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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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so g'de es doch Mittel, der Fremde kund zu thun, was sich hier zuträgt und wo¬
her der gegen den vorjährigen so-sehr verschiedene Ton, den wir jetzt in der di¬
plomatischen Sprache des neapolitanischen Kabinets gegen dasjenige von S. James
bemerken, herrührt. -- Die Allgemeine Augsburger Zeitung beobachtet in dieser
Hinsicht ein hartnäckiges Schweigen, obschon sie gewiß besser als jedes andere
deutsche Tagesblatt im Stande wäre, ihrem Publikum hierüber genügende Aus¬
kunft zu geben. Uebrigens ist es leicht, den Grund der hochfahrenden Sprache
einzusehen. Man ruft in der Politik nicht selten in Verlegenheiten die Hilfe, den
Rath, die Vermittlung von Freunden an -- die Monarchen aber, in solchen
Dingen noch weit schwächere Menschenkinder, als der gemeine Mann -- vergessen
sehr leicht, nachdem die Noth vorüber, den ihnen gewordenen Beistand. -- Man
nennt das aber in der Diplomatie nicht, wie im gemeinen Leben, Undank, sondern
Beobachtung der Würde der Krone, und je unsicherer diese auf dem betreffenden
Haupte sitzt, je heftiger das Schwanken des Thrones im Sturm, der seine kräf¬
tigsten Stützen, die Anhänglichkeit der Unterthanen verloren hat, um so hochtra¬
bender tönt dann die Sprache, nachdem die Noth verschwunden. Dieses ist genau
der Fall mit König Ferdinand von Neapel: die Vermittlung Englands kam ihm,
wie dereinst (1812) seinem Ahn, erwünscht. Die hierdurch eingeleiteten Unterhand¬
lungen boten ihm Zeitgewinn, in seiner Lage das Wichtigste, denn dadurch erhielt
er Gelegenheit, die durch den Zufall herbeigeführten Umstände und Ereignisse zu
benutzen. -- Die englische Diplomatie rühmt sich vielleicht, die Mische Sache ge¬
schützt zu haben -- ich wage zu behaupten, daß sie Ferdinand's schwankenden Plä¬
nen diente und daß Sizilien, sich selbst überlassen, vielleicht besser gefahren, heute
in günstigerer Lage wäre , als wir es sehen. -- Die Ereignisse haben des Königs
Pläne, welche man nun als wohlberechnete betrachtet und so benennt, trefflich
unterstützt. Er verdankt aber die Rettung seiner Krone, die Wiederherstellung
seiner materiellen und militärischen Macht, welche so groß ist, wie sie vor ihm
kein König von Neapel und Sizilien besessen, einem an sich ziemlich unbedeuten¬
den Umstand. -- Der Zufall wollte, daß 4 Regimenter jenes deutschen Volkes,
dem Nichts über die beschworene Treue geht, in des Königs Diensten waren und
durch ihr Einschreiten am 15. Mai den in der lärmenden Residenz ausgebrochenen
Aufruhr stillten. Die neapolitanischen Regimenter, die sonst sehr wahrscheinlich
auf die andere Seile sich gewendet hätten, mußten den Schweizern folgen, woraus
denn auch die ganze Bevölkerung der -- ihrer siebzig Empörungen, Aufstände und
Emeuten ungeachtet noch immer im diplomatischen Sinne -- allergetreuestcn Stadt
Neapel, die sich wie ein Mann den Aufständischen anzuschließen bereit war, ruhig
blieb und sich den folgenden Tag entwaffnen ließ. -- Fast ein Zufall war es, der
das königliche Regiment in Neapel erhielt und ihm die Dauer und Kraft gab,
gegen Sizilien aufzutreten.

Und wenn Sie in Deutschland bei all' unseren italienischen Revolutionen der


so g'de es doch Mittel, der Fremde kund zu thun, was sich hier zuträgt und wo¬
her der gegen den vorjährigen so-sehr verschiedene Ton, den wir jetzt in der di¬
plomatischen Sprache des neapolitanischen Kabinets gegen dasjenige von S. James
bemerken, herrührt. — Die Allgemeine Augsburger Zeitung beobachtet in dieser
Hinsicht ein hartnäckiges Schweigen, obschon sie gewiß besser als jedes andere
deutsche Tagesblatt im Stande wäre, ihrem Publikum hierüber genügende Aus¬
kunft zu geben. Uebrigens ist es leicht, den Grund der hochfahrenden Sprache
einzusehen. Man ruft in der Politik nicht selten in Verlegenheiten die Hilfe, den
Rath, die Vermittlung von Freunden an — die Monarchen aber, in solchen
Dingen noch weit schwächere Menschenkinder, als der gemeine Mann — vergessen
sehr leicht, nachdem die Noth vorüber, den ihnen gewordenen Beistand. — Man
nennt das aber in der Diplomatie nicht, wie im gemeinen Leben, Undank, sondern
Beobachtung der Würde der Krone, und je unsicherer diese auf dem betreffenden
Haupte sitzt, je heftiger das Schwanken des Thrones im Sturm, der seine kräf¬
tigsten Stützen, die Anhänglichkeit der Unterthanen verloren hat, um so hochtra¬
bender tönt dann die Sprache, nachdem die Noth verschwunden. Dieses ist genau
der Fall mit König Ferdinand von Neapel: die Vermittlung Englands kam ihm,
wie dereinst (1812) seinem Ahn, erwünscht. Die hierdurch eingeleiteten Unterhand¬
lungen boten ihm Zeitgewinn, in seiner Lage das Wichtigste, denn dadurch erhielt
er Gelegenheit, die durch den Zufall herbeigeführten Umstände und Ereignisse zu
benutzen. — Die englische Diplomatie rühmt sich vielleicht, die Mische Sache ge¬
schützt zu haben — ich wage zu behaupten, daß sie Ferdinand's schwankenden Plä¬
nen diente und daß Sizilien, sich selbst überlassen, vielleicht besser gefahren, heute
in günstigerer Lage wäre , als wir es sehen. — Die Ereignisse haben des Königs
Pläne, welche man nun als wohlberechnete betrachtet und so benennt, trefflich
unterstützt. Er verdankt aber die Rettung seiner Krone, die Wiederherstellung
seiner materiellen und militärischen Macht, welche so groß ist, wie sie vor ihm
kein König von Neapel und Sizilien besessen, einem an sich ziemlich unbedeuten¬
den Umstand. — Der Zufall wollte, daß 4 Regimenter jenes deutschen Volkes,
dem Nichts über die beschworene Treue geht, in des Königs Diensten waren und
durch ihr Einschreiten am 15. Mai den in der lärmenden Residenz ausgebrochenen
Aufruhr stillten. Die neapolitanischen Regimenter, die sonst sehr wahrscheinlich
auf die andere Seile sich gewendet hätten, mußten den Schweizern folgen, woraus
denn auch die ganze Bevölkerung der — ihrer siebzig Empörungen, Aufstände und
Emeuten ungeachtet noch immer im diplomatischen Sinne — allergetreuestcn Stadt
Neapel, die sich wie ein Mann den Aufständischen anzuschließen bereit war, ruhig
blieb und sich den folgenden Tag entwaffnen ließ. — Fast ein Zufall war es, der
das königliche Regiment in Neapel erhielt und ihm die Dauer und Kraft gab,
gegen Sizilien aufzutreten.

