stelle". Man zeigt
ihm die verbotene oder der Censur nicht vorgclcgene Schrift nud eröffnet den Pro¬
zeß gegen ihn, der einige moskowitische Launen hat, da man den Ankläger, der
hier offenbar der Spion, oder vielmehr der Dieb ist, nicht gegen ihn stellt. Zum
Glück merkt man den Spionen in denjenigen Handlungen, in denen sie sich vor¬
zugsweise zu schaffen macheu, immer bald an, wer sie sind, freilich läßt sich nicht
jeder gefährliche Gegenstand so in Sicherheit halten, daß nicht auch ein Mal die
Nase eines kaiserlichen Schelms darauf stoßen sollte.

Die Privatbibliotheken sind nicht weniger ein Gegenstand der Beobachtung,
und um sie kennen zu lernen, schleichen sie sich oft sehr listig in die Privatwoh-
nungen ein. Hier suchen sie sich die Freundschaft eines Domestiken zu verschaffe",
indem sie sich für Versorgungsagenten ausgeben und versichern über Stellen dis-


schäften betraut zu sein, deren Ausführung nur mit dem Namen Spionerie be¬
zeichnet werden kann. Eine Menge Stabsoffiziere, und außer dem Polizeimeister
zwei Generale wirken fast ausschließlich in dem geheimen Institute, welches von
der Regierung in der That für den wichtigsten Theil ihres Verwaltungsweseus
gehalten zu werden scheint. Diese untergeordneten Chefs der geheimen Anstalt
haben besondere Abtheilungen zu verwalten, der eine hat das Publikum der größe¬
ren Städte zu beobachten und unterhält zu diesem Zwecke eine Menge Helfer,
welche mit ihm allein verkehren, einem Anderen ist die Beobachtung der kleinen
Städte und des Adels, einem Dritten die des Handelsverkehrs, einem Vierten
der Verkehr auf der Post, einem Fünften das spioniren in den Schulanstalten ?c.
anvertraut. So haben aber auch verschiedene Aemter ihre Spione. Die Ceusur-
commission des Königreichs darf sich rühmen allein nicht weniger als einige zwan¬
zig geheime Diener in Bewegung zu setzen. Diese Leute spüren den verbotenen
Schriften mit bewunderungswürdigem Scharfsinn nach. Ihre Klugheit verliert
allerdings dadurch an Merkwürdigkeit, daß sie meist Personen sind, welche Schu¬
len, auch wohl Universitäten besuchten und höhere Kenntnisse besitzen, als die
Spione von gewöhnlichem Schlage, sie sind entsetzte Lehrer und Beamte, Studen¬
ten, welche die Examina nicht wagten, sich auf Lohuschriftstellerei legte», und end¬
lich zu einem Amte emporschwangen, welches zwar ziemlich unsichtbar ist, ihnen
aber doch das Recht verleiht, sich kaiserliche Diener zu nennen. Sie sind die
Wächter der Buchhandlungen, vou denen sie zum Glück ziemlich gut gekannt sind.
Alle Augenblicke erscheinen sie darin, interessiren sich für Alles, was geschrieben
oder gedruckt ist, controliren die Regale, stören zwischen allen Ballen und Päck¬
chen herum und kaufen drei Mal nichts, und das vierte Mal , zwar auf Kosten
der Behörde, der sie dienen, eine Flugschrift oder Jourualnummer für wenige
Pfennige. Finden sie eine verbotene Schrift, so stehlen sie dieselbe wo möglich nud
übergeben sie der Censurcommission, diese sendet sie mit den nöthigen Angaben
dem Bureau des Generalpvlizcimeistcrs, und der Buchhändler erhält zu seiner
Verwunderung eine Aufforderung, sich vor die Behörde zu stelle». Man zeigt
ihm die verbotene oder der Censur nicht vorgclcgene Schrift nud eröffnet den Pro¬
zeß gegen ihn, der einige moskowitische Launen hat, da man den Ankläger, der
hier offenbar der Spion, oder vielmehr der Dieb ist, nicht gegen ihn stellt. Zum
Glück merkt man den Spionen in denjenigen Handlungen, in denen sie sich vor¬
zugsweise zu schaffen macheu, immer bald an, wer sie sind, freilich läßt sich nicht
jeder gefährliche Gegenstand so in Sicherheit halten, daß nicht auch ein Mal die
Nase eines kaiserlichen Schelms darauf stoßen sollte.