Und wenn Sie in Deutschland bei all' unseren italienischen Revolutionen der


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[0280] so g'de es doch Mittel, der Fremde kund zu thun, was sich hier zuträgt und wo¬ her der gegen den vorjährigen so-sehr verschiedene Ton, den wir jetzt in der di¬ plomatischen Sprache des neapolitanischen Kabinets gegen dasjenige von S. James bemerken, herrührt. — Die Allgemeine Augsburger Zeitung beobachtet in dieser Hinsicht ein hartnäckiges Schweigen, obschon sie gewiß besser als jedes andere deutsche Tagesblatt im Stande wäre, ihrem Publikum hierüber genügende Aus¬ kunft zu geben. Uebrigens ist es leicht, den Grund der hochfahrenden Sprache einzusehen. Man ruft in der Politik nicht selten in Verlegenheiten die Hilfe, den Rath, die Vermittlung von Freunden an — die Monarchen aber, in solchen Dingen noch weit schwächere Menschenkinder, als der gemeine Mann — vergessen sehr leicht, nachdem die Noth vorüber, den ihnen gewordenen Beistand. — Man nennt das aber in der Diplomatie nicht, wie im gemeinen Leben, Undank, sondern Beobachtung der Würde der Krone, und je unsicherer diese auf dem betreffenden Haupte sitzt, je heftiger das Schwanken des Thrones im Sturm, der seine kräf¬ tigsten Stützen, die Anhänglichkeit der Unterthanen verloren hat, um so hochtra¬ bender tönt dann die Sprache, nachdem die Noth verschwunden. Dieses ist genau der Fall mit König Ferdinand von Neapel: die Vermittlung Englands kam ihm, wie dereinst (1812) seinem Ahn, erwünscht. Die hierdurch eingeleiteten Unterhand¬ lungen boten ihm Zeitgewinn, in seiner Lage das Wichtigste, denn dadurch erhielt er Gelegenheit, die durch den Zufall herbeigeführten Umstände und Ereignisse zu benutzen. — Die englische Diplomatie rühmt sich vielleicht, die Mische Sache ge¬ schützt zu haben — ich wage zu behaupten, daß sie Ferdinand's schwankenden Plä¬ nen diente und daß Sizilien, sich selbst überlassen, vielleicht besser gefahren, heute in günstigerer Lage wäre , als wir es sehen. — Die Ereignisse haben des Königs Pläne, welche man nun als wohlberechnete betrachtet und so benennt, trefflich unterstützt. Er verdankt aber die Rettung seiner Krone, die Wiederherstellung seiner materiellen und militärischen Macht, welche so groß ist, wie sie vor ihm kein König von Neapel und Sizilien besessen, einem an sich ziemlich unbedeuten¬ den Umstand. — Der Zufall wollte, daß 4 Regimenter jenes deutschen Volkes, dem Nichts über die beschworene Treue geht, in des Königs Diensten waren und durch ihr Einschreiten am 15. Mai den in der lärmenden Residenz ausgebrochenen Aufruhr stillten. Die neapolitanischen Regimenter, die sonst sehr wahrscheinlich auf die andere Seile sich gewendet hätten, mußten den Schweizern folgen, woraus denn auch die ganze Bevölkerung der — ihrer siebzig Empörungen, Aufstände und Emeuten ungeachtet noch immer im diplomatischen Sinne — allergetreuestcn Stadt Neapel, die sich wie ein Mann den Aufständischen anzuschließen bereit war, ruhig blieb und sich den folgenden Tag entwaffnen ließ. — Fast ein Zufall war es, der das königliche Regiment in Neapel erhielt und ihm die Dauer und Kraft gab, gegen Sizilien aufzutreten. Und wenn Sie in Deutschland bei all' unseren italienischen Revolutionen der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/280>, abgerufen am 27.06.2024.