Die Privatbibliotheken sind nicht weniger ein Gegenstand der Beobachtung,
und um sie kennen zu lernen, schleichen sie sich oft sehr listig in die Privatwoh-
nungen ein. Hier suchen sie sich die Freundschaft eines Domestiken zu verschaffe»,
indem sie sich für Versorgungsagenten ausgeben und versichern über Stellen dis-


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[0316] schäften betraut zu sein, deren Ausführung nur mit dem Namen Spionerie be¬ zeichnet werden kann. Eine Menge Stabsoffiziere, und außer dem Polizeimeister zwei Generale wirken fast ausschließlich in dem geheimen Institute, welches von der Regierung in der That für den wichtigsten Theil ihres Verwaltungsweseus gehalten zu werden scheint. Diese untergeordneten Chefs der geheimen Anstalt haben besondere Abtheilungen zu verwalten, der eine hat das Publikum der größe¬ ren Städte zu beobachten und unterhält zu diesem Zwecke eine Menge Helfer, welche mit ihm allein verkehren, einem Anderen ist die Beobachtung der kleinen Städte und des Adels, einem Dritten die des Handelsverkehrs, einem Vierten der Verkehr auf der Post, einem Fünften das spioniren in den Schulanstalten ?c. anvertraut. So haben aber auch verschiedene Aemter ihre Spione. Die Ceusur- commission des Königreichs darf sich rühmen allein nicht weniger als einige zwan¬ zig geheime Diener in Bewegung zu setzen. Diese Leute spüren den verbotenen Schriften mit bewunderungswürdigem Scharfsinn nach. Ihre Klugheit verliert allerdings dadurch an Merkwürdigkeit, daß sie meist Personen sind, welche Schu¬ len, auch wohl Universitäten besuchten und höhere Kenntnisse besitzen, als die Spione von gewöhnlichem Schlage, sie sind entsetzte Lehrer und Beamte, Studen¬ ten, welche die Examina nicht wagten, sich auf Lohuschriftstellerei legte», und end¬ lich zu einem Amte emporschwangen, welches zwar ziemlich unsichtbar ist, ihnen aber doch das Recht verleiht, sich kaiserliche Diener zu nennen. Sie sind die Wächter der Buchhandlungen, vou denen sie zum Glück ziemlich gut gekannt sind. Alle Augenblicke erscheinen sie darin, interessiren sich für Alles, was geschrieben oder gedruckt ist, controliren die Regale, stören zwischen allen Ballen und Päck¬ chen herum und kaufen drei Mal nichts, und das vierte Mal , zwar auf Kosten der Behörde, der sie dienen, eine Flugschrift oder Jourualnummer für wenige Pfennige. Finden sie eine verbotene Schrift, so stehlen sie dieselbe wo möglich nud übergeben sie der Censurcommission, diese sendet sie mit den nöthigen Angaben dem Bureau des Generalpvlizcimeistcrs, und der Buchhändler erhält zu seiner Verwunderung eine Aufforderung, sich vor die Behörde zu stelle». Man zeigt ihm die verbotene oder der Censur nicht vorgclcgene Schrift nud eröffnet den Pro¬ zeß gegen ihn, der einige moskowitische Launen hat, da man den Ankläger, der hier offenbar der Spion, oder vielmehr der Dieb ist, nicht gegen ihn stellt. Zum Glück merkt man den Spionen in denjenigen Handlungen, in denen sie sich vor¬ zugsweise zu schaffen macheu, immer bald an, wer sie sind, freilich läßt sich nicht jeder gefährliche Gegenstand so in Sicherheit halten, daß nicht auch ein Mal die Nase eines kaiserlichen Schelms darauf stoßen sollte. Die Privatbibliotheken sind nicht weniger ein Gegenstand der Beobachtung, und um sie kennen zu lernen, schleichen sie sich oft sehr listig in die Privatwoh- nungen ein. Hier suchen sie sich die Freundschaft eines Domestiken zu verschaffe», indem sie sich für Versorgungsagenten ausgeben und versichern über Stellen dis-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/316>, abgerufen am 21.06.2024.